Tipranavir
Tipranavir
ATC-Code
J: Antiinfektiva zur systemischen Anwendung
J05: Antivirale Mittel zur systemischen Anwendung
J05A: Direkt wirkende antivirale Mittel
J05AE: Proteasehemmer
J05AE09: Tipranavir
Wirkungsmechanismus
Tipranavir ist ein nicht-peptidischer Hemmstoff der HIV-1-Protease. Der Wirkstoff hemmt die Virusreplikation, indem er die Reifung der viralen Partikel verhindert. In vitro hemmt Tipranavir die Replikation von HIV-1-Laborstämmen und klinischen Isolaten in akuten T-Zell-Infektionsmodellen. In Kombination mit anderen antiretroviralen Mitteln hat Tipranavir einen synergistischen bis additiven Effekt. Resistenzen gegen Tipranavir entwickeln sich in vitro langsam und komplex. In klinischen Phase-II- und Phase-III-Prüfungen waren bei 276 Patienten unter einer Behandlung mit Tipranavir drei Mutationen nachweisbar. Für eine reduzierte Empfindlichkeit war eine Kombination aller drei Mutationen erforderlich. Kreuzresistenzen traten kaum auf. Tipranavir behält seine signifikante antivirale Aktivität gegen die Mehrzahl der klinischen HIV-1-Isolate, die nach der Behandlung eine verringerte Empfindlichkeit gegenüber den gegenwärtig zugelassenen Proteasehemmern aufweisen.
Pharmakokinetik
- Resorption: Beim Menschen ist die Resorption von Tipranavir begrenzt. Die Plasmaspitzenkonzentration wird in Abhängigkeit von der Dosis 1 bis 5 Stunden nach der Einnahme erreicht. Das Steady state wird bei den meisten Patienten nach einer siebentägigen Einnahme erreicht. Für Tipranavir in Kombination mit niedrig dosiertem Ritonavir verhalten sich die pharmakokinetischen Parameter im Steady state linear. Nahrung erh÷ht die Verträglichkeit von Tipranavir/Ritonavir. Daher sollte Tipranavir/Ritonavir mit dem Essen eingenommen werden. In Gegenwart von Antazida ist die Resorption von Tipranavir/ Ritonavir vermindert.
- Verteilung: Tipranavir wird hochgradig an Plasmaproteine gebunden (>99,9%).
- Metabolismus: Tipranavir ist ein Substrat, ein schwacher Hemmstoff und anscheinend auch ein starker Aktivator des P-Glycoproteins (P-gp). Als vorherrschendes CYP-Isoenzym ist CYP3A4 an der Metabolisierung von Tipranavir beteiligt. Um eine effektive Tipranavir-Plasmakonzentration zu erreichen, muss Tipranavir in Kombination mit niedrig dosiertem Ritonavir zweimal täglich eingenommen werden. Ritonavir hemmt das hepatische Cytochrom P450 CYP3A, die intestinale P-Glycoprotein(P-gp)-Effluxpumpe, und möglicherweise auch das intestinale Cytochrom P450 CYP3A. Ritonavir erhöht die die AUC0-12h, Cmax und Cmin von Tipranavir und senkt die Tipranavir-Clearance.
- Elimination: Tipranavir wird hauptsächlich unverändert in den Fäzes, zu einem kleinen Teil auch im Urin ausgeschieden. Die effektive mittlere Eliminations-Halbwertszeit von Tipranavir/Ritonavir (500/200 mg zweimal täglich, mit einer leichten Mahlzeit eingenommen) liegt zwischen 4,8 und 6,0 Stunden im Steady state.
- Bei Frauen wurden generell höhere Tipranavir-Konzentrationen gemessen als bei Männern. Der Unterschied in den Plasmakonzentrationen erfordert jedoch keine Dosisanpassung.
- Leber und Nierenfunktionsstörungen: Nach einmaliger und mehrfacher Einnahme von Tipranavir und Ritonavir war die Plasmakonzentration bei Patienten mit einer Leberfunktionsstörung erhöht. Für Patienten mit leichter Leberfunktionsstörung ist keine Dosisanpassung notwendig, jedoch sollten die Patienten engmaschig überwacht werden. Bei einer mittelgradigen (Child-Pugh-Klasse B) oder schweren Leberfunktionsstörung (Child-Pugh-Klasse C) ist Tipranavir/ Ritonavir kontraindiziert (siehe unten). Bei Patienten mit Nierenfunktionstörungen ist keine Dosisanpassung notwendig.
