Mein liebes Tagebuch
Wer von Schwarz-Rot verhandelt über die Apotheken?
Die neue schwarz-rote Bundesregierung rauft sich zusammen, der Koalitionsvertrag wird verhandelt. Mein liebes Tagebuch, was tut sich im Bereich Gesundheit? Dreimal darfst du raten, wer für die SPD in der AG Gesundheit dabei ist. Richtig, Karl Lauterbach, ohne ihn geht’s im SPD-Gesundheitsbereich nicht – glaubt er fest. Er hat in der Vergangenheit immer wieder wissen lassen, dass er gerne, sehr gerne wieder Bundesgesundheitsminister wäre. Ob dies die Union genauso sieht? Hoffen wir, dass sie sich an ihre Versprechen erinnert, als sie noch Opposition war und wenig von Lauterbachs Reformen hielt. Wir werden sehen. Immerhin, die AG Gesundheit wird Lauterbach nicht leiten, der wird nur als Stellvertreter von Katja Pähle (Fraktionsvorsitzende der SPD im Landtag Sachsen) dabei sein, die bereits vor vier Jahren die Gruppe bei den Ampel-Verhandlungen führte. Weitere Namen der sozialdemokratischen Gruppe: Sabine Dittmar, Matthias Mieves, Clemens hoch, Petra Köpping Andreas Philippi. Da sind einige dabei, mein liebes Tagebuch, die von Lauterbachs Reform so gar nichts hielten.
Auf Seiten den Union verhandelt NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann, der die Führung des Unions-Teams übernommen hat. Mein liebes Tagebuch, er könnte durchaus Chancen auf den Posten des neuen Bundesgesundheitsministers haben. Im Laumann-Team sind außerdem dabei: Kerstin von der Decken (Gesundheitsministerin von Schleswig-Holstein), Diana Stolz (Gesundheitsministerin von Hessen), Tino Sorge (gesundheitspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion), Hendrik Streeck (Direktor des Bonner Instituts für Virologie), Albrecht Schütte (finanzpolitischer Sprecher seiner Fraktion im Landtag Baden-Württemberg). Als CSU-Mitglieder gehören zum Laumann-Team die Bundestagsabgeordneten Emmi Zeulner und Stephan Pilsinger, außerdem Klaus Holetschek, Fraktionsvorsitzender im bayerischen Landtag. Für den Gesundheitsbereich ist Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach allerdings nicht dabei, sie sitzt auf Bitten von Markus Söder in der AG Digitales. Mein liebes Tagebuch, unterm Strich haben sich die Verhandler der Union in den vergangenen Wochen und Monaten durchaus auf die Seite der Apothekerschaft gestellt, Lauterbachs Apotheke ohne Apotheker wollte da niemand – könnte das nicht ein positives Zeichen sein?
Übrigens, die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen sollen bis zum 24. März stehen, wir werden schauen, was sich im Bereich Gesundheit wiederfindet. Und am 20. April soll der Koalitionsvertrag in trockenen Tüchern sein.
Wir sind Infrastruktur!
Da soll kein Zweifel aufkommen: Apotheken gehören zur Infrastruktur. Und deshalb könne es nicht so weitergehen, dass Apotheken schließen. Für die CDU-Bundestagsabgeordnete Simone Borchardt sind Apotheken genauso Infrastruktur wie die Feuerwehr, sagte sie auf einer Dialog-Veranstaltung, zu der der Apothekerverband Mecklenburg-Vorpommern kurzfristig eingeladen hatte. Eingeladen waren auch Daniel Peters, Landesvorsitzender der CDU Mecklenburg-Vorpommern und Vorsitzender der Landtagsfraktion, ABDA-Präsident Thomas Preis und Markus Oelze, stellv. Vorsitzender des Apothekerverbands Mecklenburg-Vorpommern. Was Borchardt vorschwebt: Sie will Apotheken „bei Versand, Regress und Bürokratie“ unterstützen. Aber sie verlangt auch was von den Apotheken: „Sie können noch mehr leisten.“ Sie stellt sich hier neue Dienstleistungen vor, z. B. eine Entlastung der Arztpraxen von Bagatellerkrankungen. Borchardts Leitgedanke: „Wir müssen das System neu denken.“ Mein liebes Tagebuch, das ist doch mal ein diskussionswürdiger Ansatz! Und wenn das noch immer geheime ABDA-Apothekenzukunftskonzept in eine ähnliche Richtung geht, könnte hier etwas Neues entstehen. Preis machte allerdings deutlich, dass nur geschützte Apotheken neue Leistungen erbringen könnten, ohne eine Soforthilfe für Apotheken geht da wohl nichts. Borchardt zeigte sich auf alle Fälle an den kommenden ABDA-Angeboten interessiert. Was die Finanzierung angeht, mein liebes Tagebuch, sollten wir uns allerdings nicht zu viele Hoffnungen machen: Borchardt sprach von „vielen Reserven im System“, die es zu heben gilt, sprich, zusätzliches Geld wird’s wohl kaum geben, allenfalls eine Soforthilfe. Andererseits, mein liebes Tagebuch, Apotheken sind doch Infrastruktur, für die ein Milliarden Strukturfonds kommen soll…
Holla, die Waldfee: der Six-Pack der ABDA
Und jetzt die ABDA! Sie hat bei den Forderungen an die Politik kräftig abgespeckt und sich einen Six-Pack antrainiert. Nicht mehr zehn, aber auch keine high five, nein, sechs Punkte sind’s, die sie zum Beginn der Koalitionsverhandlungen veröffentlicht hat. Und das sind sie:
- Erwartet wird eine deutliche Anhebung des Fixhonorars, was auch immer man sich unter deutlich vorstellt. Die früher geforderten 12 Euro werden da allerdings nicht mehr genannt.
