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Interpharm online 2021
COVID-19: Perspektiven der Impfung und der Therapie
Ein Update der Strategien
Sind Impfungen bei Schwangeren sicher?
Nach amerikanischen Surveillance-Daten zeigte der Biontech/Pfizer-Impfstoff bei Schwangeren im zweiten unddritten Trimester eine ähnlich gute Reaktogenität wie bei Nichtschwangeren und wurde auch gleich gut vertragen. Insbesondere gab es keine erhöhten Raten von Früh- oder Fehlgeburten. Da andererseits bei Schwangeren ein leicht erhöhtes Risiko für schwere COVID-19-Verläufe besteht, ist zu erwarten, dass eine Impfempfehlung für das dritte Trimester in absehbarer Zeit kommen wird, wie z. B. in Australien, UK und Österreich schon geschehen. Impfinduzierte Antikörper gegen Sars-CoV-2 erscheinen nicht in der Muttermilch, gehen aber diaplazentar auf das Ungeborene über, so dass von einem Nestschutz auszugehen ist. Bei den Kindern selbst werden schwere Verläufe von COVID-19 sehr selten gesehen, so dass in dieser Bevölkerungsgruppe primär der Herdenschutz für eine Impfung spricht, weniger der Individualschutz. Noch zu untersuchen sei, ob nicht altersabhängig die Impfdosis reduziert werden könne bzw. müsse.
Sollten uns Mutationen Sorgen bereiten?
Viren haben keine Nationalität, aber die „britische“ Variante B1.1.7 ist ein schlagendes Beispiel, wie sich eine „fittere“ Mutation durchsetzt: Seit Ende März herrscht sie in Deutschland zu 99% vor. Auch wenn unter dem Druck einer steigenden Immunität in Populationen weitere Escape-Mutationen denkbar sind, macht sich Sander diesbezüglich „nicht so große Sorgen“: Mutationen passierten immer und seien eher infolge einer natürlichen Infektion zu beobachten, bei der die Immunantwort sehr viel heterogener ausfalle als nach einer Impfung. Nach bisherigem Wissen führen zumindest mRNA-Impfstoffe zu einer Grund- und einer zellulären Immunität, die vor schweren Verläufen „auch bei trickreicher mutierenden Viren“ schützen sollte. Das gelte auch für Teil-Geimpfte. Im Übrigen seien mRNA-Impfstoffe in Entwicklung, Herstellung und auch bezüglich der Zulassung relativ schnell anpassbar. Gerade habe ein modifizierter Moderna-Impfstoff eine gute Wirksamkeit gegen die brasilianische Variante (B1.1.28/P1) von SARS-CoV-2 gezeigt.
Sars-CoV-2-Impfstoffe als Nasenspray oder Pflaster?
Der Hauptübertragungsweg für SARS-CoV-2 ist die respiratorische Aufnahme virushaltiger Partikel über die oberen Atemwege. Liegt es da nicht nahe, die Immunität dort zu erzeugen, wo das Virus eindringen will, nämlich in der Atemwegsschleimhaut? Ja, erklärte Sander: Lokal applizierte Vakzinen gegen Sars-CoV-2 könnten in der Schleimhaut die Bildung sowohl von IgA-Antikörpern als auch von T-Gedächtniszellen anregen. Das habe u. a. eine publizierte Studie gezeigt, bei der Mäuse eine einmalige intramuskuläre vs. intranasale Dosis einer Vektorvakzine erhielten (Hassan AO et al. Cell 2020;183:169-184). Über die bei der i.m.-Applikation erreichte Verhinderung einer Pneumonie hinaus schützte die nasale Gabe vor jeglicher Infektion der oberen wie unteren Atemwege und erzeugte ein sterile Immunität. „Vektorimpfstoffe kann man wunderbar nasal geben“, sagte Sander. Der Ansatz werde durchaus verfolgt, der Umsetzung stehe derzeit entgegen, dass sich mit den aktuellen i.m.-applizierten Vakzinen rasch ein anderes effektives Prinzip etabliert habe.
Ein weiterer vielversprechender Weg stellten Patches dar, die in der mit Immunzellen ja reich ausgestatteten Haut eine Sensibilisierung bewirken können. Die nadelfreien Applikationswege hätten zudem bei manchen Menschen den Vorteil, die Impfakzeptanz zu erhöhen.
Ist ein Impfintervall von nur vier Wochen bei Vaxzevria sinnvoll?
