Foto: DAZ/Alex Schelbert

Deutscher Apothekertag

Gebrauchsanweisung für die Antragsdebatte beim Apothekertag

Die Geschäftsordnung der Hauptversammlung und ihre Anwendung

Die wesentliche Arbeit der Delegierten beim Deutschen Apothekertag ist die Bearbeitung der Anträge. Dies geschieht in der Hauptversammlung nach den Regeln der Geschäftsordnung. Wie diese Regeln funktionieren und wie sich damit der Sitzungsverlauf steuern lässt, beschreiben wir hier – als Hintergrund für Beobachter und (nicht nur) für neue Delegierte. | tmb 

Die Anträge werden schon lange vor dem Apothekertag eingereicht und dann von einer Antragskommission thematisch geordnet. Inhaltlich zusammenhängende Anträge werden jeweils zu einem Leitantrag zusammengefasst. Die Hauptversammlung stimmt dann nur über den Leitantrag ab und spart damit Zeit. Allerdings können gemäß § 2 Absatz 6 der Geschäftsordnung jederzeit zusätzliche Anträge gestellt werden, die sich aus der Diskussion ergeben. Sie werden als Adhoc-Anträge bezeichnet. Dabei gibt es manchmal Zweifel, ob sich ein solcher Antrag auf die Diskussion bezieht. Doch auch zu anderen Themen sind noch beim Apothekertag Anträge nach § 2 Absatz 5 möglich. Dafür liegt die Hürde aber hoch. Denn in diesem Fall muss die Hauptversammlung erst mit Drei-Viertel-Mehrheit beschließen, dass sie überhaupt über diesen Antrag beraten will.

Anträge können geändert werden

In der Diskussion ergeben sich manchmal Änderungen der vorliegenden Anträge. Diese reichen vom Ersetzen einzelner Wörter, die vielleicht nicht treffend gewählt waren, bis zum Streichen oder Ergänzen größerer Abschnitte, die den Anträgen eine ganz neue Richtung geben können. Formal sind das Änderungs­anträge gemäß § 2 Absatz 7. Dann wird zunächst über den Änderungsantrag ab­gestimmt. Wird er mit Mehrheit angenommen, hat sich der ursprüngliche Antrag damit erledigt. Wird er abgelehnt, folgt eine Abstimmung über den ursprüng­lichen Antrag.

Dabei kann es vorkommen, dass zu einem Antrag mehrere Änderungsanträge vorliegen. Dann kann es für das Ergebnis entscheidend sein, in welcher Reihenfolge darüber abgestimmt wird. Dazu schreibt § 8 Absatz 4 der Geschäftsordnung vor, zuerst über den weitergehenden Antrag abzustimmen. Über einen Änderungs­antrag, der einen umfassenden Maßnahmenkatalog zu einem Problem vorschlägt, würde also vor einem anderen Änderungsantrag abgestimmt, der nur eine dieser Maßnahmen vorsieht. Sobald ein Antrag in einer solchen Kaskade angenommen wird, erübrigen sich die weiteren Anträge.

Geschäftsordnungsanträge steuern den Sitzungsverlauf

Es gibt also einige Möglichkeiten, wie die Diskussion durch zusätzliche Anträge ergänzt und damit ausgedehnt werden kann. Mindestens ebenso wichtig für den Verlauf der Antragsdebatte ist jedoch die Frage, wie sich die Diskussion zu einem Antrag beenden lässt. Dafür kann es viele Gründe geben und für die meisten Fälle sieht die Geschäftsordnung Hilfe vor. Denn gemäß § 5 Absatz 1 der Geschäftsordnung können Geschäftsordnungsanträge außerhalb der Redner­liste gestellt werden. Das kann also auch geschehen, wenn noch angemeldete Redner auf einer Liste stehen. Dafür melden sich die Delegierten mit beiden Armen. Wer sich so meldet, erhält das Rederecht für einen Geschäftsordnungsantrag und soll diesen begründen, darf dann aber nicht mehr zum Diskussionsgegenstand sprechen. Danach erhält höchstens ein Delegierter das Recht, eine Gegenrede zum Geschäftsordnungsantrag zu halten. Es geht dann nicht inhaltlich um das Diskussionsthema, sondern z. B. um die Frage, warum ein Antrag in einem Ausschuss besser beraten werden kann. Dann wird sofort über den Geschäftsordnungsantrag abgestimmt. Falls dieser angenommen wird, hängt es von diesem Geschäftsordnungsantrag ab, ob und wie die Debatte weitergeht.