Dosierung, Art und Dauer der Anwendung
Tipranavir muss immer zusammen mit niedrig dosiertem Ritonavir als pharmakokinetischem Verstärker angewendet werden, zudem in Kombination mit anderen antiretroviralen Arzneimitteln. Die empfohlene Dosierung für Tipranavir ist 500ámg, in Kombination mit 200 mg Ritonavir (niedrig dosiertes Ritonavir), zweimal täglich.
Wie erwähnt soll Tipranavir/Ritonavir mit dem Essen eingenommen werden. Bei Kindern ist die Sicherheit und Wirksamkeit von Tipranavir noch nicht nachgewiesen.
Kontraindikationen
- Mittelgradige oder schwere Leberfunktionsstörung (Child-Pugh-Klasse B oder C
- Rifampicin darf nicht zusammen mit Tipranavir angewendet werden, da eine gleichzeitige Anwendung zu einem starken Absinken der Tipranavir-Konzentration führen und damit den therapeutischen Effekt von Tipranavir signifikant verringern kann.
- Pflanzliche Arzneimittel, die Johanniskraut (Hypericum perforatum) enthalten, dürfen während der Behandlung mit Tipranavir nicht angewendet werden, da das Risiko eines verminderten Plasmaspiegels und eines verringerten therapeutischen Effekts von Tipranavir besteht.
- Die Anwendung von Tipranavir in Kombination mit niedrig dosiertem Ritonavir zusammen mit solchen Wirkstoffen, deren Clearance in hohem Maße von CYP3A abhängt, und bei denen eine erhöhte Plasmakonzentration mit schwerwiegenden und/ oder lebensbedrohlichen Nebenwirkungen einher geht, ist ebenfalls kontraindiziert. Zu diesen Wirkstoffen zählen Antiarrhythmika (Amiodaron, Bepridil, Chinidin), Antihistaminika (Astemizol, Terfenadin), Mutterkorn-Derivate (Dihydroergotamin, Ergonovin, Ergotamin, Methylergonovin), Mittel zur Beeinflussung der gastrointestinalen Motilität (Cisaprid), Neuroleptika (Pimozid, Sertindol), Sedativa/Hypnotika (Triazolam) sowie HMG-CoA-Reduktase-Hemmer (Simvastatin und Lovastatin). Weiterhin ist die Anwendung von Tipranavir in Kombination mit niedrig dosiertem Ritonavir und solchen Arzneimitteln kontraindiziert, deren Clearance in hohem Maße von CYP2D6 abhängt, zum Beispiel die Antiarrhythmika Flecainid und Propafenon.%%Nebenwirkungen Tipranavir in Kombination mit niedrig dosiertem Ritonavir wurde in klinischen Prüfungen als Kombinationstherapie an insgesamt 1854 HIV-positi¡ven Erwachsenen untersucht, von denen 1397 Patienten die Dosierung 500 mg/200 mg zweimal täglich erhielten. 761 Erwachsene, darunter 385 in den Phase-III-Studien RESIST-1 und RESIST-2, sind mindestens 24 Wochen lang behandelt worden. Nachfolgend werden im Rahmen der klinischen Sicherheitsprüfung beobachtete Symptome (Lebertoxizität, Hyperlipidämie, Blutungen, Hautausschlag) genannt, die entweder in den RESIST-Studien bei Patienten unter einer Tipranavir/Ritonavir-Therapie häufiger als im Vergleichsarm vorkamen, oder die typischerweise unter einer Tipranavir/Ritonavir-Therapie auftraten.
- Lebertoxizität: Tipranavir/Ritonavir ist mit Fällen von signifikanter Lebertoxizität in Verbindung gebracht worden. Erhöhte Transaminasen traten im Tipranavir/Ritonavir-Arm signifikant häufiger auf als im Vergleichsarm. Für Patienten mit chronischer Hepatitis B oder C, die eine antiretrovirale Kombinationstherapie erhalten, besteht ein erhöhtes Risiko für schwere und lebensbedrohliche hepatische Nebenwirkungen. Patienten mit Leberfunktionsstörungen sollten daher während der Therapie engmaschig überwacht werden.
- Hyperlipidämie: Bei einer Behandlung mit Tipranavir/Ritonavir und anderen antiretroviralen Wirkstoffen kam es zu erhöhten Plasmaspiegeln an Gesamttriglyceriden und Cholesterin. Triglycerid-Erhöhungen des Grades 3 oder 4 traten im Tipranavir/Ritonavir-Arm häufiger auf als im Vergleichsarm.
