Erlotinib
Hintergrundinformation
Lungenkrebs
Lungenkrebs steht bei Männern an erster und bei Frauen nach Brust- und Kolonkarzinom an dritter Stelle der krebsbedingten Todesursachen. Da zum Zeitpunkt der Diagnose meistens schon Fernmetastasen vorhanden oder die Lymphknoten befallen sind, ist der Tumor nicht mehr operabel und somit nicht mehr heilbar. In der Regel wird eine Palliativtherapie eingeleitet, um das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen und Symptome wie Husten, Atemnot und Schmerzen zu lindern. Allerdings sind die Ansprechrate und der lebensverlängernde Effekt der Chemotherapie bei Patienten mit nicht-kleinzelligem Bronchialkarzinom gering. Zusätzlich belasten die Betroffenen die Nebenwirkungen der Chemotherapie, wie Blutbildveränderungen, Beeinträchtigung der Nierenfunktion, Haarausfall, Durchfall oder Hautausschlag.
Erlotinib
Wirkungsmechanismus
Erlotinib ist ein starker Inhibitor der Tyrosinkinase des menschlichen epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptors vom Typ 1 (EGFR, auch bekannt als HER1), der an der Oberfläche von normalen und Krebszellen exprimert wird. Erlotinib hemmt die intrazelluläre Phosphorylierung von EGFR.
In nicht-klinischen Modellen bewirkte die Hemmung von EGFR-Phosphotyrosin den Wachstumsstillstand und/oder den Zelltod.
Pharmakokinetik
- Resorption: Nach oraler Gabe werden die maximalen Plasmakonzentrationen von Erlotinib nach etwa vier Stunden erreicht. Im Rahmen einer Studie mit gesunden Probanden lag die geschätzte absolute Bioverfügbarkeit bei 59%. Die Exposition nach oraler Gabe kann bei gleichzeitiger Nahrungsaufnahme erhöht sein.
- Verteilung: Erlotinib hat ein scheinbares Verteilungsvolumen von durchschnittlich 232 l und diffundiert gut in menschliches Tumorgewebe. Die Tumorpasmaproteinbindung beträgt etwa 95%. Erlotinib bindet an Serumalbumin und an alpha-1-saures Glykoprotein.
- Metabolismus: Erlotinib wird beim Menschen in der Leber durch die hepatischen Cytochrome, hauptsächlich CYP3A4 und in geringerem Umfang CYP1A2, metabolisiert. Extrahepatischer Metabolismus durch CYP3A4 im Darm, durch CYP1A1 in der Lunge und durch CYP1B1 im Tumorgewebe kann möglicherweise ebenfalls zur metabolischen Clearance von Erlotinib beitragen.
- Elimination: Erlotinib wird hauptsächlich in Form der Metaboliten über die Fäzes ausgeschieden (>90%). Auf die renale Elimination entfällt nur ein kleiner Anteil (etwa 9%) der oralen Dosis. Weniger als 2% der oral verabreichten Dosis werden als Ausgangssubstanz ausgeschieden. Eine Untersuchung zur Populationspharmakokinetik bei 591 Patienten, die Erlotinib als Monotherapeutikum erhielten, ergab eine durchschnittliche scheinbare Clearance von 4,47 l/h bei einer medianen Halbwertszeit von 36,2 Stunden. Daher ist mit einer Zeitspanne von zirka 7 bis 8 Tagen zu rechnen, bis sich Steady-state-Plasmakonzentrationen einstellen.
- Pharmakokinetik in besonderen klinischen Situationen: Erhöhte Serumkonzentrationen von Gesamtbilirubin waren mit einer verminderten Clearancerate von Erlotinib verbunden. Die klinische Relevanz dieses Unterschiedes ist unklar. Bei Rauchern war die Erlotinib-Clearance erhöht. Raucher sollten während der Behandlung mit Erlotinib das Rauchen einstellen, da die Plasmakonzentrationen sonst reduziert sein könnten. Durch die Anwesenheit eines Opioids scheint die Erlotinib-Exposition um etwa 11% erhöht zu sein.
- Leberinsuffizienz: Erlotinib wird hauptsächlich über die Leber eliminiert. Daten über den Einfluss von Leberfunktionsstörungen und/oder Lebermetastasen auf die Pharmakokinetik von Erlotinib liegen allerdings zurzeit nicht vor.