a: Begrenzung der Redezeit

In § 9 Absatz 1 sind neun Fälle von Geschäftsordnungsanträgen vorgesehen, die mit den Buchstaben a bis i bezeichnet werden. Der Fall a, der Antrag „auf Begrenzung der Redezeit“ wird kaum genutzt und bringt wohl auch wenig. Denn die Redezeit für jeden einzelnen Beitrag ist ohnehin gemäß § 6 Absatz 1 auf fünf Minuten begrenzt, und eine ausufernde Debatte lässt sich besser über die Zulassung von Redebeiträgen als über die Zeit begrenzen. Wenn eine lange Debatte ermüdend wird, das Gefühl entsteht, dass eigentlich alles gesagt ist, und auch noch eine lange Liste weiterer Anträge zu bearbeiten ist, kann der Wunsch entstehen, die Debatte zu beenden.

b: Schluss der Rednerliste

Ein vergleichsweise mildes Mittel dazu ist der Fall b, der Antrag „auf Schluss der Rednerliste“. Wenn die Delegierten diesen Antrag annehmen, dürfen zu dem gerade diskutierten Antrag keine weiteren Redebeiträge mehr angemeldet werden. Die bereits auf der Rednerliste vermerkten Redner dürfen aber nach dem Geschäftsordnungsantrag noch sprechen.

c: Schluss der Beratung

Wenn die Rednerliste bereits sehr lang ist und der Zeitplan aus den Fugen geraten könnte, bietet sich als härteres Mittel der Fall c an, der Antrag „auf Schluss der Beratung“. Wenn er angenommen wird, dürfen auch die bereits angemeldeten Redner nicht mehr sprechen. Erfahrungsgemäß stimmen die Delegierten einem solchen Antrag nur nach einer langen Diskussion zu, in der sich vieles schon wiederholt hat – oder wenn die Zeit sehr drängt. In den Fällen a bis c folgt nach der Debatte die Abstimmung über den jeweils diskutierten Antrag. Die Fälle a bis c sind also nur angebracht, wenn die bisherige Diskussion als ausreichende Entscheidungsgrundlage für die Delegierten betrachtet wird.

d: Verweisung an einen Ausschuss

In den Diskussionen zu den Anträgen stellt sich manchmal heraus, dass die Sachlage sehr komplex ist oder wichtige Fakten in der Hauptversammlung nicht zu ermitteln sind. Wenn das Thema jedoch eine weitere Beschäftigung wert ist, wird ein solcher Antrag gerne an einen Ausschuss oder ein anderes Gremium der ABDA verwiesen. Dazu dient ein Geschäftsordnungsantrag nach § 9 Absatz 1 d. Diese Variante bietet sich auch an, wenn ein Antrag aus inhaltlichen Gründen nicht abgelehnt werden kann, aber so problematisch formuliert ist, dass vielen Delegierten die Zustimmung schwerfällt. Die Verweisung an einen Ausschuss hilft dann der Versammlung, ihr Gesicht zu wahren.

e: Vertagung des Beratungsgegenstandes

Wenn hingegen damit zu rechnen ist, dass die fehlenden Informationen kurzfristig zu beschaffen sind, bietet sich der Fall e an, die „Vertagung des Beratungsgegenstandes“. Diese Variante kann auch hilfreich sein, wenn beispielsweise noch ein Adhoc-Antrag zum gleichen Thema angekündigt wird, aber noch nicht vorliegt.

f: Übergang zum nächsten Antrag

Es gibt also ziemlich viele Möglichkeiten, den Zeitplan zu retten oder vielleicht auch die Beschäftigung mit unlieb­samen Themen zu begrenzen, wenn die Mehrheit der Hauptversammlung das möchte. Deutlich härter wirksam als die bisher genannten Optionen ist der Fall f, der Antrag „auf Übergang zum nächsten Antrag“. Damit wird nicht nur die Debatte beendet, sondern auch eine Abstimmung umgangen. Denn wenn die Mehrheit der Delegierten diesem Geschäftsordnungsantrag zustimmt, ist der betreffende Antrag sofort vom Tisch und landet auch nicht in einem Ausschuss. Diese Variante wird eingesetzt, wenn sich der Antrag im Lauf der Debatte als problematisch erwiesen hat, aber eine Ablehnung ein ungewünschtes politisches Signal auslösen könnte. Im Fall f wird beschlossen, zur Sache nichts zu beschließen.

