Schließung der Schwanen-Apotheke in Jesberg

Ende einer Familientradition

Wenn Ende Februar 2025 die Schwanen-Apotheke im hessischen Jesberg für immer schließt, endet auch eine Familientradition. Trotz langer Suche wurde kein Nachfolger gefunden.

Ende einer Familientradition

„Zum 200-jährigen Jubiläum im Jahr 2019 haben wir hier ein richtiges Volksfest organisiert. Unter dem Motto ,Vom Handwerk zur Wissenschaft‘ wurde an mehreren Stationen altes Apothekerhandwerk gezeigt“, sagt Christian Rödel, 66 Jahre alt und Inhaber der Schwanen-Apotheke im nordhessischen 2100-Einwohner-Ort Jesberg, ungefähr in der Mitte zwischen Kassel und Marburg gelegen.
Zu diesem Zeitpunkt habe man noch nicht gewusst, dass die lange Tradition der Schwanen-Apotheke so bald enden würde. Doch nun Ende Februar sei „endgültig Schluss“, sagt der Apotheker. „Rechte Feierstimmung wird bei den Jesbergern sicher nicht aufkommen“, meint er – und so wird es, anders als 2019, nur eine kleine Abschiedsfeier im Kreis der Mitarbeiter und der Familie geben.
Über zwei Jahre lang hat der Apotheker nach einem Nachfolger gesucht, doch vergebens. „Kaum jemand wagt heute den Schritt in die Selbstständigkeit,“ sagt er. Bürokratie, hohes Arbeitsaufkommen, wirtschaftliche Angst und Sorge um die Online-Konkurrenz stehen dem oft entgegen. Das belegen auch Umfragen zur Selbstständigkeit unter angestellten Apothekern und Pharmaziestudierenden. „Seit dem Jahr 1851 ist die Schwanen-Apotheke im Besitz unserer Familie“, erklärt Rödel. Auch Sohn Philipp hat sich in die lange Familientradition eingereiht, arbeitet aber als Filialleiter einer Apotheke in Tübingen, in der er sich sehr wohl fühlt. Daher wird auch er die Schwanen-Apotheke nicht weiterführen.
Gegründet wurde die Apotheke bereits 1819. Und schon damals gab es „Warnungen“. „Es gibt ein Schreiben, in dem der damalige Landesherr den Gründer August Friedrich Krüger fragt, ob er sich ohne einen Arzt im Ort zutraut, eine Apotheke wirtschaftlich zu betreiben“, sagt Rödel.

„Wir beehren Uns hierauf ergebenst zu erwidern, daß Unserer Seits, wenn Supplicant glaubt, in Jesberg, wo noch zur Zeit weder ein Arzt noch Chirurgus wohnt, zu seiner Subsistenz hinreichend beschäftigt zu werden, gegen das Gesuch nichts einzuwenden ist….“

Schreiben des Landesherrn an den Apothekengründer aus dem Jahr 1819

„Wir beehren Uns hierauf ergebenst zu erwidern, daß Unserer Seits, wenn Supplicant glaubt, in Jesberg, wo noch zur Zeit weder ein Arzt noch Chirurgus wohnt, zu seiner Subsistenz hinreichend beschäftigt zu werden, gegen das Gesuch nichts einzuwenden ist….“, heißt es in dem noch vorhanden Dokument.
An der Wirtschaftlichkeit scheitert es heute nicht: „Die Apotheke steht gut da“, sagt Rödel. Heute gibt es sogar zwei Ärzte im Ort und die Apotheke
erfüllte bislang die Aufgaben einer Landapotheke in der 2000-Einwohner-Gemeinde im hessischen Schwalm-Eder-Kreis. Die nächsten Apotheken sind in den Nachbarorten jeweils rund zehn Kilometer weit entfernt zu finden.
„Die Arbeit in einer typischen Landapotheke unterscheidet sich deutlich von den Aufgaben in einer Stadtapotheke. 90 Prozent meiner Patienten kenne ich. In den 35 Jahren meiner Arbeit hier stand der persönliche Kontakt immer im Vordergrund“, sagt Rödel. 1990 hat er die Apotheke von seinem Vater übernommen und ist dafür aus Berlin wieder ins beschaulichere Jesberg gezogen. Dort will er auch bleiben, wenn die Apotheke geschlossen ist.
Auch mit bald 67 Jahren will er nicht ganz auf die Apothekenarbeit verzichten. „Für ein paar Stunden würde ich gern noch einige Jahre arbeiten. Das ist als Apothekenleiter aber nicht zu machen“, sagt er.

Mitarbeiterinnen in Nachbarorten ­untergekommen

Eine gute Chance schien zunächst eine Verpachtung. Ein Pächter wollte die Apotheke aber nur unter der Bedingung übernehmen, dass Rödel noch viele Dienste und Notdienste selbst übernommen hätte. „Ein klarer Schnitt war mir da lieber“, sagt er. Seitens der Gemeinde habe man lange gehofft, dass die Apotheke Bestandteil eines neu geplanten medizinisches Versorgungszentrums hätte werden können. Doch diese Pläne hätten sich zerschlagen, sodass die Schwanen-Apotheke ab Ende Februar nur noch Bestandteil der Dorfgeschichte sein wird – eine von mittlerweile vielen Apotheken in Deutschland, die ohne Nachfolger schließt. Rödels sechs Mitarbeiterinnen der Schwanen-Apotheke sind unterdessen in anderen Apotheken in den Nachbarorten untergekommen und werden von dort versuchen, ein Stück der Lücke zu schließen die die Schwanen-Apotheke in der Region hinterlässt.