Muss jeder Apotheker alles können?
Was gilt es zu beachten, wenn ein HIV-Patient den Genmarker HLA-B*5701 aufweist? Vermutlich können das nicht alle Apotheker aus dem Stegreif beantworten. Anders Nico Kraft. Der Apotheker aus Köln arbeitet in einer Apotheke, die sich unter anderem auf die Betreuung von HIV-Patienten spezialisiert hat. Am Beispiel dieser Patientengruppe, die allein durch ihre antiretrovirale Therapie immer eine Polymedikation erhält, erklärt er auf seinem Vortrag auf der Fachtagung Sozialpharmazie in Düsseldorf, in welchem Rahmen AMTS in der Apotheke möglich ist.
So biete sich beispielsweise bei Stammpatienten eine Reichweitenanalyse an, anhand derer sich die Adhärenz nachvollziehen lässt. Gründe für Non-Adhärenz können dann gemeinsam mit dem Patienten erörtert werden. Zudem könne dieser per SMS daran erinnert werden, sich rechtzeitig ein neues Rezept zu besorgen. Dann sind natürlich bei HIV-Patienten Interaktionen ein großes Thema. Auch eine gut gepflegte Kundenkartei sei wichtig, sowie das CAVE-Modul, wo Allergien und Unverträglichkeiten hinterlegt sind. Außerdem könne die Apotheke prüfen, ob die jeweilige Darreichungsform geeignet ist, zum Beispiel weil das Arzneimittel über Sonden gegeben werden muss.
„Viel mehr wäre in der Apotheke möglich“
Und auch in der Selbstmedikation kann der Apotheker laut Kraft so einiges zur AMTS beitragen. So könne man, erklärt der Apotheker, einem HIV-Patienten nicht ohne weiteres Präparate wie Echinacea oder Umckaloabo geben. Je nachdem wie es um das Immunsystem bestellt ist, sei das unter Umständen keine gute Idee.
In Krafts Augen wären jedoch noch viel mehr AMTS-Maßnahmen in der Apotheke möglich. Dazu bedarf es aber seiner Ansicht nach einiger Veränderungen. Zum Beispiel, was das Honorar betrifft oder die Vernetzung von Ärzten und Apothekern. Außerdem hätte er gerne die Möglichkeit zu handeln, wenn ein Arzt tatsächlich bei einer schweren Interaktion uneinsichtig sein sollte und auf Fortführung der Therapie beharrt.
Spezialisierung ist derzeit nicht möglich
Er findet, dass Apotheker sich spezialisieren sollten. „Keiner kann alles können.“ so Kraft. Sein Wunsch: An den Hochschulen solle die Pharmakotherapie großer Volkskrankheiten wie Bluthochdruck oder Hypercholesterinämie verstärkt gelehrt werden, die sollte seiner Ansicht nach auch jeder Apotheker beherrschen. Aber in anderen Bereichen, wie eben HIV, hält er eine Spezialisierung für notwendig, um wirklich kompetent beraten zu können. Bislang gebe es nur nicht einmal die Möglichkeit dazu. Er würde sich beispielsweise einen Fachapotheker für Infektiologie wünschen. Im Moment besucht er hauptsächlich Fortbildungen für Ärzte, um sich sein Spezialwissen anzueignen.
Eben zum um Beispiel dazu, was es mit dem Genmarker HLA-B*5701 auf sich hat. Denn weist ein Patient diesen auf, soll der Wirkstoff Abacavir nicht angewendet werden. Das Risiko für Überempfindlichkeitsreaktionen ist dann erhöht. Per Gentest muss das vor einer Behandlung ausgeschlossen werden. Und das ist nur ein Beispiel von vielen für Spezialwissen, das für viele Apotheker keine Rolle spielt, für einen, der HIV-Patienten betreut aber essenziell ist.