- Niereninsuffizienz: Erlotinib und seine Metaboliten werden, wie beschrieben, nicht in nennenswertem Umfang über die Nieren eliminiert. Daten von Patienten mit einer Kreatinin-Clearance von unter 15 ml/min liegen nicht vor.
Dosierung, Art und Dauer der Anwendung
Die empfohlene Dosis beträgt einmal täglich 150 mg und wird mindestens eine Stunde vor oder zwei Stunden nach einer Mahlzeit eingenommen. Die gleichzeitige Anwendung von CYP3A4-Substraten und -Modulatoren kann eine Dosisanpassung erforderlich machen.
- Patienten mit Leberfunktionsstörungen: Erlotinib wird durch Verstoffwechselung in der Leber und Ausscheidung in die Galle eliminiert. Studien zur Sicherheit und Wirksamkeit von Erlotinib bei Patienten mit Leberfunktionsstörungen wurden nicht durchgeführt. Daher ist bei Patienten mit Leberfunktionsstörungen Vorsicht geboten. Die Anwendung bei Patienten mit schwerer Leberfunktionsstörung wird nicht empfohlen.
- Patienten mit Nierenfunktionsstörungen: Studien zur Sicherheit und Wirksamkeit von Erlotinib bei Patienten mit Nierenfunktionsstörungen wurden nicht durchgeführt. Aufgrund pharmakokinetischer Daten scheint bei Patienten mit leichter oder mäßiger Nierenfunktionsstörung keine Dosisanpassung notwendig zu sein. Die Anwendung von Erlotinib bei Patienten mit schwerer Nierenfunktionsstörung wird nicht empfohlen.
- Die Sicherheit und Wirksamkeit von Erlotinib bei Patienten unter 18 Jahren wurde nicht untersucht. Die Anwendung in der Pädiatrie wird dementsprechend nicht empfohlen.
Kontraindikationen
Schwere Überempfindlichkeit gegen Erlotinib oder einen der sonstigen Bestandteile.
Unerwünschte Wirkungen
Häufigste Nebenwirkungen waren Ausschlag (Rash, 75%) und Diarrhö (54%). Diese waren größtenteils vom Schweregrad 1 bis 2, eine Intervention war nicht nötig. Ausschläge und Diarrhö des Schweregrads 3 bis 4 kamen bei 9 und 6% der Patienten, die mit Erlotinib behandelt wurden, vor und führten jeweils bei 1% der Patienten zum Abbruch der Studie. Eine Dosisreduktion wegen Ausschlag und Durchfall war bei 6 und 1% der Patienten erforderlich.
Die folgenden häufigen und gelegentlich vorkommenden Nebenwirkungen traten bei Patienten auf, die Erlotinib als Monotherapeutikum erhalten haben. Die folgenden Begriffe werden zur Einteilung der Nebenwirkungen nach Häufigkeit verwendet: sehr häufig >1/10, häufig >1/100, <1/10; gelegentlich >1/1000, <1/100; selten >1/10.000, <1/1000; sehr selten >1/10.000 einschließlich gemeldeter Einzelfälle.
- Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts: häufig: gastrointestinale Blutungen. In klinischen Studien entfielen einige Berichte auf Patienten, die gleichzeitig Warfarin, und einige auf Patienten, die gleichzeitig nichtsteroidale Antiphlogistika erhielten.
- Leber- und Gallenerkrankungen: häufig: veränderte Leberfunktionswerte. Diese Veränderungen waren hauptsächlich von leichter oder mittelschwerer Ausprägung und traten nur vorübergehend auf oder hingen mit Lebermetastasen zusammen.
- Augenerkrankungen: häufig: Keratitis. Bei einem Patienten, der Erlotinib in Verbindung mit einer anderen Chemotherapie erhalten hatte, trat ein Hornhautgeschwür als Komplikation einer mukokutanen Entzündung auf.- Erkrankungen der Atemwege, des Brustraums und Mediastinums: gelegentlich: schwere interstitielle Lungenerkrankungen - einschließlich Todesfälle - bei Patienten, die zur Behandlung eines nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms oder anderer solider Tumoren im fortgeschrittenen Stadium Erlotinib erhalten hatten.