- Blutungen: Unter der Therapie mit Tipranavir/Ritonavir war das Blutungsrisiko erhöht: Nach 24 Wochen lag das relative Risiko bei 1,98. Ein Muster für das Auftreten von Blutungen war nicht erkennbar, bei den Koagulations-Parametern gab es keine Unterschiede zwischen den Behandlungsgruppen.
- Hautausschlag: In einer klinischen Prüfung bei Frauen, die Tipranavir/Ritonavir in Kombination mit Ethinylestradiol/Norethindron einnahmen, traten sehr häufig nicht schwerwiegende Hautausschläge auf. Die häufigsten Nebenwirkungen aller Schweregrade (Grad 1 û 4), die in klinischen Prüfungen der Phase III im Tipranavir/Ritonavir-Arm (n = 746) auftraten, sind nachfolgend aufgelistet (sehr häufig: > 1/10; häufig: > 1/100, < 1/10).
- Stoffwechsel- und Ernährungsstörungen: häufig: Hypertriglyzeridämie, Hyperlipidämie, Anorexie
- Erkrankungen des Nerven¡systems: häufig: Kopfschmerzen
- Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts: sehr häufig: Diarrhö, Übelkeit; häufig: Erbrechen, Flatulenz, Trommelbauch, Bauchschmerzen, weiche Stühle, Dyspepsie
- Erkrankungen der Haut und des Unterhautzellgewebes: häufig: Hautausschlag, Pruritus
- Allgemeine Erkrankungen: häufig: Erschöpfung Klinisch bedeutsame mittelgradige bis schwere Nebenwirkungen, die bei weniger als 1% (< 1/100) der erwachsenen Patienten in allen Phase-II- und Phase-IIIStudien unter der üblichen Dosierung auftraten (n = 1397), sind im folgenden angegeben (gelegentlich: > 1/1000, < 1/100; selten: < 1/1000).- Erkrankungen des Blutes und des Lymphsystems: gelegentlich: Anämie, Neutropenie, Thrombozytopenie.
- Erkrankungen des Immunsystems: gelegentlich: Überempfindlichkeitsreaktionen
- Stoffwechsel- und Ernährungsstörungen: gelegentlich: verminderter Appetit, Diabetes mellitus, Hyperamylasämie, Hypercholesterinämie; selten: Dehydratation, Lipoatrophie des Gesichtes (eingefallene Wangen), Hyperglykämie
- Psychiatrische Erkrankungen: gelegentlich: Schlaflosigkeit, Schlafstörungen
- Erkrankungen des Nerven¡systems: gelegentlich: Schwindel, periphere Neuropathie, Somnolenz
- Erkrankungen der Atemwege, des Brustraums und Mediastinums: gelegentlich: Dyspnö
- Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts: gelegentlich: Refluxkrankheit, Pankreatitis
- Leber- und Gallenerkrankungen: gelegentlich: Hepatitis; selten: Leberversagen (auch mit letalem Verlauf)
- Erkrankungen der Haut und des Unterhautzellgewebes: gelegentlich: Exanthem, Atrophie des Fettgewebes, erworbene Lipodystrophie, Hypertrophie des Fettgewebes
- Skelettmuskulatur-, Bindegewebs- und Knochenerkrankungen: gelegentlich: Muskelkrämpfe, Myalgie
- Erkrankungen der Nieren und Harnwege: gelegentlich: Niereninsuffizienz
- Allgemeine Erkrankungen: gelegentlich: grippeartige Erkrankung, Unwohlsein, Fieber
- Untersuchungen: gelegentlich: erhöhte Leberenzyme (ALAT, ASAT), abnormaler Leberfunktionstest (ALAT, ASAT), Gewichtsabnahme; selten: erhöhte Lipase
Wechselwirkungen
Das Wechselwirkungsprofil von Tipranavir in Kombination mit niedrig dosiertem Ritonavir ist komplex und erfordert erhöhte Vorsicht, insbesondere bei Kombination mit anderen antiretroviralen Wirkstoffen.