- Das Fixum, die Honorare müssten nach verbindlichen Regeln regelmäßig an die allgemeine Kostenentwicklung angepasst werden.
- Besser honoriert werden müssen außerdem Botendienste, Nacht- und Notdienste, auch an Feiertagen, sowie Rezepturherstellungen. Was nicht mehr im neuen Sechspunkte-Papier steht, ist eine zusätzliche regelmäßige Pauschale für jede Betriebsstätte.
- Gefordert wird die Wiederzulassung der Skonti.
- Der unfaire Wettbewerb der Versandhändler müsse unterbunden und die Apotheken vor den Versendern beschützt werden.
- Und last but not least müssen die Apotheken mehr Entscheidungsfreiheit bei der Auswahl der abzugebenden Arzneimittel erhalten und beim Engpassmanagement von Bürokratie entlastet werden. Die Apotheken sollen mehr Kompetenzen bei der Patientenversorgung erhalten und mit weniger Bürokratie bei Lieferengpässen belastet werden.
Holla, die Waldfee! Mein liebes Tagebuch, da hat die ABDA ihren Forderungskatalog ein straffes Fitness-Programm unterzogen. Was nun nicht mehr enthalten ist: Die Präquali einschränken, das hat sich erledigt. Der Wunsch nach einer Reduzierung von Retax ist auch nicht dabei, die Möglichkeiten der Vollabsetzung wurden etwas eingeschränkt, aber ganz vom Tisch ist das Thema damit nicht. Was im Sechs-Punkte-Papier auch fehlt: die Forderung, die finanziellen Risiken aus dem Inkasso des Herstellerrabattes für die Krankenkassen zu beseitigen, und die Idee, eine Rechtsgrundlage für die Arzt-Apotheker-Kooperation beim Medikationsmanagement zu schaffen – wäre zwar alles wünschenswert, aber es ist richtig, sich auf die Punkte zu konzentrieren, die dringlicher sind.
Jetzt fehlen von der ABDA noch die Details zum Konzept „Apotheke der Zukunft“, sie sollen am 9. April beschlossen und veröffentlicht werden.
Gimme five
Wie wird die Apothekenzukunft aussehen? Die ABDA bastelt noch daran, vermutlich wird es irgendwas mit mehr Prävention, mehr Dienstleistungen, mehr Mitarbeit in der Prävention. Nach Ostern werden wir’s wohl wissen. Der Verein innovativer Apotheken (via) hat seine Zukunftsideen bereits vorgestellt: Er wünscht sich Direktabrechnung zwischen Apotheken und Krankenkassen, mehr Digitalisierung, eine Reform des Retaxsystems (Retax nur bei Fehlabgaben), erweiterte Kompetenzen für Apotheken (u. a. Bagatellverschreibungen, um Hausarztpraxen zu entlasten). Jetzt wirft die Freie Apothekerschaft (FA) fünf Ideen in den Ring, wie die Politik dem Apothekensterben ein Ende bereiten könnte, nämlich: eine finanzielle Soforthilfe (1,20 Euro pro Rx-Packung), Wiedereinführung der Skonti, Nullretaxationen bei korrekter Versorgung der Versicherten, deutlich weniger Bürokratie und ein Versandverbot für Rx-Arzneimittel. Ja, mein liebes Tagebuch, jetzt müsste nur noch die neue Regierung diese fünf kleinen Punkte in die Koalitionsgespräche aufnehmen.
