Kepivance®

Palifermin

Keratinozyten-Wachstumsfaktor zur Behandlung der oralen Mukositis bei Chemotherapie
Der Keratinozyten-Wachstumsfaktor Palifermin (Kepivance®) wird eingesetzt, um Häufigkeit, Dauer und den Schweregrad der oralen Mukositis bei einer Strahlen- oder Chemotherapie zu verringern. Er ist bei Patienten indiziert, die an hämatologischen malignen Erkrankungen leiden und myeloablative Therapien erhalten, welche mit einer hohen Inzidenz schwerer Mukositis assoziiert sind und den Einsatz von autologen hämatopoetischen Stammzellen erfordern.

Palifermin

Palifermin 

ATC-Code

V: Varia

V03: Alle übrigen therapeutischen Mittel

V03A: Alle übrigen therapeutischen Mittel

V03AF: Entgiftungsmittel für die Behandlung mit Zytostatika

V03AF08: Palifermin

Wirkungsmechanismus

Palifermin ist ein humaner Keratinozyten-Wachstumsfaktor (KGF), der mit Hilfe rekombinanter DNA-Technologie in Escherichia coli hergestellt wird. Palifermin ist ein Protein aus 140 Aminosäuren mit einem Molekulargewicht von 16,3 kDa. Es unterscheidet sich vom endogenen humanen KGF dadurch, dass die ersten 23 N-terminalen Aminosäuren deletiert wurden, um die Proteinstabilität zu erhöhen. Palifermin stimuliert als intravenösen Einzeldosis von 120 bis 250 Mikrogramm/kg Körpergewicht dosisabhängig die Proliferation der Epithelzellen.

Der endogene humane KGF ist ein spezifischer Wachstumsfaktor für Epithelzellen. Er bindet an spezifische Oberflächenrezeptoren der Epithelzellen und stimuliert dadurch deren Proliferation und Differenzierung sowie die Hochregulierung von zytoprotektiven Mechanismen, beispielsweise die Induktion von Antioxidationsenzymen. KGF wird von mesenchymalen Zellen produziert und als Antwort auf eine Verletzung der Epithelzellen hochreguliert.

Pharmakokinetik

Nach einer einmaligen intravenösen Dosis von 20 bis 250 g/kg Körpergewicht zeigt Palifermin eine schnelle extravaskuläre Verteilung. Das durchschnittliche Verteilungsvolumen (Vss) bei Patienten mit hämatologischen malignen Erkrankungen war 5 l/kg und die durchschnittliche Clearance lag bei etwa 1300 ml/Stunde und kg mit einer mittleren terminalen Halbwertszeit von 4,5 Stunden. Nach Gabe einer Einzeldosis von bis zu 250 microg/kg war die Pharmakokinetik annähernd dosislinear. Nach Gabe von 20 bis 60 g/kg an drei aufeinander folgenden Tagen wurde Palifermin nicht akkumuliert.

Eine leichte bis moderate Einschränkung der Nierenfunktion beeinflusste die Pharmakokinetik von Palife rmin nicht. Bei Patienten mit schwerer Nierenfunktionsstörung (Kreatinin-Clearance < 30 ml/min) war die Clearance um 22% (n = 5) vermindert. Bei Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz, welche dialysepflichtig waren, war die Palifermin-Clearance um 10% (n = 6) erniedrigt.

Dosierung, Art und Dauer der Anwendung

Die empfohlene Dosierung von Palifermin ist 60 g/kg und Tag. Palifermin wird als intravenöse Bolusinjektion an jeweils drei aufeinander folgenden Tagen vor und nach einer myeloabltiven Therapie gegeben, insgesamt sechs Mal. Aufgrund der schlechten lokalen Verträglichkeit sollte Palifermin nicht subkutan angewendet werden.