Tipranavir ist, wie beschrieben, ein Substrat, ein Aktivator und ein Hemmstoff von Cytochrom P450 3A. Bei Anwendung in Kombination mit Ritonavir resultiert insgesamt eine Hemmung von CYP450 3A. Die gleichzeitige Anwendung von Tipranavir/Ritonavir und Wirkstoffen, die bevorzugt durch CYP3A verstoffwechselt werden, kann zu Veränderungen der Plasmakonzentrationen von Tipranaieser anderen Wirkstoffe führen und deren therapeutische Effekte und Nebenwirkungen verändern. Da Nukleosid- und Nukleotidanaloga das CYP450-Enzymsystem nicht signifikant beeinflussen, ist für Tipranavir keine Dosisanpassung bei gemeinsamer Anwendung mit diesen Wirkstoffen erforderlich. Tipranavir ist ein Substrat des P-Glycoproteins P-gp. Bei gleichzeitiger Anwendung von Tipranavir und Wirkstoffen, die CYP3A und/oder P-gp induzieren, kann die Tipranavir-Konzentration erniedrigt und der therapeutische Effekt verringert sein.
Arzneimittel, die P-gp hemmen, können die Tipranavir-Plasmakonzentration erhöhen.
- Nukleosidische Reverse-Transkriptase-Hemmer: Die gleichzeitige Anwendung von Tipranavir/Ritonavir mit Abacavir oder Zidovudin führt zu einem signifikanten Abfall der Plasmakonzentration dieser nukleosidischen Reverse-TranskriptaseHemmer und wird nicht empfohlen. Magensaftresistentes Didanosin soll in einem Abstand von mindestens zwei Stunden zu Tipranavir/Ritonavir eingenommen werden.
- Nukleotidische Reverse-Transkriptase-Hemmer: Für Tenofovir wird keine Dosisanpassung empfohlen.
- Nicht-nukleosidische Reverse-Transkriptase-Hemmer (NNRTI): Signifikante Wechselwirkungen zwischen Nevirapin oder Efavirenz und Tipranavir in Kombination mit niedrig dosiertem Ritonavir scheinen nicht aufzutreten. Bei der Anwendung von Efavirenz oder Nevirapin zusammen mit Tipranavir/Ritonavir ist dennoch Vorsicht geboten.
- Proteasehemmer: Die Anwendung von Tipranavir/Ritonavir zusammen mit Amprenavir/Ritonavir, Lopinavir/Ritonavir oder Saquinavir/Ritonavir führt zu einer signifikanten Abnahme der Plasmakonzentration dieser Proteasehemmer und wird nicht empfohlen.
- Antimykotika: Eine Fluconazol-Dosis von mehr als 200 mg/Tag wird nicht empfohlen. Aufgrund theoretischer Überlegungen ist zu erwarten, dass Tipranavir in Kombination mit niedrig dosiertem Ritonavir die Konzentration von Itraconazol und Ketoconazol erhöht. Dosen von mehr als 200 mg/Tag werden somit nicht empfohlen.
- HMG-CoA-Reduktase-Hemmer: Eine gleichzeitige Anwendung von Simvastatin oder Lovastatin mit Tipranavir/Ritonavir ist, wie erwähnt, kontraindiziert, da ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von Myopathien einschließlich Rhabdomyolyse besteht. Eine Kombination von Tipranavir/Ritonavir und Atorvastatin wird ebenfalls nicht empfohlen. Andere HMG-CoA-Reduktase-Hemmer, zum Beispiel Pravastatin, Fluvastatin oder Rosuvastatin, sind in Betracht zu ziehen. Falls Atorvastatin für den Patienten unverzichtbar sein sollte, ist eine sorgfältige Überwachung notwendig.
- CYP-Isoenzym-Induktoren: Eine gemeinsame Anwendung von Proteasehemmern mit Rifampicin verringert die Konzentration der Proteasehemmer. Die gleichzeitige Anwendung von Tipranavir und Rifampicin ist, wie erwähnt, kontraindiziert. Andere Antimykotika, wie Rifabutin, sind in Betracht zu ziehen. Die übliche Rifabutin-Dosis von 300 mg/Tag sollte jedoch um mindestens 75% reduziert werden (d. h. 150 mg/Tag an jedem zweiten Tag oder dreimal in der Woche), eine weitere Dosisreduktion kann notwendig sein.
- Johanniskraut (Hypericum perforatum): Der Plasmaspiegel von Tipranavir kann erniedrigt sein, wenn gleichzeitig das pflanzliche Arzneimittel Johanniskraut (Hypericum perforatum) angewendet wird. Pflanzliche Arzneimittel, die Johanniskraut enthalten, dürfen, wie erwähnt, nicht zusammen mit Tipranavir angewendet werden.