Mit Blick auf Sommer und Urlaub haben die Gesundheitsminister von Bund und Ländern am 6. Mai für AZD1222 sowohl die Priorisierung aufgehoben als auch eine „erhöhte Flexibilität“ im Festlegen des Zeitintervalls zwischen beiden Impfdosen eingeräumt. Sprich: Die zweite Dosis darf bereits nach vier Wochen gegeben werden. Dieses Vorgehen ist umstritten. Bisher bleibt die STIKO bei ihrer Empfehlung des Abstands von zwölf Wochen für die Altersgruppe über 60 Jahre. Zwar ist Vaxzevria von der europäischen Arzneimittelbehörde für ein Impfintervall zwischen vier und zwölf Wochen zugelassen. Aber nach den bisher publizierten Studien wird bei einem Abstand von zwölf Wochen zwischen den beiden Impfdosen mit 81% ein besserer langfristiger Schutz nach Erhalt beider Impfdosen erreicht als bei einem Impfabstand von unter sechs Wochen mit 55% (Voysey M et al. Lancet 2021,397, 881-891). Dem hielt Prof. Dr. Leif-Erik Sander die noch vorläufigen Daten einer Phase-III-Studie aus den USA entgegen. Laut der entsprechenden Pressemitteilung von AstraZeneca vom 25. März 2021 liegt bei einem vierwöchigen Intervall zwischen den Impfungen der Schutz vor einer symptomatischen Erkrankung bei 76%, bei über 65-Jährigen sogar bei 85%. Das entspreche etwa der Effektivität bei dem längeren Impfintervall und auch der Wirksamkeit der Einmalimpfung mit der COVID-19-Vakzine Janssen (Johnson & Johnson). Unterm Strich sprach sich Sander für das verkürzte Impfintervall bei AZD1222 aus, zumal bei einer Impfkampagne psychologische Aspekte ein Rolle spielten: „Wenn wir möglichst viel Impfstoff für die Erstimpfung einsetzen, kommen wir schneller voran.“
Welche therapeutischen Optionen bestehen – welche kommen?
Die durchschlagenden Erfolge der COVID-Vakzinen sind bisher auf dem Feld der Therapie weitgehend ausgeblieben. Mangels reifer Neuentwicklungen dominiert das „Drug Repurposing“ von Medikamenten mit bekanntem Wirk- und Sicherheitsprofil. Paradebeispiel ist Dexamethason. Das Corticoid senkt die Mortalität bei schwer Erkrankten, die Sauerstoff benötigen, und ist hier mittlerweile weltweit Therapiestandard.
Als eine unterschätzte und auch in Fachkreisen zu wenig bekannte Option hob Sander monoklonale Antikörper zur Neutralisation des Coronavirus hervor. „Remdesivir kennt jeder Mensch und die Effekte sind marginal, aber die hochwirksamen monoklonalen Antikörper sind kaum bekannt“, sagte der Immunologe. In Deutschland sind für den Compassionate Use (Einsatz von noch nicht zugelassenen Arzneimitteln in besonderen Härtefällen) Antikörper von Regeneron (Casirivimab/Imdevimab) und Eli Lilly (Bamlanivimab) verfügbar. In der Frühphase der Infektion infundiert, könnten sie nach Sanders Worten die Replikation von Sars-CoV-2 drastisch hemmen und schwere Verläufe zu 80 bis 90% verhindern. Somit könnten zahlreiche Hospitalisierungen und Intensivbehandlungen vermieden werden. Das Problem bestehe derzeit einerseits in fehlenden Zulassungen, andererseits in der Logistik, da die vom Bundesgesundheitsministerium gekauften 200.000 (!) Antikörper-Dosen nur an Krankenhäuser ausgeliefert werden. Die Zielgruppe für die frühzeitig einzusetzende Therapie sind jedoch ambulante Patienten, insbesondere ungeimpfte Risikopatienten höheren Alters. „Wenn diese mit einer COVID-19-Erkrankung in die Klinik kommen, sind sie gar nicht mehr geeignet“, sagte Sander. Es laufen Verhandlungen mit den kassenärztlichen Vereinigungen über Zuweisungen an die Hospitäler, um Patienten und Therapie über niedergelassene Ärzte zusammenzubringen. Praktiziert wird dies bisher nur punktuell, so hat die Berliner Charité eine Ambulanz für die Antikörpertherapie eingerichtet.
Therapieoptionen, die sich in späteren Erkrankungsphasen anbieten, sind gegen Interleukine gerichtete Antikörper (IL-6) sowie Antikörper gegen GMCSF (Granulozyten-Makrophagen-Kolonie-stimulierender Faktor). GMCSF triggert Entzündungsreaktionen, die bei COVID-19-Erkrankung zum akuten Lungenversagen führen können. „Es ist wichtig ist, solche Tools für die Therapie künftig in der Hand zu haben, denn wir werden wieder Wellen haben, in denen manche Menschen schwer erkranken,“ sagte Professor Sander. |
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