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Interview mit der neuen BAK-Spitze
„Wir müssen die Tradition mit der Moderne vereinen“
Ab dem kommenden Jahr bilden Dr. Armin Hoffmann als Präsident und Franziska Scharpf als Vizepräsidentin das neue Führungsduo der Bundesapothekerkammer. Im Gespräch mit der DAZ erklären sie, welche Themen bei ihnen ganz oben auf der Agenda stehen. Für sie steht außer Frage: Apothekerin oder Apotheker zu sein, ist etwas, auf das man stolz sein darf.
DAZ: Wie geht es Ihnen mit den neuen Ämtern?
Hoffmann: Ich bin froh, dass die Wahl vorbei ist. Ich bin Demokrat und habe Achtung vor Wahlen. Auch wenn wir wussten, dass es fünf Personen gibt, die für fünf Ämter kandidieren, ist es doch spannend, in welcher Konstellation und mit welchen Mehrheiten das geschieht. Wir haben jetzt einen guten, jungen Vorstand und können zum 1. Januar 2025 mit der Arbeit loslegen.
Scharpf: Ich freue mich extrem auf die neue Aufgabe. Es ist jetzt Zeit für Veränderungen und Zeit, die Apotheke vor Ort und unseren Beruf voranzubringen.
DAZ: Welche Themen stehen für die neue BAK-Spitze jetzt auf der Agenda?
Hoffmann: Das Wichtigste wird sein, dass wir den gesellschaftlichen Wandel in unseren Fachbereich, in die Pharmazie, in die öffentliche Apotheke transkribieren. Wir wollen die Vor-Ort-Apotheke „fit for future“ und „fit for purpose“ machen. Denn unsere Gesellschaft ist volatiler, mobiler und flexibler geworden. Auch viele Selbstverständlichkeiten in Bezug auf die öffentliche Apotheke sind diesem Wandel unterworfen. Wir müssen zusehen, dass Patientinnen und Patienten dabei ihre Bindung an die Apotheke nicht verlieren. Zugleich müssen Apothekerinnen und Apotheker etwas dafür tun, auf der Höhe der Wissenschaft zu bleiben, weil sich auch dort viel ändern wird. Unter diese Bereitschaft zum Wandel lassen sich dann viele Themen subsumieren: Personal, Fachkräfte, Nachwuchs, Ausbildungsordnung, Fort- und Weiterbildung, zudem pharmazeutische Dienstleistungen und andere Dienstleistungen, die die Apotheke heute schon erbringt. Ganz wichtig ist zudem, dass wir unseren Heilberuf stärker herausarbeiten. Apothekerinnen und Apotheker dienen der Gesundheit des einzelnen Menschen und des gesamten Volkes, heißt es in § 1 der Bundesapothekerordnung. Doch was bedeutet das wirklich?
Scharpf: Unser neuer Vorstand wird seine künftige Ausrichtung zwar erst im Januar einschlagen, aber wir denken da alle sehr ähnlich: Wir wollen „fit for purpose“ sein. Dazu werden wir die Tradition mit Modernem vereinen müssen. Es wird unseren Berufsstand stärken und unser Ansehen verbessern, wenn wir moderne pharmazeutische Dienstleistungen anbieten und Tools nutzen, neue Tätigkeitsfelder erschließen und uns weiterentwickeln. Unser Beruf muss auch in der Öffentlichkeit mehr wahrgenommen werden – auf Augenhöhe mit Ärztinnen und Ärzten, im interprofessionellen Team. Es ist ein vielfältiger Beruf, auf den wir stolz sein dürfen! Das zu vermitteln, gehört zur Nachwuchsförderung. Wir müssen die Studentinnen und Studenten dazu bringen, dass sie es lieben, Pharmazie zu studieren. Und sie sollen sehen, was nach dem Studium alles für sie möglich ist und wie vielfältig der Apothekerberuf sein kann
Hoffmann: In den nächsten zwei, drei, vielleicht vier Jahren werden durch zahlreiche Reformvorhaben für unseren Beruf viele Weichen gestellt. Und da müssen wir als ABDA, BAK und DAV präsent sein. In allen Gremien und Diskussionsrunden, in denen es um Gesundheit und Gesundheitsversorgung geht, muss immer ein Apotheker oder eine Apothekerin dabei sein. Die Politik, aber auch andere Stakeholder, müssen wahrnehmen, dass die Apotheke ein zentraler Bestandteil unseres Gesundheitssystems ist.
