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Pharmako-endogen!
Botenstoff Dopamin – Freude, Lust und Motivation
Dopamin beeinflusst wichtige Aspekte unserer Persönlichkeit wie die Reaktion auf Belohnung, zielgerichtete Motivation, Lernen und Gedächtnisbildung, aber auch die Empfindung von Freude oder die Koordination motorischer Abläufe. Chronischer Schmerz, chronischer Stress, Missvergnügen oder Suchtverhalten gehen einher mit Störungen des Dopamin-Systems im Gehirn. Während Serotonin „an allem beteiligt, aber für nichts verantwortlich ist“ [Herdegen 2022], ist der Einfluss von Dopamin so groß, so dass bei Dysfunktionalitäten die Psyche und Emotionen sich verändern können.
Lernziele
In diesem Beitrag erfahren Sie unter anderem:
- welche physiologische Rolle Dopamin spielt
- wie das zentralnervöse Dopamin-System aufgebaut ist und funktioniert
- welche pharmakologisch relevanten Angriffspunkte im Dopamin-System bestehen
- was die zentralen Dopamin-Wirkungen und ihre Bedeutung für neurologische und psychiatrische Störungen sind
- welche Wirkungen und Nebenwirkungen von dopaminergen Arzneistoffen bekannt sind
Neurobiologische Grundlagen des Dopamin-Systems
Synthese und synaptisches Leben von Dopamin
Erstmalig isoliert und beschrieben wurde das biogene Amin Dopamin 1957. Sein Name setzt sich zusammen aus „Dopa“ und „Amin“, wobei das Präfix „Dopa“ ein Akronym aus 3,4-Dihydroxyphenethylamin ist. Seine erste große Sternstunde hatte Dopamin, als der österreichische Pharmakologe Oleh Hornykiewicz einen Mangel an Dopamin als ursächlich für die Symptome des Morbus Parkinson erkannte (geschichtlicher Abriss bei [Hornykiewicz 2006]).
Syntheseweg. In Analogie zum Serotonin nimmt der Syntheseweg von Dopamin seinen Ausgang von einer essenziellen Aminosäure, hier L-Phenylalanin (Abb. 1). Essenzielle Aminosäuren als Synthese-Ausgangspunkt ersparen dem Gehirn deren aufwendige Produktion, aber macht es auch abhängig von einer Zufuhr über die Nahrung. Jedoch ist ein Phenylalanin-Mangel seltener als ein Mangel an Tryptophan, der Ausgangsaminosäure für die Bildung von Serotonin. Mittels Phenylalanin-Hydroxylase (PH) wird Tyrosin gebildet, dieses via Tyrosin-Hydroxylase zu L-Dopa (Dihydroxyphenylalanin) metabolisiert. L-Dopa ist die Vorstufe (Präkursor) von Dopamin. Um die Dopamin-Rezeptoren zu stimulieren, muss L-Dopa via L-Dopa-Decarboxylase (DDC) zu Dopamin umgewandelt werden. Mit dem Dopamin endet jedoch der Dopamin-Stoffwechsel nicht. Denn Dopamin ist auch ein Zwischenprodukt für die Synthese von Noradrenalin und Adrenalin, hierbei sind die Enzyme Dopamin-β-Hydroxylase (DBH) und Phenylethanolamin-N-Methyltransferase (PNMTase) beteiligt, sowohl im Gehirn wie in den chromaffinen Zellen des Nebennierenmarkes.
Dopamin-Transporter. Wie die meisten Transmitter wird Dopamin in der Präsynapse in Vesikeln gespeichert und unter Aktionspotenzial-getriebenem Calcium-Ionen-Einstrom freigesetzt. Beendet wird die synaptische Aktion von Dopamin durch den Dopamin-Wiederaufnahme-Transporter (Dopamin-Reuptake-Transporter, DAT), ein pharmakodynamisches Ziel des Antidepressivums Bupropion) (Tab. 1). Der Dopamin-Wiederaufnahme-Transporter befindet sich überall da, wo die Dopamin-Rezeptoren sind, das heißt auf dem neuronalen Zellkörper sowie auf Axonen und Dendriten. In der Präsynapse wird Dopamin entweder abgebaut oder es gelangt über den vesikulären Monoamintransporter (VMAT-2) wieder in die Speichervesikel. Die Spezifität der Bioamin-Transporter ist übrigens gering, die Reuptake-Transporter greifen sich das Amin, das gerade in Reichweite ist.
