SPD-Politikerin in der Offizin

Wirtschaftsministerin Zypries besucht Apotheke

Nach Kritik an ihrem DocMorris-Besuch informierte sich Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) am heutigen Donnerstag in einer Vor-Ort-Apotheke in Darmstadt. Sie zeigte sich überrascht von den digitalen Möglichkeiten abseits des Versandhandels – und empfahl den deutschen Apothekern, über eine gemeinsame Online-Plattform den Ausländern Konkurrenz zu machen. Apotheker Günter Wickop überzeugte der Besuch am Ende nicht.

Wirtschaftsministerin Zypries besucht Apotheke


Der Besuch der Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries bei der niederländischen Versandapotheke DocMorris hatte vor knapp zwei Monaten unter deutschen Apothekern für erhebliche Kritik gesorgt: Warum informiert sich die Ministerin zum Thema Digitalisierung nur bei einem ausländischen, aktiennotierten Unternehmen – und nicht bei einer deutschen Vor-Ort-Apotheke, fragten sich viele Pharmazeuten. „Die deutschen Apotheker können durchaus mit Selbstbewusstsein und Zuversicht in die Zukunft schauen und müssen DocMorris nicht als Schreckgespenst aufbauen“, hatte die Ministerin gegenüber DAZ.online nach ihrem Besuch gesagt.

Gleichzeitig kündigte sie an, dass sie auch gerne eine deutsche Apotheke besuchen werde, wenn sie hierzu eingeladen wird. Der hessische Apothekerverband schritt zur Tat – und lud die in Kürze aus dem Bundestag ausscheidende Ministerin in die Einhorn-Apotheke in ihrem bisherigen Wahlkreis Darmstadt ein. Diese betreibt mit über 30 Beschäftigten in vierter Generation Günter Wickop – die Apotheke existiert jedoch bereits seit 1570. Schnell entwickelte sich ein angeregtes Gespräch zwischen der Ministerin und dem Apotheker: Der Pharmazeut befürchtet, dass Vor-Ort-Apotheken „den Konzernen zum Fraß vorgeworfen werden“, wie er der Ministerin sagte. Er überlegt derzeit, ob er die Einhorn-Apotheke guten Gewissens seinem Sohn übergeben kann – und fragte die Ministerin, was sie ihm raten würde.

Zypries: Das Internet verändert Berufsfelder

„Klar“ solle er sie übergeben, betonte Zypries: Sie sah keine Bedenken, auch angesichts der guten Lage in der Darmstädter Innenstadt. „Die Apotheker, die ich kenne und die in Ihrem Alter sind, die haben alle sehr gut verdient“, erklärte sie – und musste sich aber von Wickop anhören, dass dies in der nächsten Generation nur schwerlich noch der Fall sein werde. In Köln könnten sich beispielsweise nur wenige Apotheken noch die hohen Mieten in der Innenstadt leisten, hinzu bedrohten Versandhandel und Rx-Boni das Geschäft, nachdem im OTC-Bereich ohnehin ein großer Umsatz-Anteil weggebrochen ist.

Zypries erwiderte, dass dies ein allgemeiner Trend sei. „Es gibt eine technische Entwicklung, die heißt Internet“, betonte sie. Dies führe auch dazu, dass sich Berufsfelder ändern – nicht nur in Deutschland, sondern in der ganzen Welt. Ähnlich sei es im ganzen Handel, wie auch bei den Lebensmitteln, wo Amazon mit seinem Dienst „Amazon Fresh“ auch den Markt aufwirbeln möchte. „Sie tun so, als sei die Bundesregierung dafür verantwortlich“, erklärte die SPD-Politikerin.

Gespräch über das Rx-Versandverbot

Sie verwies auf die „Dialogplattform Einzelhandel“, mit der ihr Ministerium Handlungsempfehlungen erarbeitet hatte. Den Apothekerverbänden riet sie, gemeinsam im Versandbereich aktiv zu werden. „Die müssten jetzt doch mal sehen, dass sie eine Plattform organisieren für die deutschen Apotheker“, erklärte Zypries. „Ich kaufe auch nicht bei Amazon“, betonte die Ministerin. Sie verwies darauf, dass die deutschen Buchhändler mit dem Lesegerät „Tolino“ dem „Kindle“ von Amazon etwas entgegengesetzt hätten. „Das sollte man auch so machen für Apotheken“, betonte sie.