g: Übergang zum nächsten Tagesordnungspunkt

Der Fall g wird praktisch nur irrtümlich aufgerufen und hat im Laufe von Jahrzehnten schon zu einigen Lachern in der Hauptversammlung geführt. Der Fall g ist nämlich der Antrag „auf Übergang zum nächsten Tagesordnungspunkt“. Nach einem möglichen Themenforum und insbesondere am letzten Veranstaltungstag ist die Antragsdebatte aber meistens der letzte Tagesordnungspunkt. Damit wäre die Versammlung beendet. Wenn der Fall g aufgerufen wird, ist das daher meistens eine Verwechslung. Gemeint ist wohl der Übergang zum nächsten Antrag, also der Fall f. Denn die einzelnen Anträge stellen keine Tagesordnungspunkte dar. Bis ein Delegierter sich zu einem solchen Antrag durchringt, muss eine ziemlich hitzige oder problematische Diskussion stattfinden – und in diesem Eifer wird dann schon mal der falsche Buchstabe genannt.

h: Unterbrechung oder Vertagung der Versammlung

Als weitere Variante gibt es den Fall h, den Antrag „auf Unterbrechung oder Vertagung der Versammlung“. Das ermöglicht beispielsweise, eine Debatte am Abend zu beenden, aber normalerweise regelt die Sitzungsleitung mögliche Überziehungen auch ohne formelle Anträge im Einvernehmen mit der Versammlung.

i: Schluss der Versammlung

Aus denselben Gründen spielt auch der Fall i kaum eine Rolle. Dies ist der Antrag „auf der Schluss der Versammlung“. Damit hat die Hauptversammlung aber eine Möglichkeit, den Apothekertag zu beenden, wenn beispielsweise der Terminplan überzogen wird, viele Delegierte abreisen müssen, weil sie Züge oder Flüge gebucht haben, und damit eine konstruktive Debatte nicht mehr möglich ist. Das kann auch inhaltlich eine Rolle spielen, falls gerade die letzten Anträge besonders kontroverse Themen behandeln. Das sind aber eher theoretische Überlegungen für ganz seltene Situationen. Denn in den allermeisten Fällen entwickelt sich die Hauptversammlung im Zusammenspiel aus Sitzungsleitung und Delegierten so, dass auch ein dickes Heft mit vielen Anträgen in der verfügbaren Zeit abgearbeitet wird. Irgendwie geht der Zeitplan meistens auf. Allerdings hat der Verfasser durchaus den Eindruck gewonnen, dass zu Beginn der Antragsdebatte manche eher wenig bedeutsamen Themen auch schon mal sehr ausgiebig diskutiert werden, während gegen Ende der Versammlung die Redebeiträge knapper werden und der ganze Ablauf straffer wirkt.
 

Anträge digital

Foto: DAZ/Alex Schelbert

Die vollständige Dokumentation der Anträge des Deutschen Apothekertags 2023 einschließlich der Abstimmungsergebnisse der Hauptversammlung stellen wir für Sie auf DAZ.online ab dem 4. Oktober 2023 bereit. Geben Sie einfach in die Suchfunktion auf www.deutsche-apotheker-zeitung.de den Webcode C8VT2 ein und Sie gelangen zu den Anträgen.

Nur Empfehlungen, Appelle und Forderungen

Doch so gut, wie das alles geordnet ist, und so sehr sich alle Beteiligten um eine gute Debatte bemühen, darf eines nicht vergessen werden: Die Hauptversammlung hat keine eigene Macht. Sie kann nur empfehlen, appellieren und auch fordern, sie kann sich dabei an den Gesetzgeber, die Krankenkassen, die Ärzte oder an wen auch immer wenden. Sogar was die ABDA angeht, kann sie zwar Beschlüsse fassen, aber das oberste Entscheidungsgremium der ABDA ist die Mitgliederversammlung und nicht die Hauptversammlung. Doch die Hauptversammlung kann der Arbeit der ABDA politisches Gewicht verleihen. Denn die Hauptversammlung soll nach innen und nach außen vermitteln, was den Apothekerinnen und Apothekern wichtig ist. |

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.