Moleküle /Enzyme / Strukturen | Aufgabe / Besonderheit | Bedeutung als pharmakologisches Ziel |
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L-Phenylalanin |
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Phenylalanin-Hydroxylase |
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Tyrosin-Hydroxylase |
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L-Dopa-Decarboxylase |
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vesikulärer Monoamintransporter (VMAT-2) |
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Dopamin-Wiederaufnahme-Transporter (DAT) |
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Monoaminooxidase B (MAO-B) |
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Catecholamin-O-Methyl-Transferase (COMT) |
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Abbau. Den Abbau, das heißt die Generierung von inaktiven Metaboliten, realisiert die Monoaminooxidase B (MAO-B) (in geringem Ausmaß auch MAO-A) in den Mitochondrien und die Catecholamin-O-Methyl-Transferase (COMT), die im präfrontalen Kortex stark exprimiert ist. Demgegenüber ist die Metabolisierung von L-Dopa bzw. Dopamin durch die L-Dopa-Decarboxylase bzw. Dopamin-ß-Hydroxylase kein Abbau im eigentlichen Sinne, da hierbei die aktiven Moleküle Dopamin bzw. Noradrenalin generiert werden.
Neurotransmission
Neben der klassischen Neurotransmission (Stimulation postsynaptischer Rezeptoren) wirkt Dopamin über die sogenannte volume transmission, bei der Dopamin mittels Diffusion (sozusagen parakrin) Neuronen und Gliazellen stimuliert, die nicht postsynaptisch lokalisiert sind; genauer gesagt, die stimulierten Dopamin-Rezeptoren befinden sich außerhalb der synaptischen Endigung. Durch dieses „Bad in Dopamin“ wird eine Art dopaminerger Tonus im Gehirn erreicht.
Dopaminerge Neurone sind prädestiniert für eine intensive Signalweiterleitung: Ein dopaminerges Neuron kann mehrere Tausend Neurone im Striatum stimulieren bzw. ein striatales Neuron wird von mehreren Hundert dopaminergen Neuronen bzw. Afferenzen stimuliert.
Kerngebiete der Dopamin-Synthese und des dopaminergen Tonus
Im Gegensatz zu Serotonin oder Noradrenalin wird Dopamin in mehreren größeren Kerngebieten im Gehirn synthetisiert, die mit A8 bis A14 klassifiziert werden (erste immunhistochemische Darstellung durch Annica Dahlström und Kjell Fuxe, 1964) und auf spezifischen Bahnen zu ihren Zielgebieten projizieren (Abb. 2) (Tab. 2).
Die Zahl und auch die Lokalisation der dopaminergen Neurone wird anhand der Expression der Tyrosin-Hydroxylase (TH) bestimmt, dem Schrittmacherenzym der Dopamin-Synthese. Die Zahl liegt naturgemäß immer zu hoch, da Neuronen mit Tyrosin-Hydroxylase neben Dopamin auch Noradrenalin oder Adrenalin produzieren können. Mäuse haben 20.000 bis 30.000 TH-positive Neuronen, Ratten 45.000, Affen 110.000 bis 220.000 und Menschen 230.000 bis 430.000. Die dopaminergen Neuronen haben sich in der späten Evolution sprunghaft vermehrt, was die Bedeutung dieses Transmitters für die Phylo- und Ontogenese des Menschen unterstreicht (Tab. 2).
