EX-IQWiG-Chef

Was macht eigentlich... Peter Sawicki?

Er war der erste Chef des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen – kurz IQWiG. Von Beginn an legte er sich mit Pharmakonzernen und Systemvertretern an. 2010 war Schluss, der SPIEGEL nannte seine Ablösung einen Sieg des Lobbyismus. Und danach? DAZ.online-Autorin Sabine Rössing berichtet.

Was macht eigentlich... Peter Sawicki?

Es ist still geworden um Peter Sawicki. Interviewanfragen lehnt der Gründungschef des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) ab. Er arbeitet heute als niedergelassener Internist in einer Gemeinschaftspraxis in Duisburg. Die Praxis erhält in Online-Bewertungsforen gute Bewertungen. „Kompetent und freundlich“ finden ihn seine Patienten: Er werfe nicht mit Tabletten um sich, sondern analysiere ruhig und gründlich, mache sich wirklich Gedanken. In dieser Hinsicht ist sich Sawicki, der die 2004 gegründete Arzneimittelbehörde bis 2010 führte und maßgeblichen Anteil daran hatte, deren Selbstverständnis und Arbeitsweise zu definieren, also offenbar treu geblieben. 

Errungenschaften und Niederlagen

Von Beginn an machte Peter Sawicki deutlich, dass er seine Aufgabe als Chef des neu gegründeten Instituts bitter ernst nehme und dass er mit den selbstbewussten Standesvertretern des deutschen Gesundheitswesens nicht kuscheln werde. Der  Auftrag an das IQWiG ist nichts weniger als die Wirkungsweise und den Nutzen von Arzneimitteln und Behandlungsmethoden einer objektiven Bewertung zu unterziehen. Vor allem mit der Pharmaindustrie ging Sawicki zügig auf Konfrontationskurs. Zahlreichen neuen Präparaten sprach das IQWiG einen messbaren Vorteil  ab. Furore machte das Institut etwa mit einer negativen Bewertung von Insulinanaloga im Vergleich zu herkömmlichem Humaninsulin. Außerdem forderte Sawicki eine Pflicht zur Veröffentlichung klinischer Studien.

In seinem Auftreten war der Arzt Sawicki, der bis zu seinem Antritt als Chef des IQWiG Chefarzt am St.-Franziskus-Hospital in Köln war und zu den Herausgebern des pharmakritischen Arznei Telegramms gehörte, alles andere als leise. In Interviews beklagte er eine Flut von nutzlosen und sogar schädlichen Medikamenten, ätzte über die aufgeblasenen Gremien im deutschen Gesundheitssystem. Für sich und sein Institut nahm er in Anspruch, eine Methodik entwickelt zu haben, welche eine nachvollziehbare und objektive Bewertung des patientenrelvanten Nutzens von Arzneien und Therapien erlaube.

Der IQWiG-Chef: Kompromisslos und politisch umstritten

Politisch war der streitlustige Pharmakritiker wegen seiner kompromisslosen Haltung schnell umstritten. Kritiker bezeichneten sein Auftreten als selbstherrlich und arrogant, die von ihm propagierte Methodik als wirklichkeitsfern. Im von einflussreichen Lobbygruppen beherrschten Gesundheitswesen ist es nicht schwer, sich Feinde zu machen. Sawicki gefiel sich besonders in seiner Rolle als Störfaktor und Dorn im Auge mächtiger Wirtschaftsvertreter. Er solle doch etwas diplomatischer sein, riet ihm die ehemalige Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt einmal. Aber Sawicki übersetzte diplomatisch mit bequem und das wolle er nicht sein.

Am Ende war es wohl auch seine mangelnde politische Geschmeidigkeit, die ihm zum Verhängnis wurde. Offiziell ging es um Spesenabrechnungen. Sein Vertrag wurde 2010 nicht verlängert, der SPIEGEL nannte es eine Intrige.

Um seine Abberufung gab es erneut viel Lärm, nicht zuletzt, weil einige Kommentatoren die Gründe für vorgeschoben hielten. Sawicki selbst reagierte gekränkt. „Ich war naiv“, ließ er sich in Interviews zitieren, „ich dachte damals, dass die verschiedenen Gruppen im Gesundheitssystem – die Ärzte, die Krankenhäuser, die Versicherungen – vor allem im Sinne der Patienten agieren. Ich musste lernen, dass es diesen Vertretern immer erst um ihre eigenen Interessen geht, um die Verteilung der 300 Milliarden im System...“, sagte er zum Beispiel SPIEGEL ONLINE. Vor allem, dass seine Abberufung einstimmig erfolgte, tat ihm weh.

Tragende Rolle im AMNOG-Prozess

Das 2011 eingeführte AMNOG bezeichnete er als ungeeignet für die Nutzenbewertung. Zu einem so frühen Zeitpunkt einer Prüfung könne noch nicht beurteilt werden, wie sich ein Mittel im Alltag auswirkt. Gleichwohl erwiesen sich das Gesetz zur Begrenzung der Arzneimittelausgaben und die darin verankerte Nutzenbewertung als Grundlage für die Preisbildung von Medikamenten, durchaus als scharfes Schwert. Deutschland ist seine Stellung als europäischer Spitzenreiter bei den Arzneimittelpreisen los – und kämpft inzwischen mit Lieferengpässen.

Auch im AMNOG-Verfahren zur Nutzenbewertung hat das IQWiG eine wichtige Rolle. Das Institut gibt Empfehlungen an den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), das oberste Beschlussgremium der Medizinischen Selbstverwaltung ab, und wieder agiert das Kölner Institut dabei nicht unumstritten. So bemängelten in einer aktuellen Erhebung des IGES- Instituts die am Anhörungsprozess beteiligten Experten fehlende Transparenz im Umgang mit ihren Stellungnahmen. Die konsultierten medizinischen Fachgesellschaften kommen nicht selten zumindest in Teilbereichen auch zu abweichenden Positionen.

Ex-IQWiG-Chef Sawicki hat sich vom öffentlichen Streit um Wirksamkeit und deren Messung zumindest für den Moment weitgehend zurückgezogen. Er mache nun das, was er gelernt habe, sagt er, er praktiziere als Arzt, unterrichte Studenten, forsche. Unter anderem am Institut für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie der Uni Köln (IGKE), dessen Direktor sein politischer Mitstreiter Karl Lauterbach ist. Öffentliche Sticheleien oder kämpferische Reden sind selten geworden. Bis auf 2013. Da juckte es den ehemaligen Pharma-Aufseher noch einmal in den Fingern – er verfasste das  Vorwort zur deutschsprachigen Ausgabe eines Bestsellers  seines britischen Mediziner-Kollegen Ben Goldcare mit Namen „die Pharma-Lüge“.

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