Wechselwirkungen
- Erlotinib ist in vitro ein starker Inhibitor von CYP1A1, ein mäßiger Inhibitor von CYP3A4 und CYP2C8 sowie ein starker Inhibitor der Glucuronidierung durch UGT1A1. Die physiologische Bedeutung der starken Inhibierung von CYP1A1 ist wegen der sehr geringen Expression von CYP1A1 in menschlichem Gewebe unbekannt. Die Wirkungen von CYP1A2-Inhibitoren auf die Pharmakokinetik von Erlotinib wurden nicht untersucht. Daher ist Vorsicht geboten, falls solche Inhibitoren mit Erlotinib kombiniert werden. Bis jetzt ist keine klinische Interaktionsstudie mit einem CYP3A4-Substrat durchgeführt worden. Erlotinib sollte nur vorsichtig mit CYP3A4-Substraten kombiniert werden.In einer klinischen Studie konnte gezeigt werden, dass Erlotinib keinen Einfluss auf die Pharmakokinetik des gleichzeitig verabreichten CYP3A4/2C8Substrates Paclitaxel hat.
- Stark wirksame Inhibitoren der CYP3A4-Aktivität verringern die Metabolisierung von Erlotinib, erhöhen dessen Plasmakonzentration und können zu erhöhter Toxizität führen. In einer klinischen Studie hatte die gleichzeitige Gabe von Erlotinib und Ketoconazol (zweimal täglich 200 mg oral über 5 Tage), einem starken CYP3A4-Inhibitor, eine erhöhte Exposition gegenüber Erlotinib (AUC um 86% und Cmax um 69%) zur Folge. Daher ist Vorsicht geboten, wenn Erlotinib gemeinsam mit hoch wirksamen CYP3A4-Inhibitoren, beispielsweise AzolAntimykotika, Proteaseinhibitoren, Erythromycin oder Clarithromycin, verabreicht wird. Falls erforderlich, sollte die Dosis von Erlotinib reduziert werden, insbesondere beim Auftreten von toxischen Symptomen.
- Stark wirksame Induktoren von CYP3A4 können die Metabolisierung von Erlotinib verstärken und somit seine Plasmakonzentration und Wirksamkeit reduzieren. In einer klinischen Studie hatte die gleichzeitige Gabe von Erlotinib und Rifampicin (einmal täglich 600 mg oral über 7 Tage), einem starken CYP3A4Induktor, eine Abnahme der medianen AUC von Erlotinib um 69 % zur Folge. Eine reduzierte Exposition kann auch bei anderen Induktoren auftreten, zum Beispiel Phenytoin, Carbamazepin, Barbituraten oder Johanniskraut (Hypericum perforatum). Nach Möglichkeit sollten Behandlungsalternativen ohne eine solche starke CYP3A4-induzierende Wirkung erwogen werden.
- Die Hemmung der Glucuronidierung kann Wechselwirkungen mit Arzneimitteln verursachen, die Substrate von UGT1A1 sind und ausschließlich über diesen Weg eliminiert werden. Patienten mit geringen Expressionsspiegeln von UGT1A1 oder genetischen Glucuronidierungsstörungen (z.B. Gilbert-Syndrom) können erhöhte Serumkonzentrationen von Bilirubin aufweisen und müssen mit Vorsicht behandelt werden. Da, wie erwähnt, ein extrahepatischer Metabolismus durch CYP3A4 im Darm, durch CYP1A1 in der Lunge und durch CYP1B1 im Tumorgewebe möglicherweise zur metabolischen Clearance von Erlotinib beiträgt, können Wechselwirkungen mit Wirkstoffen auftreten, die durch diese Enzyme verstoffwechselt werden oder bei denen es sich um Inhibitoren oder Induktoren dieser Enzyme handelt.
- In klinischen Studien kam es zu Erhöhungen der International Normalized Ratio (INR) sowie zu Blutungen, einschließlich gastrointestinaler Blutungen. Einige Berichte entfielen auf Patienten, die gleichzeitig Warfarin und einige auf Patienten, die gleichzeitig nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAID) erhielten. Patienten, die mit Warfarin oder anderen Antikoagulanzien auf Cumarinbasis behandelt werden, sind regelmäßig auf Veränderungen der Prothrombinzeit oder der INR zu überwachen.
- Erlotinib ist ein Substrat des Wirkstoff-Transporters P-Glykoprotein. Die gleichzeitige Gabe von Inhibitoren des P-Glykoproteins, wie Ciclosporin und Verapamil, kann zu einer veränderten Verteilung und/oder zu einer veränderten Elimination von Erlotinib führen. Die Auswirkungen dieser Interaktion, beispielsweise auf die ZNS-Toxizität, sind nicht untersucht. Daher ist in diesen Situationen Vorsicht geboten.
