- DAZ.online
- News
- Pharmazie
- Warum bei der ...
Frauenherzen schlagen anders
Warum bei der Herzinsuffizienz-Therapie das Geschlecht berücksichtigt werden sollte
Weltweit leiden etwa 26 Millionen Menschen an Herzinsuffizienz, die Hälfte davon sind Frauen. Obwohl geschlechtsspezifische Unterschiede in der Pharmakokinetik der Therapeutika bekannt sind, empfehlen die gängigen Leitlinien für Männer und Frauen noch immer gleich hohe Ziel-Dosierungen von ACE-Hemmern, Angiotensin-Rezeptorblockern und Betablockern. Dass hier möglicherweise ein Umdenken stattfinden muss, zeigen aktuelle Daten aus Holland.
In der Studie sollte die Verschreibungspraxis von Pharmaka bei Herzinsuffizienz-Patienten und -Patientinnen und deren Auswirkung auf das Sterberisiko ermittelt werden. Als Auswertungsgrundlage dienten die elektronischen Daten aus 13 ambulanten Kardiologie-Praxen. Alle Probanden bekamen mindestens eine in den Leitlinien der Herzinsuffizienz genannte Substanzgruppe (ACE-Hemmer, Sartan, Betablocker, Aldosteron-Antagonist). Insgesamt wurden die Daten von 561 Frauen (29 % davon mit einer Herzinsuffizienz mit reduzierter linksventrikulärer Ejektionsfraktion < 40 % [HFrEF], 49 % mit einer Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektionsfraktion > 50 % [HFpEF]) und 615 Männern (HFrEF: 47 %; HFpEF: 25 %) analysiert. 934 Studienteilnehmer nahmen einen ACE-Hemmer oder Sartan ein (46 % davon Frauen), 795 einen Betablocker (48 % Frauen) und 178 einen Aldosteron-Antagonisten (42 % Frauen). Innerhalb der Nachbeobachtungszeit von 3,7 Jahren verstarben 252 Teilnehmer. Die Studie wurde nun im „British Medical Journal Heart“ veröffentlicht.
Häufig unterdosiert
Es zeigte sich, dass lediglich die Aldosteron-Antagonisten laut den in den Leitlinien genannten Dosierungen verordnet wurden. Hingegen betrug die Dosis der ACE-Hemmer, Sartane und Betablocker sowohl bei Männern als auch bei Frauen im Schnitt nur 50 % der angestrebten Zieldosis. Trotz niedriger Dosis hatten Frauen mit Herzinsuffizienz mit reduzierter linksventrikulärer Ejektionsfraktion keinen Nachteil in ihrem Überleben, wohl aber die Männer. Diese hatten die geringste Sterblichkeitsrate, wenn die Dosis 100 % betrug. Lag allerdings eine Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektionsfraktion vor, zeigte sich dieser Unterschied nicht. Entgegen früherer Studienergebnisse konnte kein Zusammenhang zwischen der Betablocker-Dosis und der Gesamtsterblichkeit erkannt werden. Die Wissenschaftler vermuten, dass dafür die geringe Prävalenz kardiovaskulärer Vorerkrankungen und anderer Begleiterkrankungen verantwortlich sein könnte.
Für Frauen aber kein Nachteil
Frauen benötigen also möglicherweise eine niedrigere Dosis als Männer bei der Therapie der Herzinsuffizienz. Die Studienautoren fordern, diesbezüglich weitere prospektive Dosisfindungsstudien speziell mit Frauen durchzuführen. Auch die Ergebnisse einer im „The Lancet“ publizierten Studie aus 2019 stützen diese These: Damals waren post hoc die Daten einer prospektiven Kohortenstudie mit 1.308 Männern und 402 Frauen mit Herzinsuffizienz aus elf verschiedenen Ländern ausgewertet worden. Auch hier zeigte sich, dass bei Männern das Risiko für Krankenhausaufenthalt oder Tod unter einer 100 %-Dosis am niedrigsten war. Frauen hingegen hatten unter der halben Ziel-Dosis ein 30 % geringeres Risiko für solche Ereignisse. Höhere Dosen verbesserten diese Effekte nicht. Die Studienergebnisse damals deckten sich mit einer asiatischen Publikation: Auch hier waren Männer nur durch die volle Dosis geschützt, bei Frauen hingegen reichten 40 bis 50 % der empfohlenen Ziel-Dosierungen aus, um das Risiko für Tod oder einen Krankenhausaufenthalt zu vermindern.
Warum den Unterschieden in der Pharmakotherapie von Frauen und Männern auch außerhalb der Herzinsuffizienz-Behandlung viel mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte, als das aktuell der Fall ist, lesen Sie im Kommentar von Prof. Dr. Vera Regitz-Zagrosek in der Printausgabe der DAZ 39|2021.
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.