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Die klinische Forschung in Indien hat in den vergangenen Jahren erhebliche Turbulenzen erlebt, und das nicht nur durch den Skandal um die gefälschten GVK Bisosciences-Studien. Es ging wohl im Wesentlichen darum, die „Kinderkrankheiten“ eines vorher international kaum akzeptablen Systems auszumerzen.
Der indische Subkontinent hat in Sachen klinische Forschung in den letzten Jahren eine recht wechselvolle Geschichte durchgemacht: Im Jahr 2005 wurden die Vorschriften zur Durchführung globaler Medikamentenstudien liberalisiert, was der Branche einen kräftigen Schub einbrachte. Offenbar fehlte es aber an geeigneten Regularien, um deren Risiken im Rahmen zu halten.
Laut einem Übersichtsartikel im britischen Pharmaceutical Journal soll es nach Regierungs-Daten zwischen 2005 und 2012 mehr als 2.600 Todesfälle in klinischen Studien gegeben haben, und fast 12.000 Menschen sollen ernste Nebenwirkungen erlitten haben. Davon seien 80 Tote und mehr als 500 ernsthafte unerwünschte Wirkungen direkt den jeweils getesteten Medikamenten zugeschrieben worden. Für viel Aufregung sorgten im Übrigen die starken Proteste von Frauengruppen wegen der „unethischen Durchführung“ einer Phase IV-Studie mit einem Impfstoff gegen das humane Papillomavirus im Jahr 2010.
Weniger Tests: 2013 wurden 207 klinische Studien in Indien beantragt (73 genehmigt), darunter 17 für weltweite Studien. Im Jahr zuvor waren es mit 480 (253 genehmigt) fast zweieinhalb Mal so viele.
2013 wurden die Zügel angezogen
Im Jahr 2013 lebten die Diskussionen um ein adäquates System schließlich richtig auf und mündeten in eine Verschärfung der Bestimmungen. Diese basierten auf den Empfehlungen des „Professor Ranjit Roy Choudhury Experten-Ausschusses“, den das Ministerium für Gesundheit und Familie ernannt hatte. Hiernach wurde es schwieriger, in Indien klinische Studien durchzuführen. Die umstrittenen Vorschriften betrafen unter anderem die Bereitstellung zusätzlicher Versorgung für die Studienteilnehmer sowie die Entschädigung für Verletzungen oder Tod auch in einem späteren Stadium des Lebens.
Genehmigungen dauerten länger
Eine zentrale Rolle spielte zudem ein Urteil von Indiens oberstem Gerichtshof nach Beschwerden und Petitionen im öffentlichen Interesse (Public-interest litigations, PIL) im September 2013. Hiernach sollten keine klinischen Studien für neue Medikamente mehr laufen dürften, bevor ein Mechanismus zu deren Überwachung eingerichtet worden ist. Daraufhin mußten 162 Studien, die bereits genehmigt waren, zunächst auf Eis gelegt werden. Als die Regierung einschritt, weil sie Nachteile für die Patienten befürchtete, lenkte der Gerichtshof ein. Er verfügte aber ein dreigleisiges Genehmigungsverfahren für die Prüfungen über verschiedene Gremien. Dies machte den Genehmigungsprozess um einiges zeitraubender. Die Pharmaunternehmen und Auftragsforscher waren verunsichert und traten die Flucht in andere Länder an.
Dies kann durch Zahlen der indischen Regierung, auf die sich der Artikel im Pharmaceutical Journal und auch das indische Pharmaportal pharmabiz.com berufen, eindrucksvoll belegt werden. Die Zahl der Anträge zur Durchführung von klinischer Studien in Indien lag im Jahr 2013 bei 207 (73 genehmigt), darunter 17 für weltweite Studien. Im Jahr zuvor waren es mit 480 (253 genehmigt) fast zweieinhalb Mal so viele gewesen.
Indien hinkt global hinterher
Obwohl ein Sechstel der Weltbevölkerung auf dem indischen Subkontinent lebt und dort ein Fünftel der globalen Krankheitslast anfällt, werden in Indien weniger als 1,4 Prozent der weltweiten klinischen Studien durchgeführt, wird in der pharma.biz-Mitteilung weiter dargelegt. Nach offiziellen Angaben sollen von den weltweit in insgesamt 178 Ländern durchgeführten rund 1,8 Millionen Studien nur 2563 (1,4 Prozent) in Indien stattfinden. Nach Einschätzung der indischen Gesellschaft für Klinische Forschung (ISCR), hinkt Indien kleineren Ländern wie Korea, Taiwan und Japan um ein paar Jahre hinterher.
Achtsam sein: Verkehrsschild auf dem Betriebshof eines indischen Pharmaherstellers.
Technische Beratung soll helfen
Mit neuen Richtlinien, die im Jahr 2015 kamen, soll nun wieder ein gewisses Gleichgewicht im regulatorischen Umfeld hergestellt werden. Den Antragstellern wird im Vorgriff auf das Genehmigungsverfahren eine technische Beratung angeboten. Damit soll die Effizienz der Verfahren gesteigert werden. So recht scheint das aber noch nicht zu fruchten. Laut pharmabiz.com ist die Zahl der klinischen Studien im Jahr 2015 trotz der Bemühungen, den Sektor zu stärken, wieder zurückgegangen. 107 Studien wurden bis August 2015 geprüft und zur Durchführung in Indien genehmigt, darunter 43 weltweite klinische Studien. Im Jahr zuvor waren die Inder über das Jahr noch auf 150, darunter 87 weltweite Studien, gekommen.
Auf Qualität und Compliance achten
Die indische Gesellschaft für klinische Forschung (ISCR), die gerade ihre
9. Jahrestagung in Mumbai abgehalten hat, gibt sich trotzdem zuversichtlich. In
einem pharmabiz-com-Bericht über den Kongress wird der ISCR-Präsident Suneela
Thatte wie folgt zitiert: „Wir haben jetzt ein Regulierungssystem, das
ausgewogen ist und mit globalen Trends der Innovation im Einklang steht. Dies
ist eine bedeutende Entwicklung, auf der wir in 2016 hoffentlich aufbauen
können. Es ist jetzt sehr wichtig, die Qualität und Compliance nicht aus den
Augen zu verlieren, nun da die klinische Forschung in Indien in die
Wachstumsphase eintritt.“
Quellen:
Nair A. Clinical research: Regulatory uncertainty hits drug trials in India. The Pharmaceutical Journal 2015;294(7853). DOI: 10.1211/PJ.2015.20068063.
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