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Praxis
Insulinpens richtig anwenden
Die in Deutschland im Handel befindlichen Insulinpens können vier Typen zugeordnet werden (s. Kasten). Zur korrekten Applikation des Insulins sind mehrere Punkte zu berücksichtigen [1], von denen die wichtigsten im Folgenden genannt werden:
Typen von InsulinpensWiederbefüllbarer Pen ohne Federmechanik
"Klassische" Konstruktion; leere Zylinderampullen ("Insulinpatronen") auswechselbar; Kanüle wird manuell in die Haut gestochen, anschließend wird der Kolben in der Zylinderampulle durch kräftigen Fingerdruck auf den Dosierknopf bewegt.
Einmalpen
(Insulin-Fertigspritze, Fertigpen)
Nach dem Entleeren der Insulinpatrone nicht mehr verwendbar; Insulinampulle und Injektionsmechanik bilden eine Einheit; ansonsten Handhabung wie beim wiederbefüllbaren Pen. Halbautomatischer Pen
Der Kolben wird mittels einer Federmechanik bewegt; die Feder wird beim Einstellen des Dosierknopfes gespannt und durch Verschieben und Festhalten eines seitlich am Pen angebrachten Schiebeknopfes wieder gelöst; die Kolbenbewegung (und die Geschwindigkeit der Injektion) ist also unabhängig von dem ausgeübten Fingerdruck; ansonsten Handhabung wie beim wiederbefüllbaren Pen ohne Federmechanik. Vollautomatischer Pen
Durch kräftiges Eindrücken einer Kappe wird eine Feder gespannt, die nach kurzem Drücken des Auslöseknopfes sowohl die Kanüle in die Haut sticht als auch den Kolben bewegt. Das Wechseln der Kanüle und der Insulinpatrone erfolgt wie beim wiederbefüllbaren Pen ohne Federmechanik. |
20-mal kippen oder schwenken
Zum Homogenisieren von Insulinsuspensionen ist der Pen vor jedem Gebrauch so oft zu kippen oder um 180° zu schwenken, bis eine völlig homogene Trübung des Präparates vorliegt. Während verschiedene Patientenbroschüren und Packungsbeilagen zu einem etwa zehnmaligen Kippen der Pens raten, erwies sich in einer Untersuchung an verschiedenen Präparaten, dass dies nicht ausreicht. Erst nach etwa 20 Kipp- oder Schwenkbewegungen waren die Präparate vollständig resuspendiert.
Dosis einstellen – manchmal ein Problem
Das Einstellen der Insulindosis geschieht durch Drehen des Dosierknopfes oder eines anderen Bedienungselementes, wobei jeder Dosierschritt sicht-, spür- und hörbar mitverfolgt werden kann, falls der Patient nicht unter entsprechenden Behinderungen leidet. Daraus folgt, dass die einzelnen Modelle für den jeweiligen Patienten unterschiedlich gut geeignet sind.
Die Anzeige der gewählten Dosis erfolgt bei den verschiedenen Insulinpens entweder analog oder digital (Tab. 1). Für sehbehinderte Diabetiker empfehlen sich Modelle mit größeren Ziffern, die zugleich einen starken Kontrast zum Untergrund aufweisen.
Bei Diabetikern mit eingeschränktem Hörvermögen muss der betreuende Apotheker berücksichtigen, dass bei den verschiedenen Penmodellen die beim Drehen des Dosierknopfes hörbaren Klickgeräusche unterschiedlich laut sind (Tab. 1). Wenn ein Patient diese Geräusche nicht wahrnimmt, kann dies zu Fehldosierungen führen. Vor allem Diabetiker mit gleichzeitig bestehender Hör- und Sehschwäche sind gefährdet. Hier ist der pharmazeutische Betreuer besonders gefordert. Beispielsweise lässt sich das Klickgeräusch durch einen an den Pen gedrückten, dünnwandigen Plastikbecher verstärken, der als akustischer Resonanzkörper fungiert. Zum gemeinsamen Üben mit dem Patienten und zum Überprüfen, ob für ihn ein anderes Penmodell besser geeignet ist, muss der Apotheker eine komplette Palette von Placebopens griffbereit haben. Selbstverständlich ist ein gegebenenfalls angezeigter Wechsel des Modells mit dem behandelnden Arzt abzusprechen.