Kerngebiet (Auswahl)*,*** | Projektionsbahn*, ** | Zielgebiet (Auswahl)*,*** | Funktion |
---|---|---|---|
A8, retrorubrales Feld (RRF)** | Amygdala, Ncl. accumbens, Hippocampus, Striatum | Modulation von Angst und Aversion | |
A9, Substantia nigra pars compacta (SNC)** | mesostriatal/ nigrostriatal | Basalganglien (Striatum), Amygdala, Kortex, Ncl. subthalamicus | Bewegung auf Umweltreize |
A10, ventrales Tegmentum (VTA)** | mesolimbisch/ mesocortical | Ncl. accumbens, präfrontaler Kortex, Hippocampus | Motivation, Belohnung, Suchtverhalten |
A11, posteriorer Hypothalamus | absteigend | Hinter- und Vorderhorn aller Rückenmarkssegmente | Modulation sensorischer und motorischer Aktivitäten D1-Rezeptor: proalgetisch, D2-Rezeptor: analgetisch |
A12, Ncl. arcuatus (Hypothalamus) | Fasern im Tractus infundibularis | Hypophyse | Unterdrückung der Prolaktin-Sekretion |
A13, Zona incerta (Subthalamicus) | periaquäduktales Grau, Amygdala, Hypothalamus; sup. Colliculus | Modulation von Schmerzen, Angst und Furcht sowie von visuellen Prozessen | |
weitere Kerngebiete (A14 bis A17): A14, anteriorer periventrikulärer Hypothalamus; A16, olfaktorischer Bulbus; A17, Retina Das Kerngebiet A15 exprimiert zwar die Tyrosinhydroxylase, aber es ist kein Dopamin nachweisbar | |||
* Die Neuroanatomie der dopaminergen Projektionen differiert substanziell zwischen den Spezies, die Projektionsbahnen beim Menschen können von Ratten oder Affen deutlich divergieren. Dopamin ist nicht der einzige Transmitter in diesen Bahnen. ** Die Projektionsbahnen können sich stark überlappen, sie werden auch als ventraler mesencephaler dopaminerger Komplex bezeichnet. *** Abbildung 3 zeigt die topografisch exakte Organisation von dopaminergen Neuronen im Mittelhirn und von ihren Zielgebieten im präfrontalen Kortex. |
Die Dopamin-Rezeptoren
Im Gegensatz zu den Serotonin-Rezeptoren ist das System der Dopamin-Rezeptoren wesentlich einfacher, es umfasst fünf Rezeptoren, die in die Rezeptor-Familie D1 mit den D1- und D5-Rezeptoren und die D2-Rezeptor-Familie mit D2-, D3-, D4-Rezeptoren unterteilt wird. Alle Dopamin-Rezeptoren gehören zur Superfamilie der G-Protein-gekoppelten Rezeptoren. Die Expression aller Dopamin-Rezeptoren unterliegt genetischen Polymorphismen und Splicing-Prozessen und können mit klinischen Phänotypen korreliert werden wie riskantes Verhalten [Franco 2021]. Es gibt eine Vielzahl von Heterokomplexen zwischen Dopamin-Rezeptoren und auch mit Adenosin-Rezeptoren (A1, A2A), Histamin-Rezeptoren (H3) oder Noradrenalin-Rezeptoren. Durch diese Heterodimerisierung wird mit wenigen Proteinen eine große Wirkungsvielfalt erzielt.
D1-Rezeptor-Familie
Die D1-Rezeptoren und D5-Rezeptoren erhöhen über stimulierende G-Proteine (Gαq und Gαs/olf) die Aktivität der Adenylatcyclase und damit die vermehrte Bildung von cAMP, das als Second Messenger z. B. über die cAMP-abhängige Proteinkinase zahlreiche Zellfunktionen steuert [Martel 2020, Jones-Tabanah 2022].
D1-Rezeptor. Der D1-Rezeptor wird von allen Dopamin-Rezeptoren am häufigsten exprimiert. Störungen des D1-Rezeptor-Signalings finden sich bei ADHS, Schizophrenie, Parkinson und Suchtkrankheiten. Ausgeprägt ist seine Fähigkeit zur Heterodimerisierung, wie mit dem NMDA-Rezeptor, wodurch Dopamin an Prozessen der Langzeitpotenzierung beteiligt ist.
