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- DAZ 34/2013
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Endometriose
Eine hartnäckige und schwer fassbare Erkrankung
Unter Endometriose versteht man eine gutartige Erkrankung der Frau im reproduktiven Alter, bei der Zellverbände aus Gebärmutterschleimhaut (Endometrium) atypisch aus der Gebärmutterhöhle (Cavum uteri) nach außen in das Becken oder sogar in uterusferne Organe gelangen (s. Abb. 1). Diese Endometrioseherde bestehen aus Drüsen und Bindegewebe, Nerven, Lymph- und Blutgefäßen sowie nicht zuletzt aus Östrogen- und Progesteronrezeptoren, was ihre hormonale Ansprechbarkeit erklärt.Verlässliche Angaben zur Häufigkeit der Endometriose fehlen, Prävalenzdaten können je nach Quelle stark schwanken. Man schätzt, dass es in Deutschland bei Frauen zwischen Pubertät und Wechseljahren jährlich zu etwa 40.000 Neuerkrankungen kommt. Betrachtet man Subgruppen, so erhöht sich die Prävalenz. So liegt sie bei Frauen mit Regelschmerzen bei 40 bis 60 Prozent, bei Frauen mit chronischen Unterleibschmerzen bei über 30 Prozent und bei Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch bei etwa 20 bis 30 Prozent. Weltweit leiden wohl etwa 176 Millionen Frauen an einer Endometriose.
Formen der Endometriose
Zwar gilt die Endometriose pathologisch-histologisch als benigne Erkrankung, aber durch infiltratives Wachstum kann sie sich weit ausbreiten und ein komplexes Befallsmuster ausbilden. Unbehandelt nimmt sie einen progressiven Verlauf und rezidiviert in den meisten Fällen. Je nach Lokalisation unterscheidet man drei wesentliche Formen:
- Endometriosis genitalis externa (am häufigsten vorkommend): Herde im kleinen Becken bzw. im Bereich des inneren weiblichen Genitale, also auf der Gebärmutter, dem Bauchfell (Peritoneum), den Adnexen (Eileitern und Eierstöcken), den Bändern zwischen Uterus und Kreuzbein.
- Endometriosis genitalis interna: Herde in der Gebärmuttermuskulatur, dem Myometrium. Diese Form ist gleichbedeutend mit der sog. Adenomyosis uteri. Verschiedene Autoren gehen davon aus, dass 40 Prozent aller Frauen mit Endometriosis genitalis externa auch eine Endometriosis genitalis interna haben.
- Endometriosis extragenitalis: Herde in Organen und Geweben außerhalb des Uterus, vor allem in der Vagina, in Harnblase und Harnleiter (Ureter), im Rektum bzw. Darm, auch in der Appendix (s. Abb. 2). Sogar rare Ausbreitungen von Endometrioseherden in die Lunge, die Leber und in den Bereich des Nabels wurden beschrieben. In der Regel ist dieser Befall retroperitoneal, d.h. hinter der eigentlichen Bauchhöhle gelegen bzw. nicht mehr von Bauchfell umschlossen.
Vereinfacht nennt die derzeitige Leitlinie gynäkologischer, chirurgischer und urologischer Fachgesellschaften [5] diese drei wesentlichen Formen
- peritoneale Endometriose,
- ovariale Endometriose und
- tief infiltrierende Endometriose.
Stülpt sich ein oberflächlicher Endometrioseherd nach und nach in das Ovar, bildet sich dort mit der Zeit ein zystischer Hohlraum, der als Endometriom bezeichnet wird oder nach dem Inhalt (eingedicktes altes Blut) als Schokoladenzyste.
Theorien zur Ätiopathogenese
Obwohl die Endometriose bereits 1690 von Daniel Schroen erstmals morphologisch beschrieben und 1860 von Carl von Rokitansky aus Sicht des Pathologen vorgestellt wurde, ist ihre Entstehung wissenschaftlich bis heute nicht geklärt. Von den verschiedenen Theorien zur Ätiologie und Pathogenese kann keine alle im Zusammenhang mit der Erkrankung erhobenen Befunde voll und ganz erklären.
- Die Transplantationstheorie beispielsweise postuliert, dass die Frau einerseits durch die typische Menstruation durch die Scheide nach außen blutet, andererseits durch eine retrograde Menstruation über die offenen Eileiter vitale Endometriumzellen in die Bauchhöhle gelangen und sich dort implantieren können. Warum jedoch nicht alle Frauen an einer Endometriose erkranken, wird hierdurch nicht erklärt.
