Frage 3:
Für Patienten mit psychischen Störungen existierte
bis Mitte des 20. Jahrhunderts keine Arzneimitteltherapie. Meistens wurden sie
in Kliniken gebracht und so lange eingesperrt, bis sich die akuten Beschwerden
besserten. Mittelalterliche Methoden wie kalte Duschen, Elektroschocks,
Fesselungen und Auspeitschungen sollten gegen Wahnvorstellungen,
Halluzinationen, manisch-depressive oder schizophrene Episoden helfen. Wenn
Arzneimittel eingesetzt wurden, dann häufig sedierende Substanzen, damit die
Patienten keine Gefahr für sich oder ihre Umwelt darstellen konnten. Als eine
besonders weitverbreitete und anerkannte Maßnahme galt die Lobotomie, bei der mithilfe eines Eispickel-ähnlichen Werkzeuges Nervenbahnen und ganze Areale im
Gehirn durchtrennt wurden.
Mit Einführung der ersten Neuroleptika änderte sich
der Umgang mit den Betroffenen sprunghaft. Die antipsychotische Wirkung von
Chlorpromazin war dabei eine Zufallsentdeckung. Der Chemiker Paul Charpentier
synthetisierte den Stoff Anfang der 1950er-Jahre, als er auf der Suche nach
neuen Antihistaminika war. Eine Reihe weiterer Wissenschaftler konnte die
sedierende, angstlösende und schließlich auch die antipsychotische Wirkung von
Chlorpromazin nachweisen. Im Juli 1953 kam es als Megaphen® auf den
deutschen Markt, zwei Jahre später führten es auch die Amerikaner ein. In den
USA war die Lobotomie besonders angesehen, und so verwundert es nicht, dass das
erste Neuroleptikum in Fachkreisen als „chemische Lobotomie“ bezeichnet wurde.
Es folgten unzählige weitere Vertreter der
Neuroleptika, die entweder nach Potenz, Wirkdauer oder Stoffklassen kategorisiert
wurden. Allen gemeinsam ist das Nebenwirkungsprofil: Ab einer gewissen
Dosierung treten bei den Patienten die sogenannten extrapyramidalen Störungen
auf, die sich in veränderten Bewegungsabläufen, verspannter bis erstarrter
Muskulatur oder weiteren Parkinson-ähnlichen Erscheinungen bemerkbar machen.
Aus der Not wurde schließlich eine Tugend: Der deutsche Psychiater Hans-Joachim
Haase (1922 bis 1997) definierte die „neuroleptische Schwelle“, eine
patientenindividuelle Dosis, bei der die extrapyramidalen Störungen gerade
beginnen und die antipsychotische Wirkung des jeweiligen Neuroleptikums am
besten ist. Beim „Haase-Schwellentest“ werden die Handschriften der Patienten
vor und während der Behandlung mit Neuroleptika verglichen und so die ideale
Dosis definiert. Damit konnte weltweit ein deutlicher Rückgang der verordneten
Neuroleptika-Dosierungen erreicht werden, und die Patienten führten ein besseres
Leben.
Erst mit Markteinführung des ersten Vertreters der
atypischen Neuroleptika Anfang der 1970er-Jahre wurde dieses Paradigma gekippt.
Weil die atypischen Neuroleptika eher selten extrapyramidale Störungen
verursachen, war die Theorie des Dr. Haase damit erledigt. Es wurde zwar nie
bestätigt, aber mit der Namensgebung für dieses Arzneimittel wollte der
Hersteller wohl auch verschlüsselt darauf hinweisen.
Wie lautet der Markenname
für das erste atypische Neuroleptikum?
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