Tonisch versus pulsatil. D1-Rezeptoren können kürzeste, im Millisekundenbereich liegende Impulse aufnehmen und darauf mit langanhaltenden Signalen reagieren (inklusive Genexpression, wodurch ein Millisekunden-Impuls in ein permanentes „Protein-Engramm“ umgesetzt wird) – wieder eine Korrelation zwischen Verhalten und Molekulargenetik: Ein Geistesimpuls (Gedanke, Gefühl, Idee) wird über einen Aktionspotenzial-Impuls permanent. Kortikale Neurone mit D2-Rezeptoren reagieren dagegen erst auf lang andauernde Stimulation. Relevant ist auch die Fähigkeit striataler Neurone zu schnellen neuronalen Entladungen (bursts, 15 Hz) mit intensivster Stimulation präfrontaler Neurone.
neurochemische Einordnung |
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Orte der Bildung |
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Aktivität | Start |
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Beendigung |
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Abbau |
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Rezeptoren |
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Wirkung | Zentralnervensystem |
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vegetatives Nervensystem |
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D5-Rezeptor. Der D5-Rezeptor ist oft mit D1-Rezeptoren koexprimiert und scheint auch ähnliche Wirkungen zu besitzen. Eine klinisch relevante selektive Wirkung ist die Kontrolle cholinerger Interneurone im limbischen System.
Pharmakologie. Die D1- und D5-Rezeptoren spielen eine wichtige Rolle für gesunde Hirnfunktionen. Ein besonderes Therapieziel ist die L-Dopa-induzierte Dyskinesie (LID), diese schwere Nebenwirkung tritt bei 50 bis 80% der Parkinson-Patienten unter langer L-Dopa-Therapie auf. D1-Rezeptor-Stimulation könnte die L-Dopa-induzierte Dyskinesie abschwächen. D1-/D5-Agonisten wie Tavapadon zeigen in Phase-III-Studien mit Parkinson-Patienten bei guter Verträglichkeit positive Effekte, eventuell sind sie auch wirksam bei kognitiven Defiziten bei Schizophrenie.
D2-Rezeptor-Familie. Diese Familie, die die Rezeptoren D2, D3 und D4 umfasst, ist die pharmakologisch bedeutendste, denn hier greifen die Neuroleptika und Antiparkinson-Mittel an (Tab. 3). Im Gegensatz zur D1-Rezeptor-Familie sind D2-, D3- und D4-Rezeptoren Gi/o-gekoppelt, aktivieren in Neuronen Kaliumkanäle und hemmen neuronale spannungsabhängige Ca2+-Kanäle sowie die Adenylylcyclasen und reduzieren die intrazellulären cAMP-Spiegel [Martel 2020]. Dopamin hat eine 10- bis 100fach größere Affinität für D2- als für D1-Rezeptoren. So vermitteln D2-Rezeptoren im Kortex die basale tonische Aktivität, während D1-Rezeptoren nur durch bursts erregt werden.
Zielmolekül | Wirkung | Wirkstoffklasse und Hauptvertreter | pharmakologischer Stellenwert der Wirkstoffgruppe* |
---|---|---|---|
Dopamin-Wiederaufnahme-Transporter (DAT) | Inhibition | Noradrenalin- und Dopamin-Wiederaufnahmehemmer (NDRI): Bupropion | erste Wahl bei Depression, unter anderem bei Freudlosigkeit |
Monoaminooxidase B (MAO-B) | Inhibition | MAO-B-Inhibitoren: Rasagilin, Selegilin, Safinamid | Unterstützung der L-Dopa-Therapie bei M. Parkinson, Verlängerung der On-Zeit |
Catecholamin-O-Methyl-Transferase (COMT) | Inhibition | COMT-Inhibitoren: Tolcapon, Entacapon, Opicapon | Unterstützung der L-Dopa-Therapie bei M. Parkinson, Verlängerung der On-Zeit |
D1/5-Rezeptor | Agonismus | Tavapadon | Phase III bei M. Parkinson; kognitive Störungen bei Schizophrenie |
D2-Rezeptor | Agonismus | Ropinirol, Piribedil, Apomorphin | erste Wahl bei Parkinson; Restless Legs; Abstillen |
Antagonismus | Neuroleptika: Haloperidol, Quetiapin | erste Wahl bei Schizophrenie; gut wirksam gegen Positiv-Symptome; Delir, Agitation | |
Antiemetika und Prokinetika: Domperidon, Metoclopramid | Übelkeit, Erbrechen | ||
D3-Rezeptor | Agonismus | Pramipexol (neben D2-Rezeptor-Hemmung) | erste Wahl bei Parkinson |
Partial-Agonismus | Cariprazin | eventuell Verbesserung der Negativsymptomatik bei Schizophrenie | |
D4-Rezeptor | Antagonismus | Clozapin (neben D2-Rezeptor-Hemmung) | erste Wahl bei Schizophrenie |
* Die Indikationen gelten nicht für alle Wirkstoffe der Gruppe, teilweise sind sie off label. Es geht hier um den Einsatzbereich im Allgemeinen. |
D2-Rezeptor. Es sind Splice-Varianten des D2-Rezeptors beschrieben (24 Aminosäuren Unterschied), die zu kurzen und langen D2-Isoformen führen. Die Kurzform hemmt als präsynaptischer Auto-Rezeptor die Freisetzung von Dopamin (analog zum a2-Adreno-Rezeptor oder 5-HT1A-Rezeptor).
