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Ist ein Rabattpräparat nicht lieferbar, verlangen immer mehr Kassen eine Bestätigung des Herstellers – vom Großhändler reicht sie ihnen nicht. Doch diese ist kaum zu bekommen. Die Folge: Apotheken werden retaxiert. Für die ABDA ist dies ein praktisch unlösbares Problem, für Hans-Rudolf Diefenbach weiterer Ansporn, Defektlisten zu sammeln.
„Ich gebe es offen zu: Wir haben für dieses Problem keine Lösung“, räumte ABDA-Präsident Friedemann Schmidt am Mittwoch bei der hessischen Delegiertenversammlung ein. Geben Apotheken nicht das Rabattpräparat ab, weil sie es nicht beschaffen können, müssen sie laut § 4 Abs. 2 Rahmenvertrag nachweisen, dass der pharmazeutische Unternehmer nicht liefern konnte. „Der Nachweis kann durch Vorlage einer Erklärung des pharmazeutischen Unternehmers oder des Großhändlers geführt werden“ heißt es dort. Das Problem dabei: Die Hersteller bestätigen weder gegenüber den Apotheken noch gegenüber dem Großhändler, nicht lieferfähig zu sein.
Ein paar Packungen des Rabattvertragsartikels würden immer an den Großhandel geliefert, erzählen Insider. Denn bei Nichtlieferbarkeit drohen empfindliche Strafzahlungen an die Krankenkassen. Weder sein Großhändler noch der pharmazeutische Unternehmer bestätigen dem Apotheker also, dass das Rabattarzneimittel am Tag der Abgabe nicht lieferbar war. Nimmt dieser seine heilberufliche Verantwortung wahr und beliefert den Patienten mit einem wirkstoffgleichen, aber nicht rabattierten Arzneimittel, droht ihm die Nullretaxation.
Harte Zahlen fehlen
Wie groß das Problem der Lieferengpässe tatsächlich ist, ist dabei immer noch unklar. Zwar gibt es seit 2013 eine Liste der Lieferengpässe bei Humanarzneimitteln, die auf der Website des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) veröffentlicht wird. Doch die Einträge beruhen auf freiwilligen Meldungen der Hersteller, vor allem aber werden nur solche Engpässe gemeldet, die voraussichtlich länger als 14 Tage anhalten werden – und wenn sie „überwiegend zur Behandlung lebensbedrohlicher oder schwerwiegender Erkrankungen bestimmt sind und keine Alternativpräparate verfügbar sind“. Stand 3. März 2016 finden sich immerhin 20 Präparate auf der BfArM-Liste. Im Apothekenalltag fehlen allerdings viel häufiger Arzneimittel – doch selbst wenn Alternativpräparate verfügbar sind, darf der Apotheker diese eben nicht so ohne weiteres abgeben.
Diefenbach bittet um Listen
Dr. Hans-Rudolf Diefenbach, der frühere Vizevorsitzende des Hessischen Apothekerverbands, will sich mit diesem Informationsmangel nicht abfinden. Der Offenbacher Apotheker dokumentiert deshalb Lieferengpässe aus ganz Deutschland und wertet sie aus. Er möchte zeigen, wie groß das Problem inzwischen tatsächlich ist. Deshalb ruft er auch weiterhin alle Apotheker auf, ihm ihre Defektlisten zuzusenden.
Er bittet um Daten, die sich mindestens über vier Wochen erstrecken. Damit könne man möglicherweise den Druck auf die Unternehmen erhöhen, die Nichtlieferfähigkeit den Behörden mitzuteilen. Am liebsten wäre ihm, er hätte am Ende 300 bis 400 Einsendungen aus dem gesamten Land vorliegen – vielleicht würde dies den Gesetzgeber zum Handeln ermuntern, hofft Diefenbach. Auch in den USA seien gesetzliche Regelungen erst auf öffentlichen Druck hin erlassen worden, sagte Diefenbach auf der Kammerversammlung in Eschborn am Mittwoch.
Zugleich bittet Diefenbach um Berichte über die Erfahrungen und den Umgang mit Hochpreisern. Wer ihn in seiner Sammlung unterstützten will, kann Defektlisten und Hochpreiser-Erfahrungen – getrennt – per Fax oder Mail an die Rosen Apotheke in Offenbach senden.
Mail: rosenapo.of@t-online.de
Fax: 069/88 36 08
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