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DAZ: Denken Sie, die Apotheken sind bereit für diesen Wandel?
Scharpf: Es mag durchaus Vorbehalte geben. Doch wir haben sehr viele Kolleginnen und Kollegen, die sagen: Mensch, da will ich hin! Sie sehen sich zunehmend als Heilberufler, sie wollen impfen und Medikationsanalysen machen. Und solche Tätigkeiten steigern auch die Attraktivität des Berufsfeldes in der öffentlichen Apotheke.
DAZ: Dennoch verweisen viele auf mangelnde personelle und finanzielle Ressourcen – wie können Sie, wie kann die Standesvertretung, diese Kollegen begeistern?
Scharpf: Wir müssen sicher Vorbilder sein und zeigen, dass dies machbar ist. Dabei hilft die Digitalisierung. Und man muss sich gut organisieren. Aber wenn man das schafft, macht die Arbeit einfach Spaß und ist abwechslungsreich. Wir wollen den Kolleginnen und Kollegen vermitteln, dass wir sie auf ihrem Weg nicht allein lassen, sondern bestmöglich unterstützen.
Hoffmann: Dem kann ich voll zustimmen. Wir können alle voneinander lernen und müssen nicht alles für jede einzelne Apotheke neu erfinden. Das geht heute auch mithilfe elektronischer Tools einfach. Zum Beispiel können Apothekerinnen und Apotheker einander Tipps zu pharmazeutischen Dienstleistungen geben. Eine Musterlösung, wie wir alle Kolleginnen und Kollegen erreichen, haben wir noch nicht. Aber es gibt schon Modelle in den Regionen. Wir müssen jetzt schauen, was wir tun können, um es den Apotheken einfacher zu machen.
Scharpf: Ein großes Anliegen von mir ist auch, die Studentinnen und Studenten früh an die Berufspraxis in der öffentlichen Apotheke oder in der Krankenhausapotheke heranzuführen. Wir müssen uns zusammen überlegen: Wo wollen wir hin und wie lässt sich das erreichen? Dabei sollten wir auch einen Blick über den Tellerrand werfen. Wie machen es andere? Ich habe in England studiert, das hat mich geprägt. Der Apothekerberuf ist ein vielfältiger, ehrenwerter und verantwortungsvoller Beruf. Wer ihn ausübt, wird auch weiter lernen wollen und für Fort- und Weiterbildung offen sein.
DAZ: Das bringt uns zur Novellierung der Approbationsordnung, auf die wir schon lange warten. Was passiert da?
Hoffmann: Das Thema liegt mir sehr am Herzen, weil ich mich seit meinem Einstieg in die Berufspolitik 1998 stets mit den verschiedenen Berufsbildern von Apothekerinnen und Apotheker beschäftige. Auch bei der ABDA habe ich schon Anfang der 2000er Jahre in der Berufsbildkommission mitgearbeitet. Das ging weiter bis zum Positionspapier für die neue Approbationsordnung, das jetzt schon seit zwei Jahren im Bundesministerium für Gesundheit (BMG) liegt. Ich stand dabei immer an der Seite meines Vorgängers Thomas Benkert, der sich für die Novellierung starkgemacht hat. Die Politik muss diesen Prozess jetzt beschleunigen. Es kann nicht sein, dass ein Papier, das wir so intensiv beraten haben, seit zwei Jahren auf Eis liegt. Zum Schluss waren auch Professoren am Runden Tisch beteiligt, sie sorgten mit für den letzten Feinschliff und dafür, dass alles auf dem Stand der neuesten Wissenschaft ist. Doch Karl Lauterbach hatte andere Prioritäten. Es ist Wahnsinn, dass solche zukunftsweisenden Projekte – auch mit der ärztlichen Approbationsordnung geht es kaum vorwärts – brachliegen. Dass es hier weitergeht, wird eine unserer ersten Forderung an einen neuen Minister oder eine neue Ministerin im BMG sein.
Scharpf: Wir müssen die Politik wohl auch nochmal dran erinnern, dass es eine Delegierte Richtlinie der EU gibt, die Mindestanforderungen an die Ausbildung der Apotheker festlegt. Diese muss bis Frühjahr 2026 umgesetzt werden. Es muss also wirklich vorangehen bei der Approbationsordnung.
DAZ: Seit einigen Wochen ist immer wieder vom Konzept für eine Apotheke der Zukunft zu hören. Können Sie dazu etwas Genaueres sagen?