- Das „Tissue Injury and Repair“-Konzept geht davon aus, dass es an der Grenze embryologisch unterschiedlicher Uterusgewebe durch die östrogengesteuerte Uteruskontraktion zu Mikrotraumata kommt. Die einsetzenden Reparaturmechanismen führen zu einer Dys- und Hyperperistaltik des Uterus mit nachfolgender Abschilferung und Absiedlung von Endometriumzellen über die Tuben in den Bauchraum.
Weiterhin wurden verschiedene Einflussfaktoren genannt, vor allem eine frühe Menarche und eine späte Menopause. Übergewicht scheint mit einem geringeren Risiko verbunden zu sein, dafür scheint das Risiko mit der Körpergröße zu steigen. Ein höheres Risiko liegt möglicherweise auch bei Rothaarigen und Asiatinnen vor, ebenso grundsätzlich bei erhöhter Störanfälligkeit des Immunsystems. Weiterhin wird eine familiäre Häufung der Endometriose angenommen, denn die Prävalenz bei Verwandten I. Grades (Töchter, Schwestern) ist 6- bis 9-fach erhöht, bei eineiigen Zwillingen sogar 15-fach.
ENZIAN-Stadieneinteilung
Über die Einteilung der Endometriose in unterschiedliche Schweregrade besteht international kein Konsens. Am weitesten verbreitet sind die AFS-Stadien „minimal“, „mild“, „moderat“ und „schwer“ der American Society for Reproductive Medicine (ASRM, früher AFS). Jedoch beziehen sie sich im Wesentlichen auf oberflächlich gelegene Endometrioseherde und beschreiben schwere infiltrative Formen und Verwachsungen nur inadäquat. Daher wurde im deutschsprachigen Raum eine neue Klassifikation entwickelt: Der differenzierte ENZIAN-Score berücksichtigt in Anlehnung an onkologische Stadieneinteilungen insbesondere die tief infiltrierende Endometriose und deren häufige retroperitoneale Manifestation. Hierbei können die vier Schweregrade I–IV (s. Tab. 1) nicht nur um drei unterschiedliche Raumachsen a–c durch das kleine Becken ergänzt werden, sondern auch um Suffixe für entfernten, auch internen Organbefall, beispielsweise „B“ für Blasenbeteiligung.
Leitsymptom Dysmenorrhö
Etwa die Hälfte der von Endometriose betroffenen Frauen hat keine oder nur geringe Beschwerden. Auch korreliert das Stadium der Erkrankung entgegen der gängigen Annahme nicht zwingend mit der Intensität der Beschwerden. Leitsymptom ist ein mit dem Menstruationszyklus verbundener krampfartiger Schmerz von steigender Intensität. Einige Wissenschaftler sehen diese primäre Dysmenorrhö nicht als Folge, sondern als Frühsymptom der Endometriose an. Weiterhin können auch Schmerzen beim Geschlechtsverkehr (Dyspareunie) bzw. ein schmerzhafter oder erschwerter Stuhlgang (Dyschezie) auftreten, ebenso eine Schmerzausstrahlung in den Rücken oder die Hüften.
Dauerschmerzen allerdings sind mit einer starken Ausdehnung der Herde vergesellschaftet. Man geht davon aus, dass tief eindringende Endometrioseinseln kleinste Nerven im Beckenraum entweder durch Kompression oder Infiltration reizen.
Die Regelblutung kann verstärkt und verlängert sein. Die Endometriose ist häufig mit Sterilität assoziiert, auch wenn hier bislang kein klarer kausaler Zusammenhang formuliert wurde. Als Ursache akzeptiert sind Verwachsungen der Eileiter oder eine zu starke Uterusperistaltik bzw. ein zu starker intrauteriner Druck.
Je nach Lokalisation der Endometrioseherde klagen die Patientinnen auch über gastrointestinale bzw. urologische Symptome. So können Flankenschmerzen und ein Harnstau auf eine Ureter-Ummauerung bei tief infiltrierender Endometriose hindeuten; bei Befall des Darmes kann es zu einer meist partiellen Stenosierung des Lumens kommen sowie zu zyklischen Darmblutungen. In Einzelfällen geht die Endometriose auch mit depressiven Verstimmungen und Fatigue-ähnlichen Beschwerden einher.
Schwierige Diagnose und Differenzialdiagnose
Die Diagnose einer Endometriose ist nicht einfach, was sich in einem meist langen Intervall zwischen dem Auftreten von Erstsymptomen und dem Zeitpunkt der Diagnosestellung widerspiegelt – in Europa sechs bis neun Jahre. Erschwert wird die Situation auch durch zahlreiche differenzialdiagnostische Alternativen, die im Einzelfall interdisziplinär abzuklären sind (s. Tab. 2). Abgesehen davon können die unterschiedlichen Manifestationen der Endometriose oft in Kombination auftreten.
