Gesunder Augenaufschlag
Die Wimpern (lat. cilia) erfüllen am Auge wichtige Funktionen. Im Zusammenspiel mit Ober- und Unterlid bieten sie Schutz vor dem Eindringen von Fremdkörpern, Schmutz und Staub sowie vor übermäßiger Sonneneinstrahlung und Schweiß. Ebenso wie Kopf-, Barthaar und Augenbrauen gehören Wimpern zu den Anhangsgebilden der Haut und bestehen hauptsächlich aus Keratin. Umgeben sind die Wimpern von Talgdrüsen wie den Meibom- und den Zeis-Drüsen. Das gesunde Wimpernwachstum gliedert sich wie beim Kopfhaar in Wachstums-, Ruhe- und Ausfallphasen, die durch verschiedene Faktoren beeinträchtigt werden können.
Hinweis:
Um alle Fragen des Lernen+Punkten-Fragebogens beantworten zu können, lesen Sie bitte auch die folgenden Artikel: „Augen auf bei Nebenwirkungen!“ von Dr. Tony Daubitz und „Wo ist der Lichtblick im Nebel?“ von Marina Buchheit-Gusmao.
Pathophysiologische Ursachen für Wimpernveränderungen
Wenn Wimpern massiv ausfallen, verkleben oder sich krankhaft verändern, ist das oft die Folge einer lokalen oder systemischen Erkrankung wie einer chronischen Lidrandentzündung (Blepharitis), einer Tränendrüsenentzündung (Dakryoadenitis), einer Krebserkrankung, der Psoriasis oder einer Autoimmunerkrankung wie Lupus erythematodes. Auch die Autoimmunkrankheit Alopecia areata, die sich primär gegen Haarfollikel der Kopfhaut richtet, kann die Wimpern betreffen. Ein Totalverlust der Wimpern, eventuell auch der Augenbrauen, wird als Madarosis ciliae bezeichnet. Bei Pediculosis pubis sind die Filzläuse und ihre Eier oft auch in den Wimpern und Augenbrauen zu finden. Wenn Wimpern an ihrer Basis von zylindrischen Schuppen (Colleretten) umgeben sind, kann das auf einen Befall mit Demodex-Milben hindeuten. Bei verklebten Lidern oder Wimpern wird oft eine bakterielle Infektion als Ursache vermutet. Diese Symptome können jedoch auch – in Kombination mit anderen Beschwerden – beim
trockenen Auge auftreten, vor allem wenn eine Meibomdrüsen-Dysfunktion zugrunde liegt. Wenn Wimpern sehr dünn werden oder abbrechen, kann ein Mangel an B-Vitaminen (vor allem Vitamin B6), Eiweiß oder Mineralstoffen wie Eisen und Zink die Ursache sein. Demgegenüber können hormonelle Störungen wie eine Überproduktion von Androgenen beim polyzystischen Ovarialsyndrom (PCOS) zu einem verstärkten Wimpernwachstum (Hypertrichose) führen. Bei Trichiasis scheuern einzelne oder mehrere Wimpern auf der Oberfläche des Augapfels, meist aufgrund einer Fehlstellung der Wimpern oder einer Fehlbildung des Augenlids, bei der sich dieses nach innen wölbt. Zu den therapeutischen Maßnahmen zählen die Entfernung der störenden Wimpern oder eine chirurgische Korrektur des Augenlides.
Lernziele
In diesem Beitrag erfahren Sie unter anderem
- welche Funktion Wimpern haben,
- welche Wimpernveränderungen stören können,
- welche Inhaltsstoffe in Wimpernkosmetika problematisch sein können und
- welche Arzneimittel unerwünschte Wirkungen an den Wimpern zeigen.
