IQWiG-Studie

Treffen Orphan Drugs wirklich die nötigsten Indikationen?

Ein Team des IQWiG hat eine Studie zum Dauerthema Orphan Drugs publiziert. Demnach schnitten Arzneimittel gegen seltene onkologische Erkrankungen in den regulären Bewertungsverfahren schlechter als bei anderen Indikationen ab. Zudem habe es in der Onkologie auffällig viele Fragestellungen gegeben, zu denen bereits Therapien existieren. Daher seien Anreize nötig, um die Forschung mehr auf die bisher nicht behandelbaren Erkrankungen auszurichten.

Treffen Orphan Drugs wirklich die nötigsten Indikationen?

Orphan Drugs, Arzneimittel gegen seltene Erkrankungen, genießen einige regulatorische Vorzugsbehandlungen. Doch stellt sich stets die Frage, ob die Patienten wirklich im gewünschten Maße von diesen Arzneimitteln profitieren. In seiner jüngsten Pressemitteilung weist das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) auf frühere Untersuchungen und auf eine neue Publikation eines IQWiG-Teams unter Leitung von Philip Kranz im International Journal of Technology Assessment zu diesem Thema hin.

Große Unterschiede zwischen onkologischen und anderen Indikationen

Für die Publikation wurden in Deutschland durchgeführte Nutzenbewertungen aus der Zeit von Anfang 2011 bis September 2021 zu 89 Arzneimitteln gegen seltene Erkrankungen mit 175 Fragestellungen ausgewertet. In den 97 speziellen Verfahren für Orphan Drugs wurde bei fast 80 Prozent der Fragestellungen kein quantifizierbarer Zusatznutzen festgestellt. Bei diesen speziellen Verfahren ist dies die unterste Bewertungskategorie, weil das Vorhandensein eines Zusatznutzen definitionsgemäß vorausgesetzt wird.

In den 78 regulären Verfahren wurde in 54 Prozent der Betrachtungen kein Zusatznutzen attestiert. Von diesen 78 Verfahren betrafen 41 onkologische Indikationen. Dabei stellten die Autoren auffällige Unterschiede zu den 37 Verfahren mit anderen Indikationen fest. Bei den onkologischen Indikationen wurde in 39 Prozent der Bewertungen ein Zusatznutzen gefunden, bei den anderen Indikationen hingegen deutlich öfter, nämlich in 54 Prozent der Untersuchungen. Bei den onkologischen Indikationen gab es in 88 Prozent der Untersuchungen eine aktive Kontrolle, also eine Therapie, die über die bestmögliche Pflege hinausging. Bei den anderen Indikationen galt das hingegen nur für 24 Prozent der Verfahren.

Viele Indikationen außerhalb der Onkologie unbeachtet

Der letztgenannte Aspekt ist auch in der Pressemitteilung zu finden. Dort heißt es, dass für 88 Prozent der betrachteten onkologischen Indikationen bereits eine Therapie zur Verfügung gestanden habe, bei den anderen Indikationen hingegen nur zu 24 Prozent der Fragestellungen. Dabei wird darüber hinweggegangen, dass sich diese Betrachtung nur auf die regulären Verfahren und damit auf den kleineren Teil der Orphan Drugs bezieht. 

Das IQWiG ergänzt, dass onkologische Indikationen, bei denen die Preise meist besonders hoch seien, bei den Zulassungen stark überrepräsentiert seien, während es gegen viele andere seltene Erkrankungen weiterhin keine neuen Wirkstoffe gebe. Die Wahrscheinlichkeit für einen Zusatznutzen steige aber gemäß der zitierten Untersuchung, wenn es bisher keine aktive Behandlungsmöglichkeit gebe.

In der zitierten Studie heißt es, dass die meisten Orphan Drugs für die Onkologie und für Indikationen entwickelt werden, zu denen bereits Therapien etabliert sind, während viele andere Erkrankungen weiterhin nicht behandelbar seien. Daher seien Anreize nötig, um die Forschung auf diesen Gebieten zu intensivieren.

 

Literatur

Kranz P, McGauran N, Ünal C, Kaiser T. Results of health technology assessments of orphan drugs in Germany – lack of added benefit, evidence gaps, and persisting unmet medical needs. International Journal of Technology Assessment in Health Care. 2024;40(1):e68. doi:10.1017/S026646232400062X

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