Pharmakologie. Der D2-Rezeptor ist Zielmolekül der Neuroleptika und von Antiparkinson-Mitteln sowie von Antiemetika.
D3-Rezeptor. Der D3-Rezeptor kann mit nicotinergen Acetylcholin-Rezeptoren oder D1-Rezeptoren heterodimerisieren; auch er wirkt als präsynaptischer Auto-Rezeptor.
Pharmakologie. Die individuelle Hemmung von D3-Rezeptoren (wie von D4-Rezeptoren) kann die differenzielle Wirkung von Neuroleptika, vor allem Atypika erklären helfen. Der präferenzielle D3-Rezeptor-Partialagonist Cariprazin stabilisiert möglicherweise via D3-Rezeptor die dysfunktionalen NMDA-Wirkungen und bessert die Negativsymptome [Ivanow 2022].
D4-Rezeptor. Es gibt ca. 20 Varianten des D4-Rezeptors, die sich von 27 Haplotypen ableiten.
Pharmakologie. Die atypische Wirkung von Clozapin wird auch mit der D4-Hemmung begründet. Es gibt keine selektiven D4-Rezeptor -Modulatoren.
Wissenswertes zu Nebenwirkungen dopaminerger Arzneistoffe
Agonisten von D2-Rezeptoren
- Halluzinationen, Wahnvorstellungen, Suchtverhalten, Impulskontrollstörungen. Diese psychotischen Symptome bzw. Verhaltensstörungen treten häufig bei Parkinson auf (iatrogen und endogen bedingt). „Dopamin-Junkies“ benötigen hohe dopaminerge Dosierungen, es sind meist jüngere Parkinson-Patienten mit psychischen Komorbiditäten.
- Vasodilatation. Die orthostatische Dysregulation erhöht bei Parkinson das Sturzrisiko.
- Übelkeit, Erbrechen. Vor allem zu Beginn einer Parkinson-Therapie, das dann nachlässt. Als Antiemetikum ist Metoclopramid zu vermeiden, da es die Parkinson-Symptomatik verschlimmern kann.
Antagonisten von D2-Rezeptoren
- motorische Störungen. Das extrapyramidale Syndrom (EPS) ist besonders ausgeprägt bei den Neuroleptika, deren Wirkung vor allem mittels D2-Hemmung realisiert wird oder die nicht die muskarinerge Acetylcholin-Rezeptoren hemmen (Haloperidol, Fluphenazin etc.).
- Hyperprolaktinämie. Atypika verursachen eine geringere Hyperprolaktinämie als konventionelle Neuroleptika; damit verbunden sind auch weniger endokrin-sexuelle Störungen.
- kognitiv-affektive Störungen. Neuroleptika, vor allem die konventionellen, können durch ihren D2-Rezeptor-Antagonismus die Negativsymptomatik verstärken.
