Fortbildung

Psychische Störungen aus hautärztlicher Sicht

Der richtige Weg zur Behandlung von Hautkrankheiten führt nicht immer über die Haut, oft liegt der Schlüssel in den psychischen Problemen der Patienten. So wird die Behandlung von Hautkrankheiten vielfach zu einer biopsychosozialen Herausforderung. Eine Übersicht über die vielen Varianten dieses Problems gab Prof. Dr. Wolfgang Harth, Berlin.
Prof. Dr. Wolfgang Harth
Foto: DAZ/tmb

Einige Patienten sind auffallend aggressiv und unzufrieden. Sie üben teilweise erheblichen Druck auf den Arzt aus, wenn es beispielsweise um die Anerkennung einer Berufskrankheit geht. Doch auch unselbstständige Patienten, die ihre Krankheit nicht zu bewältigen versuchen, können für den Arzt problematisch sein. Für den Behandler kann der eigene Ärger im Umgang mit dem Patienten zu einem diagnostischen Kriterium werden, dies wird als Gegenübertragung bezeichnet.

In der psychosomatischen Dermatologie werden drei Hauptgruppen von Erkrankungen unterschieden. Die erste Gruppe sind rein psychische Störungen, bei denen die Haut nur vermeintlich erkrankt ist. Dazu gehören Selbstverletzer und Patienten mit Wahnvorstellungen, beispielsweise Waschzwang. Die zweite Gruppe bilden multifaktorielle Dermatosen wie Akne, Atopie, Psoriasis oder Urtikaria, die psychisch getriggert werden. Zur dritten Gruppe zählen psychische Störungen als Folge einer entstellenden oder bedrohlichen Hautkrankheit.

Wahn statt Hautkrankheit

Selbstverletzer erinnern sich in extremen Fällen nicht an ihre Taten, weil Psyche und Körper bei ihnen als Folge einer traumatischen Erfahrung gespalten sind. Bei Paraartefakten liegt dagegen nur eine halbbewusste Störung der Impulskontrolle vor. Die Patienten können dem Impuls nicht widerstehen, erinnern sich aber daran. Eine weitere Gruppe sind Simulanten, die beispielsweise eine Berentung durchsetzen wollen. Eine seltene Variante ist das Münchhausen-Syndrom, bei dem die Patienten sehr häufig den Behandler wechseln. Eine relativ häufige Form der Selbstverletzung ist die Trichotillomanie, der dreizonige "Haarausfall", der durch Auszupfen der Haare entsteht und ein typisches Muster in der Behaarung hinterlässt.

Relativ weit verbreitet ist auch der Dermatozoenwahn. Die Betroffenen meinen Parasiten in der Haut zu haben, versuchen diese mit zum Teil drastischen Parasitenmitteln, wie sie für Haustiere angeboten werden, zu bekämpfen und schädigen so die Haut und andere Organe. Risperidon und Olanzapin bieten hier Therapiemöglichkeiten. Eine neue Variante sind die Morgellons, die irgendwelche organischen oder anorganischen Filamente ("Stacheln") in ihrer Haut vermuten. Bei dem Versuch diese zu entfernen schädigen sie ihre Haut. Die Betroffenen fühlen sich unverstanden und werden darin durch umfangreiche Selbsthilfegruppen im Internet bestätigt. Beobachter sprechen von einer "Cyperchondria", bei der die Krankheit durch das Internet verstärkt wird.

Somatoforme Störungen

Auch viele Patienten mit somatoformen Störungen klagen über dermatologische Symptome. Dazu gehören Patienten mit angeblichen Umweltsyndromen, Waschmittelallergien, Golfkriegssyndrom oder Reaktionen auf vermeintliche Ausdünstungen von Gebäuden, die sich scheinbar in körperlichen Symptomen zeigen. Dies kann bis zu Depressionen und Angststörungen führen, die die Lebensqualität schwer beeinträchtigen. Als Beispiel verwies Harth auf das "Hannelore-Kohl-Syndrom", eine angebliche Lichtallergie, die sich aufgrund der Popularität der früheren Patientin deutlich ausbreitet. Besonders häufig ist eine Verbindung zwischen Juckreiz und Depressionen. Antihistaminika helfen dann nicht, sondern eher Duloxetin, Fluoxetin oder Doxepin. Solche psychischen Beschwerden müssen auch psychisch behandelt werden. Dies ist jedoch oft nur schwer umzusetzen, weil viele Patienten die psychischen Ursachen ihrer Erkrankung nicht einsehen.

Körperdysmorphe Störungen

Wenn sich Patienten übermäßig mit einem eingebildeten Mangel ihrer äußeren Erscheinung beschäftigen, wird dies als körperdysmorphe Störung bezeichnet. Ausgehend von einem Minderwertigkeitsgefühl oder einer Zwangsstörung entsteht ein Unterschied zwischen der subjektiven und der objektiven Wahrnehmung. In kosmetischen Sprechstunden betrifft dies etwa 15 Prozent der Patienten. Dies führt vielfach zum Missbrauch hochwirksamer Arzneimittel zu unangemessenen Zwecken mit starken unerwünschten Wirkungen. Neben den verbreiteten Botox-Injektionen und diversen Substanzen zum Abnehmen sind dies Anabolika zum Muskelaufbau, Isotretinoin gegen eine glänzende Stirn sowie Minoxidil, Finasterid und Sildenafil. Ein zunehmendes Problem sind Maßnahmen gegen die angeblichen "Wechseljahre des Mannes", die zu vielfältigen Störungen führen sollen und mit Testosteron behandelt werden.

Therapie

Bei vielen psychischen Erkrankungen mit somatischen Symptomen muss die Therapie versuchen, Körper und Seele wieder in Einklang zu bringen. Dazu eignen sich Antidepressiva, in der Dermatologie wird insbesondere Citalopram eingesetzt. Dermatologen müssen bei solchen Verordnungen aber den Regress der Krankenversicherung erwarten. Als Alternativen bleiben die Privatverordnung oder die Überweisung zum Psychiater, die viele Patienten aber ablehnen. Als Zugang zu den Patienten empfiehlt Harth, nach den psychischen Folgen der Hautkrankheit zu fragen, um das Gespräch später auf die möglichen psychischen Ursachen lenken zu können.

tmb

In das Neptun-Hotel am Strand von Warnemünde kamen 250 Apothekerinnen und Apotheker, um sich rund um die Haut zu informieren und mit den Berufskollegen auszutauschen.

Foto: DAZ/ck

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