- CYP-Isoenzym-Hemmer: Tipranavir/Ritonavir erhöht die AUC und die Cmin von Clarithromycin. Clarithromycin erhöht seinerseits die Cmin von Tipranavir um mehr als 100%. Patienten, die Clarithromycin in höherer Dosierung als 500 mg zweimal täglich einnehmen, sind sorgfältig auf Anzeichen einer Toxizität zu kontrollieren. Für Patienten mit beeinträchtigter Nierenfunktion sind Dosisanpassungen zu erwägen, bei Patien¡ten mit normaler Nierenfunktion ist keine Dosisanpassung notwendig.
- Andere Wirkstoffe: Die Anwendung von Tipranavir/Ritonavir zusammen mit solchen Wirkstoffen, deren Clearance in hohem Maße von CYP3A oder CYP2D6 abhängt und bei denen eine erhöhte Plasmakonzentration mit schwerwiegenden und/ oder lebensbedrohlichen Nebenwirkungen einhergeht, ist wie erwähnt kontraindiziert.
- Orale Kontrazeptiva/Östrogene: Tipranavir/Ritonavir senkt die AUC und die Cmax von Ethinylestradiol um 50%. Die Anwendung zusammen mit Tipranavir/Ritonavir wird nicht empfohlen. Wenn östrogenhaltige orale Kontrazeptiva zusammen mit Tipranavir/Ritonavir angewendet werden, sind alternative oder zusätzliche kontrazeptive Maßnahmen angezeigt. Patientinnen, die Östrogene zur Hormonersatztherapie einnehmen, sind klinisch auf Anzeichen eines Östrogenmangels zu überwachen. Bei Frauen, die Östrogene einnehmen, kann ein erhöhtes Risiko für das Auftreten eines nicht schwerwiegenden Hautausschlages bestehen.
- Phosphodiesterase 5 (PDE5)-Hemmer: Bei gleichzeitiger Anwendung von Tipranavir/Ritonavir und Sildenafil, Tadalafil und Vardenafil ist ein deutlicher Anstieg der PDE5-Konzentration zu erwarten. Dies kann zu vermehrten, mit PDE5Hemmern assoziierten Nebenwirkungen führen, darunter Blutdruckabfall, Sehstörungen und Priapismus.- Halofantrin/Lumefantrin: Wegen des Stoffwechselprofils und des Risikos, Torsades de pointes auszulösen, wird die gleichzeitige Anwendung von Halofantrin oder Lumefantrin und Tipranavir/Ritonavir nicht empfohlen.
- Narko-Analgetika (Methadon/Meperidin): Bei gleichzeitiger Anwendung von Tipranavir/Ritonavir und Methadon ist eine verminderte Methadon-Konzentration zu erwarten. Bei der Anwendung von Tipranavir/Ritonavir mit Meperidin ist eine verminderte Meperidin-Konzentration und eine erhöhte Konzentration des Metaboliten Normeperidin wahrscheinlich. Eine Dosissteigerung und Langzeitanwendung von Meperidin zusammen mit Tipranavir/Ritonavir wird nicht empfohlen, da die Konzentration des Metaboliten Normeperidin zunimmt. Normeperidin wirkt sowohl analgetisch als auch stimulatorisch auf das ZNS (z. B. Auslösung von Krampfanfällen).
- Immunsuppressiva (Ciclosporin, Tacrolimus, Sirolimus): Bei Anwendung zusammen mit Tipranavir/Ritonavir kann die Konzentration von Ciclosporin, Tacrolimus und Sirolimus nicht vorhergesagt werden.- Warfarin und andere orale Antikoagulanzien: Die Auswirkungen auf Warfarin bei gemeinsamer Anwendung mit Tipranavir/Ritonavir können nicht vorhergesagt werden. Tipranavir/Ritonavir kann den INR-Wert (International Normalised Ratio) und das Blutungsrisiko erhöhen.
- Antazida: Aluminium- oder magnesiumhaltige Antazida können die AUC12h, die Cmax und die Cmin von Tipranavir um 25 bis 29% erniedrigen. Tipranavir/Ritonavir soll deshalb in einem Abstand von mindestens zwei Stunden zu Antazida eingenommen werden. Daten zu Protonenpumpen-Hemmern und H2-Rezeptorantagonisten sind nicht verfügbar, jedoch könnte wegen des erhöhten pH-Wertes im Magen die Plasmakonzentration von Tipranavir verringert sein, wenn diese Arzneimittel zusammen mit Tipranavir/Ritonavir angewendet werden.
