Respiratorisches-Synzytial-Virus(RSV)-Impfstoff
ATC-Code: noch nicht zugewiesen
Name: Respiratorisches-Synzytial-Virus(RSV)-Impfstoff (Arexvy®)
Indikation: aktive Immunisierung von Erwachsenen im Alter von 60 Jahren und älter zur Prävention von durch das respiratorische Synzytial-Virus verursachten Erkrankungen der unteren Atemwege (lower respiratory tract disease, LRTD)
Wirkmechanismus: Totimpfstoff
Therapeutische Relevanz
Infektionen durch das respiratorische Synzytial-Virus (RSV) betreffen in erster Linie die Atemwege. Während ältere Kinder und Erwachsene meist nur leichte Erkältungssymptome entwickeln, muss insbesondere bei Kindern unter zwei Jahren und bei älteren Menschen vermehrt mit schweren Verläufen und teilweise lebensbedrohlichen Komplikationen gerechnet werden. In Europa wird die Anzahl an Krankenhauseinweisungen bei Menschen ab 65 Jahren auf 250.000 mit etwa 7% tödlichen Verläufen geschätzt. Besonders gefährdet sind Vorerkrankte mit Lungen- oder Herzkrankheiten sowie Diabetes mellitus. Anders als für pädiatrische Risikopatienten ist derzeit für ältere Patienten noch keine passive Immunisierung zugelassen. Bei Kindern kommt der gegen das Fusionsprotein des RS-Virus gerichtete monoklonale Antikörper Palivizumab zum Einsatz, der das Andocken des Virus an die Wirtszelle unterbindet. Für den Schutz älterer Personen gegen eine potenziell lebensbedrohliche RSV-Infektion ist man nun dennoch bereits einen Schritt weiter. Mit dem Präparat Arexvy® steht erstmals ein effektiver RSV-Aktivimpfstoff mit innovativem Wirkmechanismus zur Verfügung. Als Antigen dient ein rekombinantes virales Oberflächenprotein in Präfusionskonfirmation. In der zulassungsrelevanten Studie konnte bei den Geimpften das Risiko für RSV-assoziierte untere Atemwegsinfekte um 83% reduziert werden. Die Risikoreduktion für schwere Verläufe lag sogar bei 94%. Derzeit geht man davon aus, dass der Schutz des gut verträglichen Impfstoffs bei älteren Menschen für mindestens sechs Monate anhält. Erkenntnisse zum Erfordernis sowie zur Wirksamkeit und Sicherheit einer Auffrischungsimpfung mit Arexvy® liegen noch nicht vor. Mit verschiedenen RSV-Testimpfstoffen werden aktuell Untersuchungen zur Impfung von Schwangeren durchgeführt, um beim noch ungeborenen Kind einen Nestschutz zu erzielen. Ob Arexvy® für den Einsatz während der späten Schwangerschaft geeignet ist, bleibt abzuwarten. Möglicherweise besteht ein erhöhtes Risiko für Frühgeburten.
Steckbrief
Stoffklasse: | noch nicht zugewiesen |
Zulassungsinhaber: | GlaxoSmithKline Biologicals SA, Rue de l’Institut 89, 1330 Rixensart, Belgien |
Hersteller/Endfreigabe: | GlaxoSmithKline Biologicals SA, Rue de l’Institut 89, 1330 Rixensart, Belgien |
Kontaktadresse in Deutschland: | GlaxoSmithKline GmbH & Co. KG, Prinzregentenplatz 9, 81675 München |
Darreichungsformen: | Pulver und Suspension zur Herstellung einer Injektionssuspension |
Packungsgrößen, Preis und PZN: | zwei Durchstechflaschen mit Pulver und Suspension, 213,57 Euro, PZN 18373575 |
Zusammensetzung: | 120 µg RSVPreF3-Antigen, adjuvantiert mit AS01E aus 25 µg Pflanzenextrakt aus Quillaja saponaria Molina, Fraktion 21 (QS-21) und 25 µg 3-O-Desacyl-4’-monophosphoryl-Lipid A (MPL) aus Salmonella minnesota |
Sonstige Bestandteile: | Trehalose-Dihydrat, Polysorbat 80 (E 433), Kaliumdihydrogenphosphat (E 340), Kaliummonohydrogenphosphat (E 340), Colfosceriloleat (E 322), Cholesterol, Natriumchlorid, Natriummonohydrogenphosphat (E 339), Kaliumdihydrogenphosphat (E 340), Wasser für Injektionszwecke |
Zulassungsnummer: | EU/1/23/1740/001 EU/1/23/1740/002 |
Datum der Markteinführung: | 1. August 2023 |
Besondere Lager- und Aufbewahrungshinweise: | in der Originalverpackung im Kühlschrank lagern (2 bis 8 °C), nicht einfrieren
Aus mikrobiologischer Sicht sollte der rekonstituierte Impfstoff sofort verwendet werden. Die chemische und physikalische Stabilität nach Rekonstitution wurde für vier Stunden bei 2 bis 8 °C bzw. bei Raumtemperatur von bis zu 25 °C gezeigt. |
Dauer der Haltbarkeit: | zwei Jahre |
Verschreibungsstatus: | verschreibungspflichtig |
Indikationen
Aktive Immunisierung von Erwachsenen im Alter von 60 Jahren und älter zur Prävention von durch das respiratorische Synzytial-Virus verursachten Erkrankungen der unteren Atemwege (lower respiratory tract disease, LRTD)
Wirkungen und Wirkungsmechanismus
Die Infektion von Körperzellen mit dem Respiratorische Synzytial-Virus erfolgt durch Andocken des Virus mithilfe eines membranständigen Fusionsproteins. Der Impfstoff Arexvy® enthält als Antigen eine in immortalisierten Ovarialzellen des chinesischen Hamsters rekombinant hergestellte, veränderte Version dieses RSV-spezifischen Oberflächenproteins. Zur Optimierung der Effektivität liegt das Fusionsprotein in einer stabilisierten Präfusionskonfirmation (RSVPreF) vor. Zudem enthält der Impfstoff das Adjuvans AS01E, das die Rekrutierung und Aktivierung von Antigen-präsentierenden Zellen erleichtert, welche aus dem Impfstoff stammende Antigene in die drainierenden Lymphknoten transportieren. Bei geimpften Personen kommt es zur Bildung von RSVPreF3-spezifischen CD4-positiven T-Zellen. Die entstehenden, gegen RSVPreF3 gerichteten Antikörper verhindern die Fusion des RS-Virus mit den menschlichen Wirtszellen und unterbinden damit deren Infektion.