Die Funktion von Dopamin im Gehirn
Präludium – der präfrontale Kortex, hier wird der Mensch zum Individuum
Die bedeutendste Rolle – vielleicht sogar eher aus psychologisch-sozialer denn aus rein biologischer Sicht der Arterhaltung per se – spielt Dopamin im präfrontalen Kortex, der hier für die nachfolgenden Abschnitte näher beschrieben werden soll (Abb. 3). Für manche Neurowissenschaftler ist der präfrontale Kortex das wichtigste Produkt der menschlichen Evolution – und Dopamin ist da mittendrin, was es so bedeutsam, aber bei Dysfunktion auch so krankheitsfördernd macht.
Der präfrontale Kortex füllt fast ein Drittel der gesamten Großhirnrinde aus und ist die Grundlage für ein gut funktionierendes geistiges Leben – sowohl für den Einzelnen als auch für seine Rolle in der Gesellschaft – einschließlich moralischer Überlegungen. Hier werden Kognition und Emotionen miteinander verknüpft, das heißt es gibt keine Trennung beider Größen! Auch deshalb gehen unter Umständen affektive Störungen mit kognitiven Symptomen einher. Berühmt ist der Fall des englischen Eisenbahnarbeiters Phineas Gage, dem 1848 eine Eisenstange den präfrontalen Kortex durchbohrte und der danach in seinem emotional-sozialen Verhalten völlig verändert war (spannende Darstellung des Falles bei [Kandel 2014]).
Der präfrontale Kortex erinnert uns an unsere Pläne, gestaltet mit Kreativität Handlungsentwürfe in Abstimmung mit unseren inneren Zielen, plant kohärente Entscheidungen und – von größter sozialer Bedeutung – reflektiert die soziale wie moralische Relevanz unseres Tuns. Neuroanatomische Grundlagen dafür sind unter anderem die enge Vernetzung mit dem Thalamus und der Amygdala.
Beispiel Arbeitsgedächtnis
Das Arbeits- oder Kurzzeitgedächtnis speichert Informationen für kurze Zeit (Sekunden bis Minuten) in Abwesenheit von externen (informationsunterstützenden) Reizen, wie die Memorierung einer Telefonnummer, bevor sie schriftlich fixiert wird. Dopamin im (wahrscheinlich dorsolateralen) präfrontalen Kortex ist essenziell für diese Gedächtnisleistung [Ranganath 2016]. Die Depletion von Dopamin oder D1-Antagonisten stören massiv diese Gedächtnisarbeit, ebenso wie Müdigkeit und Stress. Wobei Stress wahrscheinlich auch in der Folge eines erhöhten Dopamin-Tonus auftreten kann, so dass sich ein zu viel wie ein zu wenig an Dopamin auf die Gedächtnisleistung bemerkbar machen kann.
Beispiel Schmerzhemmung
Die Freisetzung von Dopamin aus der Substantia nigra pars compacta und dem ventralen Tegmentum im Striatum und Nucleus accumbens dient auch der Kontrolle von Schmerzempfindung. Dopamin verhindert dabei auch eine (allzu) aversive Bewertung des nozizeptiven sensorischen Inputs ins Gehirn. Bei chronischem Schmerz ist dieses Kontrollsystem verändert und geschwächt – einschließlich morphologischer Zeichen von neuronaler Degeneration. Der hypodopaminerge Zustand trägt zur chronischen Schmerzempfindung bei, bis hin zum Total Pain Syndrome – einer umfassenden negativen Empfindung des Seins [Ziolkowska 2021]. Analgetika und Cannabinoide können diesen hypodopaminergen Status verbessern, was zum multimodalen Therapieerfolg beiträgt.
