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Arzneimittel und Therapie
Pharmazeutische Betreuung von Tumorpatienten
Wie Prof. Dr. Ulrich Jaehde, Bonn, erläuterte, treten unerwünschte Begleiterscheinungen einer Chemo- oder Strahlentherapie in der Regel nicht isoliert auf, sondern sind miteinander verbunden oder bedingen sich gegenseitig, so dass man heute von einem Symptomcluster spricht. Ein Beispiel für einen solchen Symptomcluster sind Mucositis, Infekte, Nausea, Übelkeit, Kachexie, Fatigue, Obstipation und Diarrhö. Art und Ausmaß dieser unerwünschten Wirkungen hängen von der individuellen Patientenkonstitution und den eingesetzten zytostatischen Therapien ab und können in der Regel vorausgesagt werden. Das bedeutet, dass präventive Maßnahmen ergriffen werden können, um unerwünschte Wirkungen abzuschwächen und das Leiden der Patienten zu lindern. Dies ist bislang vor allem bei der Verhinderung von Emesis und Übelkeit gelungen.
Emesis: Leitliniengerechte antiemetische Prophylaxe
Das bei einer zytostatischen Therapie auftretende Erbrechen wird in eine akute, eine verzögerte und eine antizipatorische Emesis unterteilt. Bei ihrem Zustandekommen sind unterschiedliche Regionen beteiligt: Der Gastrointestinaltrakt mit seinen enterochromaffinen Zellen, das Vestibulariszentrum, die mit Chemorezeptoren versehene Triggerzone in der Area postrema und das Brechzentrum in der Medula oblongata. Die akute Phase eines chemotherapieinduzierten Erbrechens beginnt innerhalb der ersten 24 Stunden, die verzögerte ein bis fünf Tage nach der Applikation des Zytostatikums. Das antizipatorische Erbrechen setzt bereits vor der zytostatischen Therapie ein und beruht auf schlechten Erfahrungen bei einer bereits erfolgten Chemotherapie. Die Prophylaxe orientiert sich an der Art des Erbrechens, dem Risikoprofil des Patienten und an dem emetogenen Potenzial des eingesetzten Arzneistoffs. Die aktuellen Empfehlungen richten sich nach den 2008 aktualisierten Leitlinien der MASCC (multinational association for supportive care in cancer; abrufbar unter www.mascc.org), in denen früher verwendete Substanzen wie Metoclopramid oder Diphenhydramin nicht mehr zu finden sind.
Leitliniengerechte antiemetische Prophylaxe (nach MASCC 2008) | ||
Emetogenität | akutes Erbrechen | verzögertes Erbrechen |
hoch | 5-HT3-Antagonist plus Dexamethason plus Aprepitant (Fosaprepitant) | Dexamethason plus Aprepitant |
moderat | 5-HT3-Antagonist plus Dexamethason | Dexamethason oder 5-HT3-Antagonist |
gering | Einzelsubstanz bzw. niedrig dosiertes Dexamethason | keine medikamentöse Prophylaxe |
minimal | keine medikamentöse Prophylaxe | keine medikamentöse Prophylaxe |
Mucositis: umfassende Prävention
Auch zur Therapie einer Mucositis, die im Extremfall therapielimitierend sein kann, liegen Leitlinien der MASCC (Aktualisierung 2007) vor. Sie sehen bei einer Hochdosistherapie den Einsatz des Keratinozyten-Wachstumsfaktors Palifermin (Kepivance®) vor und empfehlen ferner Spülungen mit Benzydaminlösungen, eine Kryotherapie bei 5-Fluorouracil-Bolusgabe sowie Mundpflegeprogramme mit Patientenschulungen. Für Benzydamin, das eine antiinflammatorische, lokalanästhesierende und antibakterielle Wirksamkeit aufweist, gibt es alkoholfreie Rezepturvorschriften, die besser verträglich sind als das alkoholhaltige Fertigarzneimittel (Tantum verde®).
Trotz der nachgewiesenen Wirkung einiger weniger Arzneimittel kann die Mucositis derzeit nicht optimal behandelt werden. Umso wichtiger ist eine umfassende Prävention. Diese umfasst:
- sorgfältige Mundhygiene, Verwendung weicher Zahnbürsten, Zahnsanierung vor der Therapie
- Befeuchten der Mundschleimhaut; häufiges Spülen mit alkoholfreien Lösungen
- individuelle Analgesie
- keine grobe, salzige oder scharf gewürzte Nahrung; Verzicht auf Alkohol und Nicotin
- Applikation von Lokalanästhetika vor dem Essen und vor oralen Therapien
Pharmazeutische BetreuungWas kann der Apotheker bei der pharmazeutischen Betreuung von Tumorpatienten leisten?
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Kachexie: Stiefkind der Supportivtherapie
Begleiterscheinungen einer Tumortherapie und ein verändertes metabolisches Milieu führen häufig zu einer Mangelernährung, die zu wenig beachtet wird, obwohl der Gewichtsverlust mit einem verringerten medianen Überleben einhergeht. Die Gewichtsabnahme betrifft vor allem die Körperzellmasse und somit den Verlust von funktionellen Proteinen. Mithilfe einer Bioimpedanz-Analyse, die auch in öffentlichen Apotheken durchgeführt wird, kann der Gewichtsverlust differenziert bestimmt werden. Nach Möglichkeit sollte der Patient oral ernährt werden. Gelingt dies nicht mehr, folgt die enterale oder parenterale Ernährung. Die medikamentöse Therapie ist empirisch; eingesetzt werden dabei Glucocorticoide (über einen kurzen Zeitraum), Megestrolacetat, Cannabinoide, nicht steroidale Antirheumatika und Omega-3-Fettsäuren.
Fatigue: bewegen statt schonen
Rund 50 bis 95% aller Tumorpatienten leiden unter einer Fatigue, die sich auf physischer, affektiver und kognitiver Ebene bemerkbar macht und vom psychosozialen Umfeld, der eigenen Wahrnehmung, der Grunderkrankung (Typ und Stadium des Tumors, biochemische Faktoren) und der Art der Therapie beeinflusst wird. Charakteristische Zeichen einer Fatigue sind Leistungsschwäche, Depressionen, schlafunabhängige Müdigkeit, verminderte Lebensqualität, das Gefühl der Perspektivlosigkeit, Existenzangst und Konzentrationsschwäche. Lange Zeit wurde diesem Symptomkomplex wenig Aufmerksamkeit geschenkt, so dass derzeit zur Therapie und Prävention der Fatigue nur wenig klare Aussagen gemacht werden können. Sicher ist, dass psychosoziale Interventionen und körperliche Bewegung das Ausmaß der Fatigue abschwächen. So konnte in einer Reihe von Studien gezeigt werden, dass sich bereits eine mäßige körperliche Aktivität positiv auswirkt. Weniger deutlich ist die Datenlage bei medikamentösen Interventionen. Erythropoetine sollten zurückhaltend und nur bei Vorliegen eines zu geringen Hb-Wertes eingesetzt werden, da eine jüngste Studie auf eine erhöhte Mortalität nach dem Einsatz von Erythropoetinen bei Tumorpatienten hinweist.
Quelle
Prof. Ulrich Jaehde, Bonn: "Unerwünschte Nebenwirkungen bei der Tumortherapie minimieren: Was kann der Apotheker tun?" Pharmacon Meran, 8. Juni 2009.
Apothekerin Dr. Petra Jungmayr
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