Dosierung, Art und Dauer der Anwendung
Das Präparat Arexvy® wird als Einzeldosis zu 0,5 ml vorzugsweise in den Musculus deltoideus intramuskulär verabreicht. Der Impfstoff darf nicht intravasal oder intradermal appliziert werden. Die Notwendigkeit einer Auffrischungsimpfung mit einer weiteren Dosis ist derzeit nicht erwiesen.
Erwachsene: | 0,5 ml Zubereitung intramuskulär |
Kinder und Jugendliche: | Zur Sicherheit und Wirksamkeit des RSV-Impfstoffs bei Kindern und Jugendlichen liegen keine Daten vor. |
Ältere Patienten: | Die Zubereitung ist für Patienten ab 60 Jahren zugelassen. |
Patienten mit Leber- oder Niereninsuffizienz: | keine besonderen Vorkehrungen erforderlich |
DDD: | noch nicht bekannt |
Gegenanzeigen, Kontraindikationen
Bei Überempfindlichkeit gegen die Bestandteile des RSV-Impfstoffs besteht eine Kontraindikation.
Nebenwirkungen
Nach der Anwendung des Präparats kommt es sehr häufig zu Kopfschmerzen, Myalgien, Arthralgien, Ermüdung und Schmerzen an der Injektionsstelle. Häufig wird über Erytheme und Schwellungen an der Applikationsstelle sowie über Fieber und Schüttelfrost berichtet. Gelegentlich muss mit Lymphadenopathien, Überempfindlichkeitsreaktionen, allgemeinen Schmerzen, Unwohlsein, Übelkeit, Abdominalschmerzen, Erbrechen und Jucken an der Injektionsstelle gerechnet werden.
Wechselwirkungen
Im Rahmen einer randomisierten klinischen Studie kam es bei gleichzeitiger Verabreichung von Arexvy® mit einem nichtadjuvantierten, inaktivierten Influenza-Impfstoff zu numerisch niedrigeren Antikörpertitern, sowohl bezüglich der RSV-A- und RSV-B-Antikörper als auch hinsichtlich der Influenza-A- und -B-Hämagglutinations-Hemmung. Dennoch wurden in dieser Untersuchung mit Erwachsenen im Alter ab 60 Jahren die Kriterien für die Nichtunterlegenheit der Immunantwort der gleichzeitigen gegenüber der getrennten Verabreichung erfüllt, sodass auch eine kombinierte Anwendung des RSV-Impfstoffs mit einem saisonalen quadrivalenten, nichtadjuvantierten, inaktivierten Grippeimpfstoff erfolgen kann. Allerdings sollten injizierbare Impfstoffe immer an unterschiedlichen Körperregionen verabreicht werden. Zur gemeinsamen Applikation von Arexvy® mit hoch dosierten oder adjuvantierten saisonalen Grippeimpfstoffen bzw. mit anderen Impfstoffen liegen keine Erfahrungen vor.
Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen
Nach der Applikation des RSV-Impfstoffs muss in seltenen Fällen mit anaphylaktischen Reaktionen gerechnet werden. Insbesondere prädisponierte Patienten sollten daher eine gewisse Zeit überwacht werden. Eine entsprechende Notfallausrüstung ist verfügbar zu halten. Es wird empfohlen, die Anwendung des Präparats bei Personen, die an einer akuten, schweren, mit Fieber einhergehenden Erkrankung leiden, auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Bei leichten Infekten ist dies allerdings nicht erforderlich. Wie bei jedem Impfstoff wird möglicherweise nicht bei allen Geimpften eine schützende Immunantwort erzielt. Wegen der Gefahr angstbedingter Reaktionen wie Synkopen, Hyperventilation oder stressbedingten Reaktionen sollten im Rahmen des Impfvorgangs Maßnahmen ergriffen werden, um Verletzungen durch eine Ohnmacht zu verhindern. Bei Personen mit Thrombozytopenie oder anderen Blutgerinnungsstörungen besteht durch die intramuskuläre Anwendung des Präparats das Risiko von Blutungen am Applikationsort. Zur Anwendung von Arexvy® bei mit dem HI-Virus Infizierten, bei Patienten mit anderen Immundefizienzen oder unter systemischen Immunsuppressiva liegen bislang nur begrenzte Erfahrungen vor. Möglicherweise wird in diesen Fällen keine ausreichende Immunantwort erreicht.
Schwangerschaft und Stillzeit
Schwangerschaft: | Aufgrund bislang fehlender Erfahrungen wird von der Anwendung des RSV-Impfstoffs Arexvy® während der Schwangerschaft abgeraten. Nach Applikation eines nichtadjuvantierten RSVPreF3-Kandidatimpfstoffs kam es in einer Phase-III-Studie (RSV MAT-009) im Vergleich zur Placebo-Gabe zu einer Zunahme an Frühgeburten. Rückschlüsse auf einen kausalen Zusammenhang mit der Impfung sind auf Basis der aktuell vorliegenden Daten jedoch nicht möglich [4]. |
Stillzeit: | Derzeit liegen keine präklinischen oder klinischen Erkenntnisse zum potenziellen Übertritt von Impfstoffbestandteilen in die Muttermilch vor. Daher sollte die Verabreichung von Arexvy® bei stillenden Frauen sicherheitshalber unterbleiben. |
Fertilität: | Bisher sind keine Daten zur Auswirkung des RSV-Impfstoffs auf die menschliche Fertilität verfügbar. Aus tierexperimentellen Studien mit einem nicht-adjuvantierten RSVPreF3-Kandidatimpfstoff oder Arexvy® ergaben sich keine Hinweise auf direkte oder indirekte gesundheitsschädliche Wirkungen in Bezug auf Reproduktionstoxizität. |
Pharmakokinetik
Pharmakokinetische Parameter wie Resorption, Verteilung, Metabolisierung und Exkretion sind für den RSV-Impfstoff nicht relevant.
Zulassungsrelevante Studien
Die Zulassung des RSV-Impfstoffs beruht auf der Zwischenanalyse einer aktuell weiterlaufenden randomisierten, placebokontrollierten, beobachterverblindeten Phase-III-Studie an mehr als 25.000 Erwachsenen im Alter von mindestens 60 Jahren. Die einmalige Impfung bzw. Placebo-Gabe erfolgte jeweils vor Beginn der RSV-Saison. Die Teilnehmer wurden über bis zu 36 Monate nachbeobachtet. Unter Arexvy® erlitten sieben von 12.466 Geimpften eine Infektion der unteren Atemwege, im Vergleich zu 40 von 12.494 Personen unter Placebo-Gabe. Somit konnte in der Verum-Gruppe gegenüber dem Placebo-Arm eine 83%ige Risikoreduktion für RSV-assoziierte untere Atemwegsinfektionen erreicht werden, wobei die Effektivität des Impfstoffs gegenüber RSV-A- und -B-Subtypen mit 85 bzw. 81% in einem ähnlichen Bereich lag. Die Wirksamkeit von Arexvy® bezüglich der Verhinderung von schweren unteren Atemwegsinfektionen aufgrund von RSV-Infektionen wurde mit 94% angegeben. Der entsprechende Wert für die Verhinderung von RSV-assoziierten akuten oberen und unteren Atemwegsinfektionen betrug 72%. In der Placebo-Gruppe traten vier Fälle von schweren unteren Atemwegsinfektionen mit Bedarf einer Sauerstoff-Supplementierung auf, während es in der Verum-Gruppe keinen solchen Fall gab. Im Wesentlichen kam es unter Arexvy® nur vorübergehend zu leichten bis mäßiggradigen Nebenwirkungen. Die Inzidenzen von schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen und Autoimmunerkrankungen im Verum- und Placebo-Arm waren ähnlich.
Wirtschaftliche Aspekte
Aufgrund einer fehlenden Alternative erscheint der Preis der Medikation angemessen.
Literatur
[1] Fachinformation zu Arexvy®, Stand August 2023
[2] Papi A, Ison MG, Langley JM, Lee DG et al. Respiratory syncytial virus prefusion F protein vaccine in older adults. N Engl J Med 2023;388(7):595-608
[3] EPAR summary for the public. Arexvy® Respiratory Syncytial Virus (RSV) vaccine (recombinant, adjuvanted). EMA/260940/2023; European Medicines Agency; www.ema.europe.eu
[4] Dieussaert I, Dormitzer PR, Kim J-H et al. 126. Preterm birth signal in a maternal immunization study with respiratory syncytial virus prefusion F protein vaccine candidate. Poster auf der 7. Resvinet Conference, 22. bis 24. Februar 2023, Lissabon