Wickop zeigte sich hiervon nicht überzeugt. „In Österreich hat es das schon gegeben“, erklärte er – doch ohne Erfolg. Außerdem gebe es im Buchhandel die Buchpreisbindung. „Aber Sie haben bei den rezeptpflichtigen Arzneimitteln auch die gleichen Preise“, erklärte Zypries – musste sich aber vom Apotheker daran erinnern lassen, dass dies seit dem EuGH-Urteil zu Rx-Boni nicht mehr so stimmt. Er fragte außerdem, ob die Ministerin denn ein Land kenne, bei dem der Apothekenmarkt sowohl besser als auch kosteneffektiver geregelt sei. „In Spanien sind die Arzneimittel deutlich günstiger“, antwortete sie nur allgemein.

Zypries beschwert sich über Gröhe

Auf Kritik an ihrem Nein gegen das Rx-Versandverbot von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) sagte die Politikerin erneut, dies sei nicht umsetzbar, da es für die Versandapotheken ja einem Berufsverbot gleichkäme. Außerdem habe die SPD durchaus Vorschläge gemacht, doch Gröhe sei aus Wahlkampf-taktischen Gründen hierauf nicht eingegangen, um die Stimmen der Apotheker für sich zu gewinnen, so der Vorwurf der SPD-Politikerin in Richtung Gröhe.

Nach ihrem Besuch bei DocMorris hatte sich Zypries unter anderem positiv über den Digitalisierungs-Grad bei DocMorris geäußert. Beim Apothekenbesuch konnte aber auch Wickop sie überzeugen, dass Vor-Ort-Apotheken im Bereich Digitalisierung vorne mitspielen: Er zeigte ihr seinen Kommissionier-Automaten, den er seit 13 Jahren im Keller hat. „Ich kann mir eine Apotheke mit Schubladen nicht mehr vorstellen“, sagte der Pharmazeut – während Zypries etwas früheren Zeiten nachhing. Die alten Apotheken sähen „so wunderbar aus“, sagte sie. Wickop möchte die zwei „Revolutionen“ in der Apotheke nicht mehr missen – neben den Robotern auch die Digitalisierung von Papierunterlagen.

Er zeigte ihr auch zusammen mit Mitarbeitern des Apotheken-Rechenzentrums Darmstadt eine neue App, mit der Kunden zukünftig Arzneimittel vorbestellen können. „Das ist ja toll zu sehen, mit welcher Begeisterung Sie die technischen Veränderungen begleiten“, erklärte Zypries. Auch bei einem anderen Aspekt konnte Wickop punkten: Nachdem sich Zypries nach ihrem DocMorris-Besuch über die automatisierten Systeme zur Erkennung möglicher Wechselwirkungen positiv geäußert hatte, führte ihr der Pharmazeut vor, dass sich deutsche Apotheken hier nicht verstecken müssen. „Das machen wir schon lange“, erklärte er.

Nach ihrem Bundestags-„Ruhestand“ will Zypries weiter politisch aktiv bleiben, sagte sie. „Ich bleibe hier wohnen – und ich denke, ich kümmere mich etwas um das Digitale in der Stadt“, erklärte die Ministerin. Für den Apotheker blieb der Besuch nicht wirklich befriedigend: Am enttäuschendsten fand er, dass so eine „blitzgescheite Frau“ die Situation von Apotheken mit dem Buchhandel und dem Lesegerät Tolino vergleicht – obwohl eben bei Arzneimitteln die Preisbindung in Gefahr ist. Einen Großteil der Misere hätten Apotheker ja der SPD-Politikerin „zu verdanken“, erklärte er, die früher als Bundesjustizministerin viele Veränderungen im Apothekenmarkt mit unterstützt hätte.

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