- Theophyllin: Es ist zu erwarten, dass Tipranavir/Ritonavir die TheophyllinKonzentration verringert. Eine Steigerung der Theophyllin-Dosis kann notwendig sein.
- Desipramin: Es ist zu anzunehmen, dass Tipranavir/Ritonavir die DesipraminKonzentration steigert. Es wird empfohlen, die Desipramin-Dosis zu verringern.
- Midazolam: Bei der intravenösen Anwendung von Tipranavir/Ritonavir mit Midazolam besteht ein Risiko für erhöhte Plasmaspiegel und verlängerte Halbwertszeiten von Midazolam.
- Fluticasonpropionat (Wechselwirkung mit Ritonavir): Die gleichzeitige Anwendung von Tipranavir/Ritonavir und Fluticason oder anderen Glucocorticoiden, die durch CYP3A4 verstoffwechselt werden, wird nicht empfohlen, sofern nicht der mögliche Nutzen die Risiken der systemischen Corticosteroid-Wirkungen (einschließlich Cushing-Syndrom und Nebennierenrinden-Suppression) überwiegt. Anzuraten ist eine Dosisreduktion des Glucocorticoids oder ein Wechsel zu einem Glucocorticoid, das kein Substrat von CYP3A4 ist (z. B. Beclomethason).
Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen
- Bei älteren Patienten sollte Tipranavir mit Vorsicht angewendet und sorgfältig überwacht werden. Dabei ist eine höhere Rate an Einschränkungen der Leber-, der Nieren- und der Herzfunktion, an Begleiterkrankungen und an weiteren Therapiemaßnahmen zu berücksichtigen.
- Immunrekonstitutionssyndrom: Bei HIV-infizierten Patienten mit schwerem Immundefekt kann sich zum Zeitpunkt der Einleitung einer antiretroviralen Kombinationstherapie eine entzündliche Reaktion auf asymptomatische oder residuale opportunistische Infektionen entwickeln, die zu schweren klinischen Zuständen oder Verschlechterung von Symptomen führt. Typischerweise wurden solche Reaktionen innerhalb der ersten Wochen oder Monate nach Beginn der Kombinationstherapie beobachtet. Entsprechende Beispiele sind CMV-Retinitis, disseminierte und/oder lokalisierte mykobakterielle Infektionen und Pneumocystiscarinii-Pneumonie.
- Eine antiretrovirale Kombi¡nationstherapie, die auch Be¡handlungsregime mit einem Proteasehemmer einschließt, ist bei einigen Patienten mit einer Umverteilung des Körperfetts verbunden (Lipodystrophie). Proteasehemmer sind auch mit Stoffwechselstörungen assoziiert, beispielsweise Hypertriglyzeridämie, Hypercholesterinämie, Insulinresistenz und Hyperglykämie.
- Aptivus® Weichkapseln enthalten Macrogolglycerolricinoleat und können daher Magenverstimmung und Durchfall hervorrufen.
- Aptivus® Weichkapseln enthalten Alkohol (7 % Ethanol, d. h. 100 mg pro Kapsel oder bis zu 200 mg pro Dosis). Dieser Alkohol kann disulfiramartige Reaktionen auslösen, wenn Aptivus® Weichkapseln zusammen mit Disulfiram oder anderen Arzneimitteln angewendet werden, die ebenfalls solche Reaktionen auslösen (z. B. Metronidazol).
- Da Aptivus® eine geringe Menge Sorbitol enthält, sollten Patienten mit der seltenen hereditären Fructose-Intoleranz dieses Arzneimittel nicht einnehmen.
Schwangerschaft und Stillzeit
Hinreichende Daten für die Anwendung von Tipranavir bei Schwangeren liegen nicht vor. Tierexperimentelle Studien haben eine Reproduktionstoxizität gezeigt. Das potenzielle Risiko für den Menschen ist nicht bekannt. Tipranavir sollte in der Schwangerschaft nur dann angewendet werden, wenn der mögliche Nutzen das mögliche Risiko für den Fetus rechtfertigt.
Tipranavir beeinträchtigt die Wirkung von oralen Kontrazeptiva. Deshalb sollte während der Behandlung eine andere wirksame und sichere Verhütungsmethode angewendet werden.