Beim diagnostischen Prozedere unterscheidet man zwischen verschiedenen nicht invasiven und invasiven Maßnahmen (s. Abb. 3), wobei letztere in der Regel einer Laparoskopie entsprechen, die als Goldstandard gleichzeitig auch einer operativen Intervention dient. Zwischen der Verdachtsdiagnose und der definitiven, histologisch bestätigten Diagnose nach einer Laparoskopie werden auch bildgebende Verfahren eingesetzt, wobei hier vor allem die Sonografie von Bedeutung ist, die idealerweise abdominal, transvaginal und transanal durchgeführt wird. Die histologische Sicherung der Erkrankung ist unerlässlich – nicht jeder laparoskopisch verdächtige Herd im kleinen Becken erweist sich unter dem Mikroskop als Endometriose.
Individuelle Therapieplanung
Bis heute stehen keine kausalen Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung, um eine Endometriose grundsätzlich zu beseitigen oder zu heilen. Ebenso wenig gibt es Präventivmaßnahmen, die das Entstehen einer Endometriose verhindern können. In Klinik und Praxis werden medikamentöse und chirurgische Therapieansätze verfolgt, in vielen Fällen auch kombiniert. Sie alle sollten individuell geplant und durchgeführt werden – abhängig von der Intensität der Beschwerden, vom Befallsmuster, der funktionellen Störung bzw. anatomischen Zerstörung eines Organs und nicht zuletzt von der Frage des Kinderwunschs. Einen möglichen Algorithmus, ausgehend vom Leitsymptom Schmerz, zeigt Abbildung 4. Bei der medikamentösen Behandlung ist prinzipiell zu unterscheiden zwischen
- symptomatischer (Schmerz-)Behandlung mit in der Regel nichtsteroidalen Antiphlogistika wie Acetylsalicylsäure, Indometacin, Diclofenac, Ibuprofen und
- Substanzen mit mehr oder weniger direkter Einwirkung auf die Endometrioseläsionen wie Gestagene, GnRH-Agonisten und eine Östrogen-Gestagen-Kombination („Pille“).
Medikamentös-endokrine Therapie
Die Wirkung der Östrogen-Gestagen-Kombination bei Nonstop-Einnahme beruht darauf, dass es durch die exogene Hormonzufuhr zu einer Unterdrückung der Ovarfunktion kommt (negative Feedback-Hemmung über das ZNS). Therapieziele sind eine therapeutische Amenorrhö (Ausbleiben der Menstruation) sowie ein Wachstumsstillstand bzw. eine Regression der Endometrioseherde. Nachteile dieser Behandlung sind ein erhöhtes Thromboserisiko, Kopfschmerzen und steigende Blutdruckwerte.
Auch der Therapieeffekt von Gestagenen – in der zweiten Zyklushälfte – beruht auf einer Hemmung des Hypothalamus-Hypophysen-Ovar-Regelkreises. Weiterhin zeigen sich eine direkte sekretorische Wirkung mit Regression der Endometriose sowie eine Dämpfung der entzündlichen Aktivität. Gestagene sollten grundsätzlich kontinuierlich verabreicht werden, wobei die Dosierung des gewählten Präparats individuell so gestaltet werden sollte, dass es zu einer anhaltenden Amenorrhö kommt. Behandlungsziele neben der Dämpfung der Schmerzsymptomatik sind die Rückbildung der Endometriose und die Vermeidung einer Progression bzw. Neubildung von Endometrioseherden. Häufige Nebenwirkungen sind Durchbruchblutungen, Wassereinlagerung mit Gewichtszunahme sowie Hautveränderungen.
GnRH-Analoga derzeit am effektivsten
GnRH-Analoga sind Arzneistoffe mit ähnlicher chemischer Struktur wie das vom Hypothalamus abgegebene Gonadotropin-Releasing-Hormon (GnRH). Kontinuierlich zugeführt bewirken sie eine Downregulation der Hypophysenfunktion, wodurch die Ausschüttung der Gonadotropine FSH (Follikel stimulierendes Hormon) und LH (Gelbkörperhormon) komplett unterdrückt wird. Folge ist eine konstante Senkung des Serum-Estradiol-Spiegels, was in den allermeisten Fällen zu typischen klimakterischen Symptomen wie Hitzewallungen, Schweißausbrüchen und Schlafstörungen führt.
Der durch den Östrogenmangel bedingte Knochendichteverlust bei Langzeitbehandlung sollte durch eine sog. Add-back-Behandlung ausgeglichen werden, ohne die Effektivität der Endometriosebekämpfung negativ zu beeinflussen. Für die Add-back-Behandlung kommen sowohl Gestagene als auch eine Östrogen-Gestagen-Kombination infrage. Nichtsdestotrotz wird empfohlen, die Dauer der GnRH-Analoga-Behandlung auf etwa sechs Monate zu begrenzen.