- Erlotinib ist bei einem pH-Wert über 5 vermindert löslich. Die Wirkung von Antazida, Protonenpumpenhemmern und H2-Antagonisten auf die Resorption von Erlotinib wurde zwar nicht untersucht, doch kann seine Resorption beeinträchtigt sein, was zu niedrigeren Plasmaspiegeln führt. Daher ist Vorsicht geboten, falls diese Arzneimittel mit Erlotinib kombiniert werden.
Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen
- Gelegentlich wurde, wie oben erwähnt, von Fällen mit interstitieller Lungenerkrankung, die zum Teil tödlich verliefen, bei Patienten berichtet, die wegen eines nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms oder eines anderen fortgeschrittenen soliden Tumors mit Erlotinib behandelt wurden. In der zulassungsrelevanten Studie lag die Inzidenz interstitieller Lungenerkrankungen bei der Behandlung des nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms sowohl in der Plazebogruppe als auch in der Erlotinibgruppe bei 0,8%. Die Gesamtinzidenz dieser Erkrankung betrug in allen Studien bei den mit Erlotinib behandelten Patienten (einschließlich nicht kontrollierter Studien sowie Studien mit gleichzeitig verabreichten anderen Chemotherapeutiuka) zirka 0,6%, im Vergleich zu 0,2% bei Patienten unter Plazebotherapie. Bei Patienten mit akut auftretenden neuen und/oder unerklärlichen progredienten Lungensymptomen, wie Dyspnö, Husten und Fieber, sollte die Behandlung mit Erlotinib abgebrochen werden, bis eine diagnostische Abklärung erfolgt ist. Falls eine interstitielle Lungenerkrankung diagnosti ziert wird, sollte Erlotinib abgesetzt und bei Bedarf eine geeignete Therapie in die Wege geleitet werden. J Bei etwa 50% der Patienten, die Erlotinib erhalten haben, trat Diarrhö auf, die bei mittelschwerer bis schwerer Ausprägung beispielsweise mit Loperamid behandelt werden sollte. In manchen Fällen kann eine Dosisreduktion erforderlich sein. In den klinischen Studien wurden die Dosierungen in Schritten von 50 mg herabgesetzt. Die schrittweise Dosisreduktion um 25 mg wurde nicht untersucht. Falls ein Patient an schweren oder anhaltenden Formen von Diarrhö, Übelkeit, Appetitverlust oder Erbrechen leidet, die mit Dehydratation verbunden sind, sollten die Therapie mit Erlotinib unterbrochen und geeignete Maßnahmen zur Behandlung der Dehydratation ergriffen werden.
- Die Tabletten enthalten Lactose und sollten deshalb nicht bei Patienten mit der seltenen hereditären Galactose-Intoleranz, Lactase-Mangel oder GlucoseGalactose-Malabsorption angewendet werden.
Schwangerschaft und Stillzeit
Studien mit Erlotinib bei schwangeren Frauen liegen nicht vor. In tierexperimentellen Studien ist eine gewisse Reproduktionstoxizität nachgewiesen worden. Das potenzielle Risiko für den Menschen ist nicht bekannt. Frauen sollten daher während der Behandlung mit Erlotinib und mindestens zwei Wochen nach deren Ende nicht schwanger werden. Bei schwangeren Frauen sollte die Therapie nur dann fortgeführt werden, wenn der potenzielle Nutzen für die Mutter gegenüber dem Risiko für den Fötus überwiegt.
Es ist nicht bekannt, ob Erlotinib in die Muttermilch übergeht. Aufgrund der Gefahr einer Schädigung des Säuglings müssen Mütter angewiesen werden, während der Behandlung mit Erlotinib nicht zu stillen.
Handelspräparat Tarceva®
Hersteller
Einführungsdatum
Zusammensetzung
Eine Filmtablette enthält 25, 100 bzw. 150 mg Erlotinib (als Erlotinibhydrochlorid).
Sonstige Bestandteile
Tablettenkern: Lactose-Monohydrat, mikrokristalline Cellulose (E 460), Carboxymethylstärke-Natrium (Typ A, Ph.Eur.), Natriumdodecylsulfat, Magnesiumstearat (Ph.Eur., E 470b). Filmüberzug: Hyprolose (E 463), Titandioxid (E 171), Macrogol (400), Hypromellose (E 464). Tarceva 25 mg Filmtabletten: gelbe Drucktinte: Schellack (E 904), Eisenoxidhydrat (E 172). Tarceva 100 mg Filmtabletten: graue Drucktinte: Schellack (E 904), Eisenoxidhydrat (E 172), Eisen(II,III)-oxid (E 172), Titandioxid (E 171). Tarceva 150 mg Filmtabletten: braune Drucktinte: Schellack (E 904), Eisenoxidhydrat (E 172), Eisen(II,III)oxid (E 172), Eisen(III)-oxid (E 172).