Arzneimittelnebenwirkungen auf die Wimpern
Vor allem in der Tumortherapie werden Veränderungen an den Wimpern beobachtet. Ein Permanent-Make-up, bei dem von speziell dafür ausgebildeten Fachkräften Farbstoffe in die oberen Hautschichten eingebracht werden, kann Augenbrauen und Wimpern optisch verdichten, wenn sie infolge einer Chemo- oder Strahlentherapie ausgefallen sind. Alternativ können Betroffene mittels Kajal- oder Augenbrauenstift kleine Pünktchen auf die Lidränder setzen. Lash-Tattoos, bei denen der Wimpernkranz tätowiert wird, werden auch aus nichtmedizinischen, das heißt kosmetischen Gründen eingesetzt. Eine Weißfärbung der Haut (Vitiligo) zählt zu den häufigen Nebenwirkungen von Immuncheckpoint-Inhibitoren, die zur Behandlung des malignen Melanoms (Ipilimumab) und weiterer Tumorerkrankungen (Nivolumab, Pembrolizumab) zugelassen sind. Ihr Auftreten wird auch als gutes Ansprechen auf die Therapie und als Parameter für einen günstigen Verlauf der Tumorerkrankung gewertet. Doch neben der Weißfärbung der Haut kann es in Einzelfällen auch zum Ausbleichen einzelner Wimpern bis hin zu deren kompletter Entfärbung (Leukotrichie) kommen. In den ersten Monaten einer Behandlung mit EGFR-Inhibitoren wird häufig (Panitumumab) oder gelegentlich (Erlotinib, Gefitinib) ein übermäßiges Wachstum und eine Verdickung der Wimpern festgestellt. Mehrere Zentimeter lange Wimpern können jedoch eine Konjunktivitis auslösen und sollten deshalb durch medizinisches Fachpersonal vorsichtig gekürzt werden. Wenn unter EGFR-Inhibitoren (z.B. häufig bei Gefitinib) das Risiko einer Haarbalgentzündung besteht, kann mit einer Lidrandhygiene (s. Tab.) vorgebeugt werden.
Präparate | Anwendung | Hersteller |
Reinigung | ||
Blephaclean® sterile Kompressen Augenlidpflege |
zur Reinigung von Lidern und Wimpern, z. B. bei Entzündungen, bei Trockenen Augen aufgrund Meibomdrüsen-Dysfunktion, vor Augenoperationen |
Théa Pharma |
Naviblef® Wipes | zur Reinigung von Augenlidern und Wimpern | Visufarma |
Posiforlid® Lidhygiene-Tücher | zur täglichen Reinigung und Pflege der Augenlider | Ursapharm Arzneimittel |
Bioderma Sensibio H2O eye | Augen-Make-up-Entfernung | Naos Deutschland |
Pflege | ||
M2 Beauté Eyelash Activating Serum | Serum zum Auftragen auf die Lidkanten |
M2 Beauté Cosmetics |
Vichy Liftactive supreme Serum 10 Augen & Wimpern |
zur Pflege der Wimpern und Augenpartie |
L‘Oréal Deutschland |
Medipharma cosmetics Wimpern Booster Stimulator Serum |
Serum zum Auftragen auf die Haarwurzeln des oberen und unteren Wimpernkranzes | Dr. Theiss Naturwaren |
Zum Einnehmen | ||
Weleda Naturweisheit – Meine Haare, Wimpern & Nägel | Nahrungsergänzungsmittel (mit Biotin, Selen) |
Weleda |
Prostaglandine als Wachstumsverstärker
Prostaglandin-Analoga wie Bimatoprost und Latanoprost, die als Antiglaucomatosa eingesetzt werden, führen häufig bis sehr häufig zu Veränderungen wie einer erhöhten Anzahl von Wimpern, längeren und dickeren Wimpern, erhöhter Pigmentierung sowie fehlgerichtetem Wachstum. Derartige Veränderungen sind nach Absetzen der Behandlung reversibel. Die wachstumsfördernden Eigenschaften des Prostaglandin-Analogons Bimatoprost nutzte die Firma Allergan zur Entwicklung eines verschreibungspflichtigen Medikaments zur Behandlung der Hypotrichose (LatisseTM), das 2008 in den USA auf den Markt kam. Prostaglandin-Analoga sind auch in zahlreichen Wimpernseren enthalten, jedoch in deutlich geringeren Konzentrationen als bei diesem Arzneimittel sowie den Antiglaucomatosa. Da Wimpernseren als Kosmetikprodukte eingestuft werden, sind die Informationen zu den Nebenwirkungen der Prostaglandin-Analoga nur sehr allgemein gehalten. Beispielsweise fehlen konkrete Hinweise auf mögliche unerwünschte Wirkungen wie eine verstärkte Irispigmentierung, die irreversibel sein können. In Kanada sind Prostaglandin-Analoga in Kosmetika verboten worden. Die EU-Kosmetikverordnung enthält für diese Wirkstoffe noch keine gesonderte Regelung. Das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt Karlsruhe (CVUA) hat Wimpernseren untersucht, die online vertrieben werden. Die Proben enthielten neben Bimatoprost die Prostaglandin-Derivate Methyldihydronoralfaprostal, Cloprostenol-Isopropylester und Tafluprost-Ethylamid. In drei Produkten war Bimatoprost in arzneilich wirksamen Konzentrationen enthalten, ohne dass diese deklariert waren.