Bei mäßigen und schweren mit Endometriose assoziierten Fertilitätsstörungen gilt die Kombination aus operativer Laparoskopie und der Gabe von GnRH-Analoga als Therapie der Wahl. Denn in verschiedenen Untersuchungen wurde gezeigt, dass GnRH-Analoga die Erfolgsrate bei Kinderwunschbehandlungen steigern können. Insgesamt gilt die Gabe von GnRH-Analoga als die derzeit effektivste medikamentöse Therapieoption.
Möglicherweise stehen in den nächsten Jahren weitere Substanzgruppen zur Endometriosebehandlung zur Verfügung. Pathophysiologisch begründet wäre der Einsatz von Aromatase- sowie COX-2-Hemmern, da in Endometrioseherden eine Überexpression der Enzyme Aromatase und Cyclooxygenase-2 festgestellt wurde. GnRH-Antagonisten zeigen eine schnellere Wirkung als GnRH-Agonisten, da sie schon auf der Ebene der Hypophyse die Hormonsynthese blockieren. In der momentan verfügbaren Applikationsform als tägliche Injektionen ist die Substanzgruppe aber keine Alternative. Ein orales Präparat steht derzeit nicht zur Verfügung.
Chirurgische Optionen
Operativer Goldstandard ist heute die Laparoskopie mit dem generellen Ziel, die Endometrioseherde weitestgehend, d.h. möglichst komplett zu entfernen. Da sich bei jungen Patientinnen die chirurgische Entfernung von Organen zur Reproduktion verbietet, muss in solchen Fällen eventuell ein Kompromiss gefunden werden. Bei Endometriosepatientinnen ohne Symptome ist eine Operation in der Regel nicht notwendig.
Peritoneale Endometrioseherde können mit Schere, Laser oder Ultraschall komplett entfernt werden. Bei der ovariellen Endometriose können oberflächlich gelegene Herde ebenfalls abgetragen werden. Endometriome, die durch eine medikamentöse Therapie im Übrigen nicht beseitigt werden können, sollten vorsichtig komplett ausgeschält werden. Der Operateur muss hierbei streng darauf achten, ausreichend gesundes Ovargewebe zu erhalten („ovarielle Reserve“) und die iatrogene Aussaat von Endometriosezellen zu vermeiden.
Die spezifischen Manifestationen der tief infiltrierenden Endometriose in Blase, Rektum, Retroperitoneum usw. erfordern in der Regel ein organübergreifendes Vorgehen mit Beteiligung der Viszeralchirurgie und/oder Urologie; dabei können z.B. eine Blasenteilresektion, eine Sigma- bzw. Rektumresektion, eine Appendektomie oder die Resektion von haltenden Bindegewebsstrukturen im kleinen Becken erforderlich sein. Hier genügt die ausschließliche Laparaskopie häufig nicht mehr – entweder wird eine kombiniert vaginal-laparoskopisch-offene Operation durchgeführt oder das Abdomen von vornherein per Bauchschnitt eröffnet.
Literatur
[1] Ulrich U, Müller F, Tuttlies F, Keckstein J. Diagnostik und Therapie der Endometriose – aktuelle Entwicklungen. Frauenarzt 2009; 50: 506–510.
[2] Schindler AE. Epidemiologie, Pathogenese und Diagnostik der Endometriose. J Fertil Reprod 2007; 17(4): 22–27.
[3] Schindler AE. Operative und medikamentöse Therapie der Endometriose/Adenomyose. J Gynäkol Endokrinol 2008; 18(2): 18–26.
[4] Farquhar C. Endometriosis. Br Med J 2007: 334: 249–253.
[5] Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG), et al. Diagnostik und Therapie der Endometriose. AWMF-Leitlinien-Register Nr. 015/045. 2. Auflage 2010.
[6] Halis G, Mechsner S, Ebert AD. Diagnose und Therapie der tief-infiltrierenden Endometriose. Dtsch Arztebl Int 2010; 107(25): 446–456.
[7] Tuttlies F, et al. ENZIAN-Klassifikation zur Diskussion gestellt: Eine neue differenzierte Klassifikation der tief infiltrierenden Endometriose. J Gynäkol Endokrinol 2008; 18(2): 7–13.
[8] Lachat R, Brühwiler H, Eggimann T. Endometriose – eine rätselhafte, hartnäckige und chronische Erkrankung. Schweiz Med Forum 2013; 13(13–14): 271–274.
Autor
Clemens Bilharz ist Facharzt für Anästhesie und Intensivmedizin und zusätzlich als wissenschaftlicher Fachzeitschriftenredakteur ausgebildet. Er ist als Autor und Berater für Fachverlage und Agenturen tätig.
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