Packungsgrößen, Preise, PZN
Tarceva 25/-100/-150 mg, jeweils 30 Filmtabletten:
607,81 Euro, PZN 4186993;
2103,80 Euro, PZN 4186987;
2590,00 Euro, PZN 4186970.
Indikation
Zur Behandlung des lokal fortgeschrittenen oder metastasierten nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms, wenn zuvor mindestens eine Chemotherapie versagt hat.
Dosierung
Die empfohlene Dosis beträgt einmal täglich 150 mg und wird mindestens eine Stunde vor oder zwei Stunden nach einer Mahlzeit eingenommen. Falls eine Anpassung der Dosis erforderlich ist, sollte diese in Schritten von 50 mg herabgesetzt werden.
Kontraindikationen
Schwere Überempfindlichkeit gegen Erlotinib oder einen der sonstigen Bestandteile.
Unerwünschte Wirkungen
Sehr häufig: Ausschlag (Rash), Diarrhö; häufig: gastrointestinale Blutungen, veränderte Leberfunktionswerte, Keratitis.
Wechselwirkungen
die Metabolisierung von Erlotinib; stark wirksame Induktoren von CYP3A4 können die Metabolisierung von Erlotinib verstärken. Die Hemmung der Glucuronidierung kann Wechselwirkungen mit Arzneimitteln verursachen, die Substrate von UGT1A1 sind und ausschließlich über diesen Weg eliminiert werden. Patienten, die mit Warfarin oder anderen Antikoagulanzien auf Cumarinbasis behandelt werden, sind regelmäßig auf Veränderungen der Prothrombinzeit oder der INR zu überwachen. Die Patienten sollten während der Behandlung mit Erlotinib das Rauchen einstellen, da die Plasmakonzentrationen des Wirkstoffs sonst reduziert sein könnten. Die gleichzeitige Gabe von Inhibitoren des P-Glykoproteins, wie Ciclosporin und Verapamil, kann zu einer veränderten Verteilung und/oder zu einer veränderten Elimination von Erlotinib führen. Erlotinib ist bei einem pH-Wert über 5 vermindert löslich, bei gleichzeitiger Anwendung von Antazida, Protonenpumpenhemmern und H2-Antagonisten kann die Resorption beeinträchtigt sein.
Warnhinweise, Vorsichtsmaßnahme
Gelegentlich traten Fälle mit interstitieller Lungenerkrankung, die zum Teil tödlich verliefen, auf; falls eine interstitielle Lungenerkrankung diagnostiziert wird, sollte Erlotinib abgesetzt werden. Bei etwa 50% der Patienten kam es zu einer Diarrhö, die bei mittelschwerer bis schwerer Ausprägung beispielsweise mit Loperamid behandelt werden sollte; in manchen Fällen kann eine Dosisreduktion erforderlich sein.
Literatur
Shepherd FA et al. Erlotinib in previously treated non-small-cell lung cancer. N Engl J Med 2005; 353:123-32.
Tsao M-S et al. Erlotinib in lung cancer - Molecular and clinical predictors of outcome. N Engl J Med 2005; 353:133-44.
Doroshow JH. Targeting EGFR in non-small-cell lung cancer
N Engl J Med 2005; 353:200-2.
Kurz zusammengefasst
Der Tyrosinkinase-Hemmstoff Erlotinib (Tarceva®) ist ein kleines Molekül, das zur Second-line-Therapie für Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC) eingesetzt wird. In der Zulassungsstudie verlängerte der Tyrosinkinase-Hemmer signifikant das Überleben um allerdings nur zwei Monate. Erlotinib blockiert den Wachstumsfaktor-Rezeptor HER1 (humanen epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptor 1, EGFR-1 = Epidermal Growth Factor Receptor) an der Zelloberfläche. Dieser wird bei verschiedenen Tumorarten in sehr großer Menge gebildet, zum Beispiel beim nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinom (NSCLC), Kolon-, Prostata-, Ovarialkarzinom und bei Kopf-Hals-Tumoren. Wachstumsfaktoren spielen eine wichtige Rolle bei der Progression von Tumoren und Metastasen. Erlotinib hemmt bei der HER1-Signalübertragung die Tyrosinkinase-Aktivität innerhalb der Zelle, was zu einer Blockade des Tumorzellwachstums führen kann. HER1/EGFR kommt normalerweise im gesunden Lungengewebe nicht vor, auch nicht beim kleinzelligen Bronchialkarzinom.