15 Euro Mindestlohn – verkraftet das die Apotheke?
Union und SPD haben sich auf eine Anhebung des Mindestlohns von 15 Euro bereits geeinigt. Wird er tatsächlich umgesetzt, könnte es schwierig für die Apotheke werden, ist Thomas Rochell, Vorsitzender des Arbeitgeberverbands Deutscher Apotheken (ADA) überzeugt. Im DAZ-Interview sagt er, dass es „eine gewisse Schieflage“ bei den Tariflöhnen für PKA- und PTA-Berufseinsteigerinnen gibt: Ungelernte Kräfte könnten hier bald mehr verdienen. Natürlich ist die Schieflage entstanden „durch das jahrelange Versäumnis der Politik, die Vergütung der Apotheken anzupassen“. Auch wenn manche Apotheken übertarifliche Löhne zahlen, könnten da schwierige Gespräche auf die Apotheken zukommen. Rochell: Unseren Angestellten entsprechende Gehälter zu zahlen, wäre kein Problem, wenn genug Geld im Topf wäre.“ Ist es aber nicht, mein liebes Tagebuch, und deshalb wird es nicht ohne Anpassung des Apothekenhonorars gehen. Zwar gäbe es Chancen auf mehr Einkünfte für die Apotheken, wenn das Leistungsspektrum ausgebaut würde (Prävention, Dienstleistungen, Lotsenfunktion, Primärversorgung) und diese Leistungen honoriert würden, sagt Rochell. Aber er sagt auch, dass es ohne eine umgehende Soforthilfe für Apotheken, ohne Erhöhung des Fixums und Dynamisierung nicht gehen wird. Mein liebes Tagebuch, da stehen uns noch harte Verhandlungszeiten bevor.
Die Not mit dem Notdienst
Zu den großen Reizwörtern der Apothekerschaft gehörten schon immer der Nacht- und Notdienst. Die Klagen in früheren Jahren: zu häufig, mitunter ungerecht verteilt, zu niedrige Nachtdienstgebühr, keine Honorierung und die missbräuchliche Inanspruchnahme. Mittlerweile hat sich einiges ein bisschen verbessert, so gibt es eine Notdienstpauschale (zurzeit so um die 470 Euro) und die Einteilung der notdiensthabenden Apotheken wird bereits in vielen Bundesländern softwaregestützt vorgenommen, so dass die Einteilung der Notdienst habenden Apotheken ausgewogener erfolgen kann. Aber, und darauf weist jetzt die Landesapothekerkammer Baden-Württemberg hin, die Notdienstverteilung müsse weiter optimiert werden, nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass durch das Apothekensterben Apotheken wegfallen. Und ja, der Notdienst ist für die Apotheke noch immer ein Minusgeschäft. Die Kammer rechnet vor, dass die Apotheke für einen Notdienst Ausgaben in Höhe von knapp 2000 Euro hat. Unter Berücksichtigung der Notdienstpauschale und einem durchschnittlich erwirtschafteten Rohertrag kostet ein Notdienst die Apotheke unterm Strich rund 1000 Euro – die Apotheke legt hier also deutlich drauf. Die LAK Baden-Württemberg will das nicht mehr so hinnehmen: Sie hat ein pfiffiges Positionspapier zum Notdienst erarbeitet, das konkrete Vorschläge macht, wie der Notdienst optimiert werden kann. Mein liebes Tagebuch, pfiffig ist es deshalb, weil es nicht nur mehr Geld fordert, sondern den Nacht- und Notdienst auch ein Stückweit neu denkt. Klar, die Apotheke soll in Zukunft nicht mehr drauf legen, daher muss die Notdienstpauschale erhöht und die vom Patienten zu zahlende Notdienstgebühr von 2,50 Euro auf 10 Euro angepasst werden, so die Kammer. Aber das ist eben nicht alles, Verbesserungen sind notwendig, auch weil das Apothekensterben Lücken ins Apothekennetz reißt. Zum einen muss die Verteilung der Notdienste unter Berücksichtigung von Entfernung, infrastrukturellen Gegebenheiten sowie zeitlichen Rahmenbedingungen weiter optimiert werden. Die Kammer schlägt zudem eine Kombination von honorierten Teil- und Vollnotdiensten vor. Und ganz fortschrittlich: Im Notdienst könnten telepharmazeutische und telemedizinische Konzepte dazu beitragen, dass ärztliche Notdienste deutlich weniger aufgesucht werden müssten: Zeitersparnis für Patienten und Entlastung der Notdienstpraxen. Wie so ein telemedizinisches Konsil ablaufen könnte, erklärt Kammerpräsident Dr. Martin Braun im DAZ-Interview. Mein liebes Tagebuch, endlich wird das Notdienst-Thema mal ganz konkret von einer Kammer angepackt! Die vier Forderungen der Kammer passen in die Zeit. Da das Thema Notdienstversorgung von der Politik ernst genommen wird, geht Braun davon aus, dass eine bessere Finanzierung des Apothekennotdienstes größere Erfolgsaussichten hat als die Forderung nach einer deutlichen Anhebung des Apothekenhonorars. Das mag so sein. Eine höhere Notdienstpauschale und eine angepasste Notdienstgebühr sind besser als nichts. Und dennoch, so notwendig und sinnvoll eine Notdienstreform ist, die Forderung nach einer Honorarreform ersetzt eine höhere Notdienstpauschale nicht. DAZ-Redakteur Dr. Thomas Müller-Bohn hat da nochmal nachgerechnet.