In Übereinstimmung mit der Empfehlung für HIV-infizierte Mütter, ihre Säuglinge unter keinen Umständen zu stillen, um das Risiko einer postnatalen HIVÜbertragung zu vermeiden, sollen Mütter abstillen, sobald sie Aptivus® erhalten.
Handelspräparat Aptivus®
Hersteller
Einführungsdatum
Zusammensetzung
Jede Weichkapsel enthält 250 mg Tipranavir.
Sonstige Bestandteile
Kapselinhalt: Macrogolglycerolricinoleat, Ethanol, Mono- und Diglyceride der Octan-/Decansäure, Propylenglycol, gereinigtes Wasser, Trometamol, Propylgallat. Kapselhülle: Gelatine, rotes Eisenoxid (E172), Propylenglycol, gereinigtes Wasser, "Sorbitol spezial - Glycerin Mischung" (d-Sorbitol, 1,4-Sorbitan, Mannitol und Glycerol), Titandioxid (E171). Schwarze Drucktinte: Propylenglycol, schwarzes Eisenoxid (E172), Polyvinylacetat-Phthalat, Macrogol, Ammoniumhydroxid
Packungsgrößen, Preise, PZN
120 Kapseln, 945,97 Euro, PZN 4231423.
Kosten einer Tagestherapie: 15,77 Euro.
Indikation
In Kombination mit niedrig dosiertem Ritonavir zur antiretroviralen Kombinationsbehandlung der HIV-1-Infektion bei mehrfach vorbehandelten erwachsenen Patienten mit Viren, die gegen mehrere Proteasehemmer resistent sind.
Dosierung
500 mg in Kombination mit 200 mg Ritonavir (niedrig dosiertem Ritonavir), zweimal täglich. Nahrung erhöht die Verträglichkeit von Tipranavir/Ritonavir, daher sollte die Kombination mit dem Essen eingenommen werden.
Kontraindikationen
mittelgradige oder schwere Leberfunktionsstörung (Child-Pugh-Klasse B oder C). Nicht zusammen anwenden mit: Rifampicin, Johanniskraut, bestimmten Antiarrhythmika, Antihistaminika, Mutterkorn-Derivaten, Mitteln zur Beeinflussung der gastrointestinalen Motilität, Neuroleptika, Sedativa/Hypnotika, HMG-CoAReduktase-Hemmern sowie mit Arzneimitteln, deren Clearance in hohem Maße von CYP2D6 abhängt.
Unerwünschte Wirkungen
sehr häufig: Diarrhö, Übelkeit; häufig: Hypertriglyzeridämie, Hyperlipidämie, Anorexie; Kopfschmerzen; Erbrechen, Flatulenz, Trommelbauch, Bauchschmerzen, weiche Stühle, Dyspepsie; Hautausschlag, Pruritus; Erschöpfung.
Wechselwirkungen
Das Wechselwirkungsprofil von Tipranavir in Kombination mit niedrig dosiertem Ritonavir ist komplex. Tipranavir ist ein Substrat, ein Aktivator und ein Hemstoff von Cytochrom P450 3A. Die gleichzeitige Anwendung von Tipranavir/Ritonavir und Wirkstoffen, die bevorzugt durch CYP3A verstoffwechselt werden, kann zu Veränderungen der Plasmakonzentrationen von Tipranavir oder dieser anderen Wirkstoffe führen und möglicherweise deren therapeutische Effekte und Nebenwirkungen verändern. Gleichzeitige Anwendung nicht empfohlen: mit Abacavir, Zidovudin; Amprenavir/Ritonavir, Lopinavir/Ritonavir, Saquinavir/Ritonavir; Atorvastatin; oralen Kontrazeptiva/Östrogenen; Halofantrin/Lumefantrin; Fluticason oder anderen Glucocorticoiden, die durch CYP3A4 verstoffwechselt werden. Bei gleichzeitiger Anwendung mit Sildenafil, Tadalafil und Vardenafil ist ein deutlicher Anstieg der PDE5-Konzentration zu erwarten, was zu vermehrten Nebenwirkungen führen kann, darunter Blutdruckabfall, Sehstörungen und Priapismus. Tipranavir/Ritonavir soll in einem Abstand von mindestens zwei Stunden zu Antazida eingenommen werden.