Beispiel riskantes Verhalten
Das mesolimbische dopaminerge System ist essenziell für unser Risikoverhalten. Störungen (hypo- wie hyperaktiv) finden sich bei vielen psychiatrischen Syndromen [Piantadosi 2021]. Dabei geht es unter anderem um Ausschaltung von möglicher Bestrafung oder von Missachtung von Bestrafung. Belohnung durch riskantes Verhalten liegt auch dem Suchtverhalten zugrunde. Das psycho-physiologische Konzept beschreibt der Reward-Prediction-Error (RPE), das ist die Differenz zwischen einem erwarteten und dem tatsächlich eingetretenen Ergebnis einer Aktion. Das Ergebnis kann dabei besser oder schlechter sein. Ein Zuviel an Dopamin führt dazu, dass wir mögliche negativeC Folgen ignorieren (Börsenspekulationen!!) bzw. treibt unser Handeln bei (völliger) Missachtung von negativen Folgen. Von großer Bedeutung ist der Befund, dass ein substanzieller Teil dopaminerger Neurone im ventralen Tegmentum und in der Substantia nigra pars compacta durch aversiv-schädigende Reize stimuliert wird und diese „unguten“ Reize positive Empfindungen auslösen (Grundlage von Sadismus und Masochismus?).
Versuch eines holistischen Fazits
Von allen Neuronen, die Verhalten und Integration von externen Impulsen bestimmen, sind die 450.000 dopaminergen Neurone am häufigsten vertreten. Ausgehend von den beiden großen Kernarealen Substantia nigra pars compacta und ventralem tegmentalem Areal innervieren die dopaminergen Neurone vor allem die Basalganglien (Aktivierung von Muskelreaktionen auf Umweltreize) sowie den Hippocampus, die Amygdala und den präfrontalen Kortex, also die integrierenden und verhaltensbestimmenden Kerngebiete schlechthin.
Die zentrale Wirkung von Dopamin ist sein Belohnungseffekt, der immer eintritt, egal ob ein bestimmter Trieb vorhanden ist oder nicht. Belohnung im „dopaminergen Sinn“ ist alles, was Wohlbefinden oder positive Gefühle schafft – äußere Reize, Tätigkeiten oder auch innere Zustände. Diese Belohnungen – und jetzt wird es so spannend und relevant für die Lebensgestaltung – wirken als positive Verstärker: Sie steigern jene Verhaltensweisen bzw. jene kognitiv-affektiven Gedanken, die zu diesem Wohlbefinden geführt haben.
Verbunden mit dem Belohnungseffekt ist die Rolle, die Dopamin im menschlichen Miteinander spielt. Menschliche Kommunikation verlangt unter anderem Vorhersehbarkeit, um rechtzeitig Abwehr- oder Vermeidungsreaktionen oder auch Hinwendungsreaktionen (Mutterliebe, Verliebtheit) auszulösen. Und das dopaminerge System reagiert besonders stark auf Reize, die eine Belohnung vorhersagen! Dieses Assoziationslernen ist von größter phylogenetischer Bedeutung: Tier und Mensch haben gelernt, regelmäßig auftretende Ereignisse von zufällig auftretenden Ereignissen zu unterscheiden. Lernen geschieht immer dann, wenn ein tatsächliches Verhalten vom vorhergesagten Ereignis abweicht [Kandel 2014]. Die dopaminergen Schaltkreise von Belohnung und Genuss reagieren auf Vergnügungen aller Art, von schönen Gesichtern über Autos und Geld zum Humor und schöner Musik bzw. Kunst bis zur allumfassenden Verliebtheit. Und immer stellt sich die Frage: Was ist stärker? Der „dopaminerge Wunsch“ nach einem Genuss oder der Verzicht zum Wohle der Gesellschaft bzw. zur Erfüllung von (staatlichen) Verhaltensnormen? Dass Verzicht Vergnügen auslöst, ist nur wenigen vergönnt.
Dopamin und neuropsychiatrische Erkrankungen
Ein dysfunktionales dopaminerges mesolimbisches Netzwerk (Ncl. accumbens, Striatum) stört Appetenz und Gestimmtheit und verursacht Suchtverhalten oder Freudlosigkeit. Störungen im mesokortikalen dopaminergen Netzwerk provozieren kognitive Syndrome wie bei ADHS oder Schizophrenie.