Rekonstituiertes Kepivance« darf nicht länger als eine Stunde bei Raumtemperatur aufbewahrt werden und muss vor Licht geschützt werden. Vor der Anwendung muss die Lösung visuell auf Verfärbungen und Partikel untersucht werden. Die ersten drei Dosen sollten vor der myeloablativen Therapie angewendet werden, die dritte 24 bis 48 Stunden vorher. Die letzten drei Dosen sollten nach der myeloablativen Therapie injiziert werden. Die erste dieser Injektionen sollte nach der Infusion hämatopoetischer Stammzellen, jedoch am selben Tag erfolgen. Zwischen der erneuten Gabe und der letzten Anwendung von Palifermin sollten mindestens vier Tage liegen.

Die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit von Palifermin bei Kindern und jugendlichen Patienten sind noch nicht hinreichend untersucht. Daher sollte Palifermin hier nicht angewendet werden. Auch bei älteren Patienten wurden Wirksamkeit und Unbedenklichkeit nicht untersucht.

Bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion ist eine Dosisanpassung nicht notwendig, wie erwähnt. Bei Patienten mit eingeschränkter Leberfunktion wurden Wirksamkeit und Unbedenklichkeit nicht untersucht.

Kontraindikationen

Überempfindlichkeit gegenüber Palifermin, einen der sonstigen Bestandteile, oder aus Escherichia coli hergestellten Proteinen.

Unerwünschte Wirkungen

Die Sicherheitsdaten basieren auf 650 Patienten mit hämatologischen malignen Erkrankungen, die in drei randomisierten, plazebokontrollierten klinischen Studien und einer Pharmakokinetikstudie eingeschlossen waren. Die Patienten erhielten Palifermin (n = 409) oder Plazebo (n = 241) entweder vor oder vor und nach einer myelotoxischen Chemotherapie mit oder ohne Ganzkörperbestrahlung und Transplantation peripherer Blutstammzellen (peripheral blood progenitor cells, "PBPC"). Patienten, die Palifermin oder Plazebo erhielten, erholten sich hämatopoetisch nach der PBPC-Infusion vergleichbar gut. Unterschiede im Fortschreiten der Erkrankung oder im Überleben traten nicht auf.

Die Nebenwirkungen entsprachen der pharmakologischen Wirkung von Palifermin auf die Haut und die Mundschleimhaut. Diese Reaktionen waren vorwiegend mild bis moderat im Schweregrad und reversibel. Nach Anwendung der ersten drei täglich aufeinander folgenden Dosen traten Nebenwirkungen im Mittel nach sechs Tagen auf und hielten fünf Tage an.

Sehr häufige (>1/10) Nebenwirkungen waren Geschmacksirritationen; Anschwellen oder Verfärbung der Zunge; Rash, Pruritus und Erytheme; Arthralgien; Ödeme, Schmerzen und Fieber.

Palifermin kann bei einigen Patienten erhöhte Lipase- oder Amylasespiegel, mit oder ohne Abdominal- oder Rückenschmerzen, verursachen (Inzidenz im Vergleich zu Plazebo: Lipase 28% vs. 23%, Amylase 62% vs. 54%). Offenkundige Fälle von Pankreatitis traten nicht auf.

Bei 36% (5 von 14) der Patienten, welche sechs Dosen von 80 g/kg und Tag intravenös über einen Zeitraum von zwei Wochen erhielten (drei Dosen vor und drei Dosen nach der myeloablativen Therapie), wurden dosislimitierende Toxizitäten beobachtet. Die Ereignisse entsprachen den Ereignissen, die bei der empfohlenen Dosierung beobachtet wurden, waren jedoch im Allgemeinen ausgeprägter im Schweregrad.

Wechselwirkungen

Interaktionsstudien mit Palifermin wurden nicht durchgeführt. Das Risiko einer Wechselwirkung von Palifermin mit anderen Arzneimitteln ist gering, da es sich um ein Protein handelt.