Warnhinweise, Vorsichtsmaßnahme
Tipranavir muss zusammen mit niedrig dosiertem Ritonavir angewendet werden, um einen ausreichend hohen Plasmaspiegel und damit den therapeutischen Effekt sicherzustellen. Eine antiretrovirale Kombinationstherapie, die auch Behandlungsregime mit einem Proteasehemmer einschließt, ist bei einigen Patienten mit einer Umverteilung des Körperfetts verbunden (Lipodystrophie). Proteasehemmer sind auch mit Stoffwechselstörungen assoziiert, beispielsweise Hypertriglyzeridämie, Hypercholesterinämie, Insulinresistenz und Hyperglykämie.
Kurz zusammengefasst
Tipranavir (Aptivus®) ist der erste nicht-peptidische Proteasehemmer, der zur Behandlung der HIV-Infektion eingeführt wird. Er wird immer in Kombination mit niedrig dosiertem Ritonavir eingesetzt und ist zur antiretroviralen Kombinationsbehandlung der HIV-1-Infektion bei mehrfach vorbehandelten erwachsenen Patienten mit Viren, die gegen mehrere Proteasehemmer resistent sind, angezeigt. Die Indikation basiert auf den Ergebnissen zweier Phase-III-Studien bei mehrfach vorbehandelten Patienten (im Mittel mit zwölf vorausgegangenen antiretroviralen Wirkstoffen) mit einer Virusresistenz gegen Proteasehemmer. Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA hatte zuvor die beschleunigte Zulassung von Aptivus® genehmigt. Diese ist ein besonderes Genehmigungsverfahren für Therapien bei lebensbedrohlichen Krankheiten, die einen entscheidenden Nutzen für Patienten gegenüber bestehenden Therapien aufweisen. Sie beruht auf 24-Wochen-Daten aus laufenden Studien. Studienergebnisse, welche die Wirkungen von Aptivus® auf die klinische Progression zum Krankheitsbild Aids zeigen, gibt es noch nicht.
Der Wirkungsmechanismus von Tipranavir beruht auf einer Hemmung der HIV-Protease. Dieses Enzym wird benötigt, um den HIV-Replikationsprozess zu beenden. Tipranavir dringt in die infizierten Immunzellen ein und hemmt die Replikation vieler HIV-Stämme, die gegenüber herkömmlichen Proteasehemmern resistent sind. Tipranavir wird über das Cytochrom-P450-System verstoffwechselt. Deshalb sind zahlreiche Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln zu beachten. Die gleichzeitige Anwendung von zahlreichen Substanzen ist absolut kontraindiziert. So hat die gleichzeitige Gabe von Rifampicin oder Johanniskraut-Präparaten stark erniedrigte Tipranavir-Plasmaspiegel zur Folge, was den therapeutischen Effekt von Tipranavir verringert oder gefährdet. Dagegen steigen die Plasmaspiegel von Arzneimitteln, deren Clearance in hohem Maß von den Cytochrom-P450-Enzymen CYP3A4 oder 2D6 abhängt, in Kombination mit Tipranavir/ Ritonavir stark an, was mit schwerwiegenden, teils lebensbedrohlichen Nebenwirkungen verbunden ist. Dazu gehören Amiodaron, Chinidin, Astemizol, Terfenadin, Ergotamin, Dihydro¡ergotamin, Cisaprid, Pimozid, Sertindol, Triazolam, Simvastatin oder Lovastatin sowie Flecainid und Propafenon.
Ein Problem von Tipranavir ist ferner die Lebertoxizität: Unter der Therapie mit Tiprinavir/Ritonavir erkrankten Patienten an Hepatitis und Leberversagen, es kam zu einzelnen Todesfällen. Die Transaminasen sollen deshalb in jedem Fall vor Therapiebeginn und dann regelmäßig während der Therapie gemessen werden. Bei Patienten mit erhöhten Transaminasen, Hepatitis B oder Hepatitis-CKoinfektion muss wegen potenzieller Verschlechterung der Leberfunktion das Nutzen-Risiko-Verhältnis sehr sorgfältig abgewogen werden. Die häufigsten Nebenwirkungen von Tipranavir waren gastrointestinale Störungen wie Diarrhö und Übelkeit, Erbrechen, Flatulenz, Trommelbauch, Bauchschmerzen, weiche Stühle, Dyspepsie, Hypertriglyzeridämie, Hyperlipidämie und Anorexie. Häufig kam es außerdem zu Kopfschmerzen, Erschöpfung, Hautausschlägen und Pruritus.