Hoffmann: Ein paar Themen dieses Konzepts wurden bereits angesprochen, aber die Diskussion hierzu ist noch nicht am Ende. Hinter das, was jetzt bekannt gegeben wurde, kann wahrscheinlich jede Apothekerin, jeder Apotheker einen Haken setzen. Damit würden wir uns auf den richtigen Weg begeben, es wäre eine sinnvolle Weiterentwicklung. Doch die Ideen müssen jetzt noch mit viel Inhalt gefüllt werden. Viel mehr möchte ich dazu im Moment nicht sagen, denn das Gesamtkonzept muss jetzt erst noch entwickelt werden.
DAZ: Einiges, das Karl Lauterbach noch für die Apotheken vorhatte, z. B. weitere Impfungen und pharmazeutische Dienstleistungen, kommen jetzt nicht. Ist das aus Ihrer Sicht schade? Oder ist es eine Chance, diese Themen mit einer neuen Regierung neu anzugehen – um den Preis, dass das alles länger dauert?
Hoffmann: Was wir von der bisherigen Regierung bekommen haben, waren versteckte Goodies in großen negativen Paketen. Kleinere Änderungen, die wir uns gewünscht hätten, wären auf Kosten anderer Strukturmerkmale gegangen. Daher sehen wir eine kommende neue Regierung eher als Chance. So können wir das, was wir wollen, mit neuen Gegenübern so diskutieren und sicherstellen, dass wir den Schritt nach vorne gehen – und nicht nur zur Seite. Wichtig ist auch, dass neu Beschlossenes nicht nur positiv aussieht, sondern auch in der Apotheke realistisch umsetzbar ist.
DAZ: Herr Hoffmann, mit Ihnen ist nun erstmals ein Industrieapotheker an der Spitze der BAK. Sehen Sie die Gefahr, dass man Ihnen vorwirft, Sie wüssten gar nicht, was in der Apotheke läuft?
Hoffman: Also, ich bin jetzt sechs Jahre Präsident in Nordrhein und sitze schon seit 16 Jahren in der Kammerversammlung. Ich denke, ich kenne die vielen Möglichkeiten sowie auch die Sorgen der Apotheken und bin sehr gut informiert. Warum zum Beispiel hat die Kammer Nordrhein ein pDL-Servicecenter gegründet? Weil wir die Not der kleinen Apotheken gesehen haben! Wir wollen auch die Betriebsstätten, die möglicherweise mit nur drei Leuten versuchen, die flächendeckende Versorgung aufrecht zu halten, auch bei den pDL unterstützen. Ich traue mir also zu, die Situation in den Apotheken sehr gut einschätzen zu können. Außerdem habe ich sowohl in meinem Kammerbezirk wie auch jetzt in der BAK eine Vizepräsidentin an meiner Seite, die genau diesen Part hervorragend ausfüllt. Und außerdem: Ich gehe als Kunde in die Apotheke. Das ist ein besonderer Blick, den wir nicht vernachlässigen dürfen. Schließlich sind die Patientinnen und Patienten das Entscheidende – ihre Wünsche und Bedürfnisse zählen.
Scharpf: Ich würde sogar sagen, dass Armin Hoffmann aus seinem Hauptjob einiges für uns mitbringt – etwa Führungs- oder Managementkompetenzen. Und er hört extrem gut zu und saugt alles auf, was wir sagen. Das ist ein Riesenvorteil. Es geht auch hier darum, voneinander zu lernen – auch außerhalb unseres Settings der öffentlichen Apotheke.
DAZ: Zum Abschluss noch die Frage: Wenn Sie sich einen Gesundheitsminister oder eine Gesundheitsministerin wünschen könnten, wer wäre das?
Hoffman: Das wäre ein Mensch, der zuhört und die Fachkreise in alle Diskussionen einbezieht.
Scharpf: Da kann ich mich nur anschließen. Das Zuhören steht an erster Stelle. Ich glaube, es könnten viele Politikerinnen und Politiker daraus lernen, einfach den Heilberufen mehr zuzuhören und sie wahrzunehmen. Denn Einiges kann bereits mittels Gesprächen gelöst werden bzw. einer Lösung zugeführt werden. Das ist bei uns in den Apotheken doch genauso: Wenn du als Chef nicht zuhörst, was deine Mitarbeiter, deine Kunden wollen, weißt du nicht, in welche Richtung du gehen musst.
DAZ: Vielen Dank für das Gespräch.
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