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen

  • Palifermin sollte nicht innerhalb von 24 Stunden vor, während oder nach der Anwendung eines zytotoxischen Chemotherapeutikums gegeben werden. In einer klinischen Studie hatte die Anwendung von Palifermin innerhalb von 24 Stunden vor oder nach der Chemotherapie eine Erhöhung von Schweregrad und Dauer der oralen Mukositis zur Folge.
  • Falls Heparin zur Aufrechterhaltung eines intravenösen Zugangs verwendet wird, sollte dieser vor und nach der Palifermin-Anwendung mit Kochsalzlösung gespült werden.
  • KGF-Rezeptoren werden in der Augenlinse exprimiert. In klinischen Studien bei mit Palifermin behandelten Patienten wurde bisher keine zunehmende Trübung der Augenlinse beobachtet. Langzeitwirkungen sind noch nicht bekannt.
  • Palifermin stimuliert die Proliferation von KGF-Rezeptor exprimierenden Epithelzellen. Seine Wirksamkeit und Unbedenklichkeit wurde bei Patienten mit KGF-Rezeptor exprimierenden, nicht-hämatologischen malignen Erkrankungen noch nicht hinreichend untersucht.

Schwangerschaft und Stillzeit

Adäquate Daten für die Anwendung von Palifermin bei schwangeren Frauen liegen nicht vor. Tierexperimentelle Studien haben Reproduktions- und Entwicklungstoxizität gezeigt. Das potenzielle Risiko für den menschlichen Embryo oder Fötus ist unbekannt. Palifermin darf während der Schwangerschaft nicht verwendet werden, es sei denn, dies ist eindeutig erforderlich. Es ist nicht bekannt, ob Palifermin in die Muttermilch übertritt; daher darf es in der Stillzeit nicht angewendet werden.

Handelspräparat Kepivance® 

Hersteller

Einführungsdatum

Zusammensetzung

Jede Durchstechflasche enthält 6,25 mg Palifermin. Rekonstituiertes Kepivance enthält 5 mg/ml Palifermin.

Sonstige Bestandteile

Histidin, Mannitol, Sucrose, Polysorbat 20, verdünnte Salzsäure.

Packungsgrößen, Preise, PZN

6 Durchstechflaschen, 5830,46 Euro, PZN 1811829.

Indikation

Palifermin ist angezeigt zur Reduktion der Häufigkeit, der Dauer und des Schweregrades oaler Mukositis bei Patienten mit hämatologischen malignen Erkrankungen, die myeloablative Therapien erhalten, welche mit einer hohen Inzidenz schwerer Mukositis assoziiert sind und den Einsatz von autologen hämatopoetischen Stammzellen erfordern.

Dosierung

60 g/kg KG und Tag als intravenöse Bolusinjektion an jeweils drei aufeinander folgenden Tagen vor und nach einer myeloablativen Therapie, insgesamt somit sechs Mal. Die ersten drei Dosen vor der myeloablativen Therapie, die dritte 24 bis 48 Stunden vorher; die letzten drei Dosen nach der myeloablativen Therapie, die erste nach der Infusion hämatopoetischer Stammzellen, jedoch am selben Tag. Zwischen der erneuten Gabe und der letzten Anwendung von Palifermin sollten mindestens vier Tage liegen.

Kontraindikationen

Überempfindlichkeit gegenüber Palifermin, einen der sonstigen Bestandteile, oder aus Escherichia coli hergestellten Proteinen.

Unerwünschte Wirkungen

Geschmacksirritationen; Mund/Zunge: Anschwellen oder Verfärbung; Rash, Pruritus und Erytheme; Arthralgien; Ídeme, Schmerzen und Fieber

Wechselwirkungen

Das Risiko einer Wechselwirkung von Palifermin mit anderen Arzneimitteln ist gering, da es sich um ein Protein handelt.

Warnhinweise, Vorsichtsmaßnahme

Palifermin sollte nicht innerhalb von 24 Stunden vor, während oder nach der Anwendung eines zytotoxischen Chemotherapeutikums gegeben werden. Falls Heparin zur Aufrechterhaltung eines intravenösen Zugangs verwendet wird, sollte dieser vor und nach der Palifermin-Anwendung mit Kochsalzlösung gespült werden.

