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Interpharm 2016 – ApothekenRechtTag
Zwischen Kooperation und Korruption
Antikorruptionsgesetz ante portas
Berufsrecht als zentrale Bezugsnorm
Professor Dr. Dr. Hauke Brettel, Straf- und Medizinrechtler von der Universität Mainz, zeigte beim ApothekenRechtTag die zukünftigen strafrechtlichen Tatbestände korruptiven Verhaltens im Gesundheitswesen auf. Das – auch verfassungsrechtliche – Problem: der Bundesgesetzgeber verweist in seinem Entwurf an zentraler Stelle auf Berufspflichten, die ihrerseits häufig nur in (unterschiedlichen) landesrechtlichen Vorschriften oder in Berufsordnungen öffentlich-rechtlicher Körperschaften (z. B. der Ärzte- oder Apothekerkammern) konkretisiert werden. Entspricht eine solche „verweisende“ Strafrechtsnorm dem grundgesetzlich gebotenen Bestimmtheitsgrundsatz bei Strafrechtsnormen? Daran kann man Zweifel haben – und genau hier liegt für Brettel wie für viele andere die Crux. Die mangelnde Bestimmtheit ist auch der Grund, warum der Gesetzgebungsprozess zurzeit stockt. Eigentlich sollte das Gesetz schon Anfang des Jahres in Kraft treten. Nun wird es nach Einschätzung von Experten wohl Juni oder Juli 2016 werden.
Auslegungsspielraum nicht überdehnen
Doch damit nicht genug der „Verwirrung“. Dr. Elmar Mand, Experte im Gesundheitsrecht und Mitglied der Forschungsstelle für Pharmarecht der Universität Marburg, sieht die Gefahr, dass Staatsanwaltschaften und Strafgerichte das Berufsrecht, dieses „hypertrophe Dickicht von Standards“, aus ihrem Blickwinkel auch noch spezifisch strafrechtlich und damit abweichend von bisherigen Interpretationen auslegen. Wie seine Ko-Referenten appellierte deshalb auch Mand an Strafverfolgungsbehörden und Gerichte, sich auf die Einhaltung derjenigen Regeln zu fokussieren, die die Unabhängigkeit der Tätigkeit und Beratung des Apothekers schützen sollen. Bei einem solchen Ansatz wären dem Interpretationsspielraum dann durchaus Grenzen gesetzt. Mand: „Wenn etwas im Berufsrecht explizit und eindeutig als zulässig geregelt ist, kann das durch das Strafrecht nicht ausgehebelt werden.“
Geschäftsbeziehungen transparent gestalten
Bei der Überprüfung einer etwaigen Pflichtverletzung eines Vorteilnehmers (Bestochenen) wird die Zuwendungsbeziehung zwischen demjenigen, der den Vorteil gewährt, und demjenigen, der ihn annimmt, eingehend unter die Lupe genommen. Auch wenn es „auf dem Papier“ keine Unrechtvereinbarung gibt, so ist nicht auszuschließen, dass die Ermittlungsbehörden darin einen Anfangsverdacht korruptiven Fehlverhaltens sehen und Ermittlungsmaßnahmen in die Wege leiten. Bereits solche Maßnahmen können, zumal wenn sie in die Öffentlichkeit geraten, existenzgefährdend sein und für den Betroffenen weitreichende Belastungen mit sich bringen. Vor diesem Hintergrund unterstrichen sowohl Brettel als auch Mand die Notwendigkeit, „korruptionsrelevante“ Geschäftsvorgänge, wie etwa Vereinbarungen über Rabatte, Skonti oder ähnliches, offen und transparent zu gestalten. So könne man nicht in den „Geruch“ kommen, dass bei solchen Abmachungen doch eine Unrechtvereinbarung bestehe.
Der Grat ist schmal
Mand glaubt nicht, dass über jeder Kooperation der Apotheke mit einem Arzt oder Pharmaunternehmen in Zukunft automatisch das Damoklesschwert strafrechtlicher Verfolgung hängen müsse. So gefährde zum Beispiel nicht jeder Verstoß gegen das Arzneimittelpreisrecht direkt die Unabhängigkeit. Gleichwohl warnte er vor erhöhten Rabatten zu einzelnen Arzneimitteln – auch sie können in Zukunft strafrechtlich relevant sein: „Immer wenn Sie sich dazu verpflichten, die Beratung speziell auf diese Arzneimittel auszulegen, sind Sie dran.“ Den „sicheren Hafen“ dessen, was auf jeden Fall zulässig ist, hält Mand für eng begrenzt. Ansonsten sei der Grat zwischen Kooperation, die nach wie vor zulässig und auch erwünscht ist, und Korruption schmal.
Kein Grund zur Panik
Rechtsanwalt Dr. Christian Tillmanns sieht dies ähnlich. Der Münchner Apotheken- und Arzneimittelrechts-Experte spannte einen Bogen möglicher Kooperationen vom Entlassmanagement Krankenhaus/Apotheke über die Zytostatikaversorgung nach § 11 Abs. 2 ApoG bis zu sonstigen Kooperationsformen, z. B. im Zusammenhang mit der integrierten Versorgung. Solche Kooperationsformen sind gesetzlich „geadelt“ und auch in Zukunft nicht nur rechtlich zulässig, sondern auch gesundheitspolitisch erwünscht. Aber wie steht es zum Beispiel in Zukunft mit der strafrechtlichen Beurteilung der Vermietung von Räumlichkeiten an Ärzte im gleichen Haus wie die Apotheke, wenn sich die Miete beträchtlich unterhalb einer marktüblichen Miete bewegt? Und welche Konsequenzen kann die Vermietung von Regelflächen in der Apotheke haben?
Patentrezepte, was in Zukunft grundsätzlich erlaubt ist und was nicht, gibt es nicht. Viel hängt vom Einzelfall ab. Das klingt zwar wenig hilfreich, aber für Tillmanns besteht dennoch kein Grund zur Panik. Wichtig sei es, die notwendige Sensibilität und das erforderliche Problembewusstsein zu entwickeln. „Ich möchte nicht schwarzmalen,“ brachte Tillmanns seine Auffassung auf den Punkt, „aber man sollte in Zukunft bei dem, was man tut, mit Augenmaß vorgehen.“
Enger Zusammenhang zwischen Berufs- und Strafrecht
Das Fazit der Veranstaltung: Das neue Korruptionsstrafrecht ist in engem Zusammenhang mit dem jeweils geltenden Berufsrecht zu sehen. Was berufsrechtlich erlaubt ist, kann strafrechtlich nicht sanktioniert werden. Auch ist nicht jeder Verstoß gegen das Berufsrecht per se strafrechtlich relevant. Der Begriff des Berufsrechts ist allerdings weit zu verstehen. Er erfasst auch allgemeine gesetzliche Regelungen, die die Unabhängigkeit des Apothekers spezifisch schützen sollen (z. B. § 10 ApoG, § 7 HWG). |
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