Sucht
Eine Sucht, die Unfähigkeit, einen übermächtigen Wunsch nach einem Stoffkonsum oder einem Verhalten zu unterdrücken, ist die prototypische dopaminerge Störung. Die Rolle von Dopamin wurde vom Autor ausführlich in zwei immer noch gültigen Beiträgen der Serie „Pharmako-logisch!“ beschrieben [Herdegen „Suchtkrankheiten“ 2012 und „Sucht und Abhängigkeiten“ 2017]. Zentral in diesem Krankheitsgeschehen ist die (schnelle und quantitativ hohe) Freisetzung von Dopamin aus dem ventralen Tegmentum (VTA), das den Nucleus accumbens und den präfrontalen Kortex hyperstimuliert, zum verstärkten Verlangen der Zufuhr des Suchtmittels (Craving) führt und eine ständige Stimulation der Dopamin-Rezeptoren erfordert – andernfalls erfolgt das (schwere) Entzugsgeschehen (Abb. 4, Abb. 5).
Freudlosigkeit und Depression
Die psycho-emotionale Animation von Suchtstoffen hat Dopamin den zweifelhaften Beinamen als „Vergnügungs-Transmitter“ verschafft. Und wer will kein „pleasure“? Das Gegenteil ist die Freudlosigkeit, die Anhedonie, ein Kernsymptom und diagnostisches DSM-Hauptkriterium der Depression, aber auch relevant bei Schizophrenie, Parkinson und beim Entzug von Suchtsubstanzen – je höher die Anhedonie, desto höher das Rückfallrisiko. Dopamin wird erst seit Kurzem als therapeutisches Ziel bei Depressionen ernst genommen, obwohl seit langem bekannt ist, dass die serotonergen Antidepressiva gegen Defizite von positiven Werten (z. B. Freude) nicht wirken. Bupropion, ein Hemmstoff des Dopamin-Wiederaufnahme-Transporters und des Noradrenalin-Transporters (NET), ist das einzige dopaminerge Antidepressivum, seine hedone und kognitiv-motivationale Wirkung unterscheidet sich von den serotonergen selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Inhibitoren (SSRI) oder Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmern (SNRI).
Depressionen gehen mit strukturellen und funktionellen Störungen des mesolimbischen Systems einher [Russo 2013; Belujon und Grace 2017], Funktionen und Expressionen von Dopamin-Rezeptoren und Dopamin-Wiederaufnahme-Transportern etc. sind reduziert, die mesolimbisch-mesokortikalen Bahnen „schwingen“ nicht mehr. Entsprechend gut respondieren sie auf dopaminerge Stimulation: je schwerer die Depression, desto größer die Euphorie, die durch Amphetamine provoziert wird. Die Hemmung von dopaminergen VTA-Neuronen löst in Tieren ein spezifisch depressives Verhalten aus. Die Augmentierung von Antidepressiva durch (niedrig dosierte) Neuroleptika wirkt ebenso wie Ketamin-Infusionen auch über Verbesserung des dopaminergen Defizits; dies gilt auch für Antidepressiva, die den 5-HT2C-Rezeptor stimulieren wie Agomelatin oder Amitriptylin.
Schizophrenie
Ein dysfunktionales Dopamin-System spielt für die positiven wie negativen Symptome eine große Rolle (sogenannte Dopamin-Hypothese der Schizophrenie [Howes 2009; Martel und McArthur 2020]. Dabei ist der D2-Rezeptor im dorso-kaudalen Striatum (und Thalamus) überstimuliert und der Tonus der D1-Rezeptor-Stimulation im präfrontalen Kortex reduziert, was zu den negativen Symptomen beiträgt. Ein exzessiver Überschuss an Dopamin macht es unmöglich, irrelevanten oder störenden Input zu unterdrücken, Folgen sind Halluzinationen, Realitätsverkennung und Gedankenflucht. Geradezu beweisend für die „pathologische Rolle“ von Dopamin ist die starke Wirksamkeit der D2-Rezeptor-Blockade (Neuroleptika) auf die Positiv-Symptomatik.
Störungen in den Netzwerken des präfrontalen Kortex korrelieren mit den Positiv-Symptomen, entsprechende Befunde zeigen sich bei mehr als 50% der Schizophrenen, die an Halluzinationen leiden. Und je höher der striatale Dopamin-Spiegel, desto schwerer die Psychose. |
Disclaimer
Der Autor versichert, dass keine Interessenkonflikte bestehen.
Literatur
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