Weitere mögliche Wimpernschäden
Allergische Reaktion auf Augenkosmetika oder auch der übermäßige Gebrauch von Produkten wie Mascara, Wimpernzange oder Extensions können die natürlichen Wimpern ebenfalls schädigen. Extensions sind künstliche Wimpern, die an den natürlichen Wimpern befestigt werden. Zu den Risiken zählen allergische Reaktionen und die Beschädigung der eigenen Wimpern beim Anbringen oder Entfernen. Ungewöhnliche Farbänderungen – nicht nur der Wimpern – können auch infolge der Anwendung von Wimpern- und Augenbrauenfärbemitteln auftreten. So ist beispielsweise Mikrosilber aufgrund seiner antibakteriellen und entzündungshemmenden Eigenschaften häufig Bestandteil dieser kosmetischen Produkte. Ablagerungen in der Augenhornhaut und -bindehaut sind infolge ihrer Anwendung beobachtet worden. Auch bei beruflicher Exposition mit silberhaltigen Produkten ist dies denkbar.
Interessenkonflikte
Die Autorin gibt an, dass keine Interessenkonflikte bestehen.
Literatur
Alopecia areata: Patienten mit hoher Krankheitslast identifizieren. ÄrzteZeitung online vom 5. März 2024
Cohen JL. Enhancing the growth of natural eyelashes: the mechanism of bimatoprost-induced eyelash growth. Dermatol Surg 2010;36(9):1361–1371
Fachinformationen von Präparaten der genannten Wirkstoffe, www.rote-liste.de
Gerötete Auen, Schuppen an den Wimpern – vielleicht sind es Milben. ÄrzteZeitung online vom 26. April 2024
Guida M, Strippoli S, Maule M et al. Immune checkpoint inhibitor associated vitiligo and its impact on survival in patients with metastatic melanoma: an Italian Melanoma Intergroup study. ESMO Open2021; https://doi.org/10.1016/j.esmoop.2021.100064
Nebenwirkungen der Haut durch Therapien gegen Krebs. Symptome, Vorbeugung und Behandlungsmöglichkeiten, https://www.krebsinformationsdienst.de/nebenwirkungen-bei-krebs/hautprobleme, Stand 06. März 2024
Saßmannshausen M, Herwig-Carl MC, Holz FG et al. Okuläre Argyrose nach langjähriger Applikation von Wimpern- und Augenbrauenfarbe. Ophthalmologe 2022;119:962–965
Smith S, Fagien S, Whitcup SM et al. Eyelash growth in subjects treated with bimatoprost: a multicenter, randomized, double-masked, vehicle-controlled, parallel-group study. J Am Acad Dermatol 2012;66(5):801–806
Stahl V. Das kann ins Auge gehen. Okuläre Toxizität zielgerichteter Tumortherapeutika. DAZ 2021;19:42f
Webseiten der Hersteller der genannten Kosmetika
Wimpernseren – der perfekte Augenaufschlag. Prostaglandine als Wimpernwachstumsmittel, www.ua-bw.de/pub/beitrag.asp?subid=2&Thema_ID=4&ID=2755&Pdf=No&lang=DE, Stand 16. Juli 2018
Wimpernseren – Wundermittel für einen schönen Augenaufschlag? https://verbraucherfenster.hessen.de/gesundheit/vorsorge/wimpernseren-wundermittel-fuer-einen-schoenen-augenaufschlag, Abruf am 18. November 2024
Wimpern. https://medlexi.de/, Abruf am 18. November 2024
www.doccheck.com
Zenderowski V, Drexler K, Berneburg M et al. Depigmentierung der Wimpern bei einer Patientin mit metastasiertem Melanom. JDDG 2022, DOI: 10.1111/ddg.14806_g