Für die AKNR Nordrhein läuft’s einfach gut
Das Online-Rezeptportal „Dr Ansay“ warb bei Endverbrauchern damit, telemedizinische Behandlungen durchzuführen, bei denen am Ende dann ein Rezept für medizinischen Cannabis stand. Die Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) wollte diese Praktiken nicht hinnehmen und klagte dagegen. Im Februar startete der Prozess vor dem Landgericht Hamburg, jetzt liegt das Urteil vor. Voller Erfolg für die AKNR: Das Landgericht Hamburg untersagt „Dr Ansay“, sein Online-Rezeptportal für Medizinalcannabis in der bisherigen Form weiterzubetreiben. Mein liebes Tagebuch, wieder ein dickes Danke an die AKNR. Die Aktivität der Kammer zeigt: Es geht, wenn man denn will.
Groß, größer, WBA und jetzt?
Was kommt da auf die deutsche Pharmagroßhandlung Alliance Healthcare Deutschland (AHD) samt ihrer Kooperationsmarken Alphega und gesund leben zu? Sie gehören bekanntlich zur US-Apothekenkette Walgreens Boots Alliance (WBA), die derzeit mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten kämpft. Das New Yorker Private Equity-Unternehmen Sycamore beabsichtigt, die kriselnde WBA für einen Milliardenbetrag zu kaufen und anschließend von der Börse zu nehmen, um WBA dann als privates Unternehmen neu auszurichten. Mein liebes Tagebuch, was am Ende herauskommt und wie es weitergeht: Bis zum Ende des Jahres wird’s wohl dauern, dann werden wir mehr wissen.
Milliarden für die Kläranlagen
Pharmahersteller sollen zukünftig einen großen Teil der Kosten für die Abwasserreinigung zahlen, so die neue kommunale Abwasserrichtlinie. Hersteller von Pharma- und Kosmetikprodukten seien für Mikroschadstoffe verantwortlich, die aus dem Abwasser gefiltert werden müssen. Die Hersteller wehren sich nun dagegen, sie klagen vor dem europäischen Gerichtshof dagegen. Mein liebes Tagebuch, die Klage war zu erwarten, denn zum einen verschmutzen nicht nur Pharma- und Kosmetikprodukte die Abwässer, sondern auch andere chemischen Erzeugnisse. Und zum andern handelt es sich hier auch um Arzneimittel, die wohl kaum als ökologisch verträglicher und nachhaltigere Produkte hergestellt werden können: Arzneimittel seien Produkte, deren Wirksamkeit mit entsprechenden Wirkstoffen verbunden sind. An der Klage beteiligen sich auch Pharma Deutschland und sechs seiner Mitglieder, ebenso der Verband ProGenerika und mehrere seiner Mitgliedsunternehmen. Die neue Abwasserrichtlinie würde für die Unternehmen Kosten von 5 bis 11 Milliarden Euro pro Jahr bedeuten, schätzen die Verbände. Mein liebes Tagebuch, letztlich würde dies die Arzneimittel verteuern, einige, auch lebenswichtige Arzneimittel würden vielleicht vom Markt verschwinden. Hier muss eine tragfähige Lösung gefunden werden.