Literatur

Spielberger R, Stiff P, Bensinger W et al.: Palifermin for oral mucositis after intensive therapy for hematologic cancers. N Engl J Med 2004;351: 2590-2598.

 

Kurz zusammengefasst 

Palifermin (Kepivance®) ist ein gentechnisch hergestelltes Analogon des natürlichen Keratinozyten-Wachstumsfaktors KGF. KGF stimuliert das Wachstum von Zellen in verschiedenen Geweben, zum Beispiel der Haut und in den Epithelzellen im Mund, Magen und Darm. KGF hilft dabei, die normale Struktur der Haut und der oberen Schicht des Gastrointestinaltrakts aufrecht zu erhalten und trägt zu deren Reparatur bei, indem es dort Teilung, Wachstum und Entwicklung der Zellen stimuliert.

Eine Chemo- und auch eine Radiotherapie schädigt alle schnell wachsenden Zellen, also nicht nur die Krebszellen, sondern auch die Zellen der Haare, die Schleimhautzellen und die Blutzellen. Deshalb treten als Nebenwirkung von Chemo- und Strahlentherapie häufig eine Mukositis, eine Entzündung der Mundschleimhaut und der Epithelzellen des Darms, auf. Die Patienten leiden unter sehr schmerzhaften wunden Stellen und Ulzera im Mund, die sie stark beim Essen und Schlucken behindern. In schweren Fällen müssen die Patienten intravenös ernährt werden. Weil auch die Darmschleimhaut entzündet ist, leiden die Patienten auch unter Diarrhöen.

Palifermin kann helfen, diese schweren Nebenwirkungen zu verringern, indem es die Neubildung von Epithelzellen stimuliert. In klinischen Studien litten Patienten, die mit Palifermin behandelt wurden, weniger unter Mukositis und benötigten weniger Schmerzmittel als die Patienten der Plazebogruppe. Da Palifermin noch nicht bei allen Krebsarten getestet wurde, sollte es zunächst nur bei Patienten mit Leukämien und Lymphomen eingesetzt werden. Die empfohlene Dosierung von Palifermin ist 60 microg/kg und Tag. Palifermin wird als intravenöse Bolusinjektion an jeweils drei aufeinander folgenden Tagen vor und nach einer myeloablativen Therapie gegeben, insgesamt sechs Mal. Die ersten drei Dosen sollten vor der myeloablativen Therapie angewendet werden, die dritte 24 bis 48 Stunden vorher. Die letzten drei Dosen sollten nach der myeloablativen Therapie angewendet werden. Die erste dieser Dosen sollte nach der Infusion hämatopoetischer Stammzellen, jedoch am selben Tag erfolgen. Zwischen der erneuten Gabe und der letzten Anwendung von Palifermin sollten mindestens vier Tage liegen.

Bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion ist eine Dosisanpassung nicht notwendig. Bei Patienten mit eingeschränkter Leberfunktion wurden Wirksamkeit und Unbedenklichkeit nicht untersucht.

Die häufigsten Nebenwirkungen sind Hautrötungen, unangenehme Gefühle im Mund und asymptomatische Erhöhungen von Proteinen, was auf eine Irritation des Pankreas hindeuten könnte. Bisher traten keine gravierenden Nebenwirkungen auf.

KGF-Rezeptoren werden auch in der Augenlinse exprimiert. In klinischen Studien bei mit Palifermin behandelten Patienten wurde bisher keine zunehmende Trübung der Augenlinse beobachtet. Langzeitwirkungen sind noch nicht bekannt. Palifermin stimuliert die Proliferation von KGF-Rezeptor exprimierenden Epithelzellen. Seine Wirksamkeit und Unbedenklichkeit wurde bei Patienten mit KGF-Rezeptor exprimierenden, nicht-hämatologischen malignen Erkrankungen noch nicht hinreichend untersucht.

 

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