Erlotinib besetzt hoch selektiv und reversibel die Adenosintriphosphat (ATP)Bindungsstelle der intrazellulären Tyrosinkinase(TK)-Domäne des epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptors. Dadurch wird die Phosphorylierung blockiert und die Signalweiterleitung unterbrochen. Proliferation und Angiogenese werden unterdrückt, die Apoptose wird gefördert und die Empfindlichkeit der Tumorzellen gegenüber Chemo- und Radiotherapie erhöht.
Erlotinib ist zur Behandlung von Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem nicht kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC), bei denen mindestens eine Chemotherapie versagt hat, zugelassen.
Die empfohlene Anfangsdosis liegt bei einmal täglich 150 mg. Nach oraler Gabe werden maximale Plasmaspiegel nach etwa vier Stunden erreicht, die absolute Bioverfügbarkeit beträgt 60%. Erlotinib wird hauptsächlich in der Leber über das Cytochrom-Isoenzym CYP3A4 und in geringerem Umfang über CYP1A2 metabolisiert. Bislang konnten drei Hauptstoffwechselwege identifiziert werden. Die Metaboliten, die durch O-Demethylierung einer oder beider Seitenketten gebildet werden, wiesen in präklinischen In-vitro-Studien sowie in Tumormodellen in vivo eine vergleichbare Wirksamkeit wie Erlotinib auf. Sie liegen im Plasma in Konzentrationen vor, die weniger als 10 Prozent von Erlotinib ausmachen. Der Tyrosinkinase-Hemmer wird hauptsächlich in Form seiner Metaboliten über die Fäzes ausgeschieden.
Die Zulassung basiert auf den Ergebnissen einer internationalen Phase-IIIStudie an 731 Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC. Die Patienten erhielten nach Versagen wenigstens einer vorherigen Chemotherapie entweder 150 mg Erlotinib als Monotherapeutikum oder Plazebo. Die mit Erlotinib behandelten Patienten überlebten signifikant länger als die Patienten der Plazebogruppe (6,7 versus 4,7 Monate). In der Erlotinibgruppe lebten nach einem Jahr noch 31,2% der Patienten, in der Plazebogruppe waren das 21,5%. Patienten, die nie geraucht hatten, hatten einen viel größeren Nutzen durch die Erlotinib-Behandlung als Raucher oder ehemalige Raucher. Typische Krankheitssymptome wie Husten, Kurzatmigkeit und Schmerzen konnten unter der Behandlung mit Erlotinib häufiger und über einen längeren Zeitraum gelindert werden. Häufigste Nebenwirkungen waren Diarrhö (54%) und ein Hautausschlag (75%), der sich meist spontan oder nach einer Therapiepause zurückbildete.
Derzeit wird Erlotinib auch als Ersttherapeutikum getestet, zum Beispiel bei alten Patienten mit schlechtem Allgemeinzustand, die eine andere Chemotherapie schlecht oder nicht mehr vertragen. Ihnen könnte die Erlotinib-Monotherapie mit einer Tablette täglich (150 mg) nützen. Bei 66 Patienten im Alter von durchschnittlich 75 Jahren konnte zu 60% eine partielle Remission oder eine Krankheitsstabilisierung erreicht werden. Die mittlere Überlebenszeit betrug elf Monate.
Außer bei Lungenkarzinomen wird der EGF-Rezeptor auch bei bösartigen Erkrankungen anderer Organe fehlreguliert. Bei Patienten mit Pankreaskarzinom, die eine ebenso schlechte Prognose haben wie Lungenkrebs-Patienten, hat die Kombination einer Chemotherapie mit Erlotinib bereits zur Verlängerung der Überlebenszeiten geführt. In weiteren Studien wird die Wirksamkeit von Erlotinib auch bei anderen soliden Tumoren, unter anderem Eierstockkrebs, Dickdarmkrebs, Kopf- und Halstumoren, Nierenzellkrebs, Gliom und Magen-Darm-Krebs, untersucht.