„Herr Jauch, das ist ja eine Revolution!“
Da gab es schon eine Menge Knatsch: Im März schrieb die „Gruppe Karlsruher Apotheker“ an den Gematik-Geschäftsführer und beklagte, dass die Ausfälle der Telematikinfrastruktur (TI) bereits „absolute Normalität“ seien. Das E-Rezept war erst wenige Wochen zuvor flächendeckend eingeführt worden – nach einem jahrelangen Vorlauf.
In Nordrhein rief ein Aktionsbündnis von Heilberuflern im März sogar für die Morgenstunden einen E-Rezept-Streik aus. Weil Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) in der Angelegenheit schwieg, wendete es sich direkt an Olaf Scholz (SPD). In einem Appell hieß es: „Herr Bundeskanzler, nutzen Sie Ihre Richtlinien-Kompetenz und stoppen Sie das Experiment E-Rezept bis dieses unfertige IT-Produkt fehler- und unterbrechungsfrei funktioniert“.
Bekanntlich ist es dazu nicht gekommen, aber die Geschichte spiegelt ganz gut die damals teils herrschende Stimmung wider. Grund für die oben genannten Ausfälle, die sich noch über Wochen hinziehen sollten, waren übrigens elliptische Kurven. Auf diese wurden nämlich Praxis- und Institutionsausweise von dem Vertrauensdienstleister Medisign umgestellt, was dann an anderer Stelle das System überlastete. Gemeinsam mit der Gematik hat das Unternehmen schließlich die Kurve gekriegt.
Aber in de Apotheken hing über allem die Angst, dass fehlerhafte E-Rezepte zu Retaxationen führen könnten. Für etwas Entspannung sorgte daher, dass GKV-Spitzenverband und Deutscher Apothekerverband sich Anfang Juli auf eine Friedenspflicht einigen konnten. Anfang Dezember wurde sie sogar entfristet.
Das heißt nicht, dass es danach keine Schwierigkeiten gegeben hätte. Noch im Juli gaben mehr als ein Drittel der Teilnehmer einer DAZ-Umfrage an, dass die Nutzung des E-Rezepts eine Katastrophe ist. Ein Blick in das Gematik-Fachportal zeigt, dass es bis heute fast täglich Störungen gibt.
Aufregerthema CardLink
Zum Aufregerthema entwickelte sich in der zweiten Hälfte des Jahres der sogenannte vierte Einlöseweg, der nur eine Übergangslösung sein soll, bis alle Versicherten mit einer GesundheitsID ausgestattet sind. Die Apotheken vor Ort schauen mit Sorge auf CardLink.
Aus dem Häuschen sind hingegen die Versender. „Herr Jauch! Das ist ja eine Revolution!“, schreit die Schauspielerin in dem Werbeclip von Shop Apotheke den unter Apothekerinnen und Apothekern nicht mehr ganz so beliebten TV-Moderator an. Der Millionen- und Millionärmacher antwortet lächelnd in die Kamera: „Naja, ich halt doch einfach nur die Karte dran“, und hat damit auch schon das Prinzip von CardLink erklärt.
„Partikularinteressen vereinzelter Großkonzerne“
Ärger gab es bereits, als das Bundesgesundheitsministerium mit seiner Mehrheit in der Gesellschafterversammlung der Gematik gegen alle anderen CardLink durchdrückte. ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening zeigte sich „schockiert“, dass das BMG „den Partikularinteressen vereinzelter Großkonzerne“ nachkommt.
Beworben wurde nicht nur mit Jauch oder der fiktiven Familie „die Gesundbergs“ (DocMorris), sondern auch mit Bonusgutscheinen. Gegen die gibt es seither Abmahnungen und einstweilige Verfügungen, die von den Versendern mit Verweis auf ein in Luxemburg anhängiges Verfahren elegant missachtet werden.
Zwei Drittel machen schon mit
Allerdings steht in der Zwischenzeit CardLink nun auch den Apotheken vor Ort zur Verfügung. Bei einer DAZ-Umfrage stellte sich Anfang Dezember heraus, dass 69,5 Prozent der Teilnehmer CardLink in der Apotheke anbieten – mehr als 90 Prozent arbeiten mit der Gedisa zusammen.
Kein Rückblick ist vollständig ohne Ausblick, beim E-Rezept ist der sogar nötig. Denn noch gibt es die digitale Variante nicht für alle Rezepttypen. Für Betäubungsmittel war die Umstellung für den 1. Juli 2025 geplant. Daraus wird nichts, weil das Geld fehlt, wie im Oktober bekannt wurde.
Wie es weitergeht
Ungeklärt ist auch weiterhin die Frage der E-Rezepte in der Heimversorgung. Direkte Weitergabe von Praxis an Apotheke? Mit dem Gesetz zur Stärkung der Öffentlichen Gesundheit wollte das BMG das formalrechtlich möglich machen. Mit dem Ampel-Aus wird daraus nichts werden, die ABDA hatte ohnehin etwas dagegen. Gelöst ist das Problem damit nicht.
Zum Ausblick gehört auch, dass das E-Rezept nur der Aufschlag in der Digitalisierung gewesen ist. Ab diesem Jahr soll die elektronische Patientenakte für alle an den Start gehen. Die Sorge ist, dass der Start ähnlich verkorkst wie beim E-Rezept werden wird.