Tab. 1: Merkmale verschiedener marktgängiger Insulinpens | |||||||||
Modell |
Typ |
Dosier-schritte, höchste Dosis, I.E. |
Klickgeräusch1
|
Anzeige der gewählten Dosis; Höhe der Ziffern2
|
Gewählte Dosis korrigierbar? |
Unterdosierung möglich?3 |
Kraft-aufwand4
|
Anzeige der letzten Dosis? |
Zurückstellen d. Kolbenstange beim Patronenwechsel |
Autopen®
3/1,
- 3/2
|
halbauto-matischer Pen |
1 → 21
2 → 42
|
mittellaut |
analog;
3,5 mm
|
nein |
ja |
– |
nein |
Kolbenführung halten, Pen-Oberteil drehen |
BerliPen®
301,
- 302
|
halbauto-matischer Pen |
1 → 21
2 → 42
|
mittellaut |
analog;
2,5 mm
|
nein |
ja |
– |
nein |
Kolbenführung halten, Pen-Oberteil drehen |
BerliPen®
aero 4 Modelle |
wieder- befüllbarer Pen* |
1 → 60 |
wenig laut |
analog, Sichtfenster; 3,5 mm |
ja** |
nein |
10 N,
9-12 N
|
nein |
Rückstellring halten, Pen-Oberteil drehen |
Diapen 3.1, - 3.2 |
vollauto-matischer Pen |
1 → 28
2 → 56
|
leise |
digital, mechanisch, Sichtfenster; 2,0 mm |
ja** |
nein |
– |
nein |
automatisch (b. Abschrauben d. Containers) |
Flexpen®
|
Einmalpen |
1 → 60 |
mittellaut |
analog, Sichtfenster; 3,0 mm |
ja** |
– |
12 N,
11-13 N
|
nein |
– |
Humalog®
Fertigpen, Huminsulin®
Fertigpen |
Einmalpen |
1 → 60 |
leise |
digital, mechanisch, Sichtfenster mit Lupeneffekt; 3,0 mm |
ja** |
– |
15 N,
12-16 N
|
nein |
– |
HumaPen®
Ergo |
wieder- befüllbarer Pen* |
1 → 60 |
wenig laut |
analog, Sichtfenster m. Lupeneffekt; 3,0 mm |
ja** |
ja |
11 N,
8-13 N
|
nein |
automatisch*** |
HumaPen®
Luxura |
wieder- befüllbarer Pen* |
1 → 60 |
wenig laut |
analog, Sichtfenster; 3,0 mm |
ja** |
ja |
10 N,
9-12 N
|
nein |
automatisch*** |
HumaPen®
Luxura HD |
wieder- befüllbarer Pen* |
0,5 → 30 |
wenig laut |
analog, Sichtfenster; 3,0 mm |
ja** |
ja |
10 N,
9-12 N
|
nein |
automatisch*** |
HumaPen®
Memoir |
wieder- befüllbarer Pen* |
1 → 60 |
mittellaut |
digital, LCD; 5,5 mm, Uhrzeit u. Datum 3 mm |
ja** |
ja |
10 N,
9-12 N
|
ja |
automatisch*** |
Innolet®
|
Einmalpen |
1 → 50 |
wenig laut |
analog; 4,0 mm |
ja** |
– |
6 N,
5-8 N
|
nein |
– |
NovoLet®
3 ml |
Einmalpen |
2 → 78 |
sehr leise |
analog, Grob- und Feinskala; 3,5 bzw. 2,0 mm |
ja** |
– |
9 N,
7-11 N
|
nein |
– |
NovoPen®
3 |
wieder- befüllbarer Pen* |
1 → 70 |
mittellaut |
analog, Sichtfenster; 2,5 mm |
ja++
|
ja |
12 N, 8-14 N |
nein |
Ring am Pen-Oberteil drehen |
NovoPen®
3 junior |
wieder- befüllbarer Pen* |
0,5 → 35 |
mittellaut |
analog, Sichtfenster; 2,5 mm |
ja++
|
ja |
12 N, 8-14 N |
nein |
Ring am Pen-Oberteil drehen |
NovoPen®
4 |
wieder- befüllbarer Pen* |
1 → 60 |
wenig laut |
analog, Sichtfenster m. Lupeneffekt; 4,0 mm |
ja** |
nein |
7 N, 6-8 N |
nein |
mit wenig Druck hineinschieben |
Omnican®
Pen 31, - 32 |
halbauto-matischer Pen |
1 → 21
2 → 42
|
sehr laut |
analog; 3,5 mm |
nein |
ja |
– |
nein |
Kolbenführung halten, Pen-Oberteil drehen |
Opticlik®
|
wieder- befüllbarer Pen* |
1 → 80 |
wenig laut |
digital, LCD, Sichtfenster m. Lupeneffekt; 6,0 mm |
ja** |
nein |
17 N, 15-18 N |
ja,
2 min
lang
|
nicht nötig+++
|
OptiSet®
|
Einmalpen |
2 → 40 |
mittellaut |
analog; 2,0 mm |
ja** |
– |
14 N, 12-16 N |
ja |
– |
SoloStar®
|
Einmalpen |
1 → 80 |
leise |
analog, Sichtfenster; 3,0 mm |
ja** |
– |
4 N, 3-4 N |
nein |
– |
Ypsopen®
|
wiederbefüllbarer Pen* |
1 → 60 |
mittellaut |
digital, LCD, Sichtfenster m. Lupeneffekt; 5,0 mm |
ja** |
nein |
15 N, 14-16 N |
ja,
2 min
lang
|
Dosierknopf bis zum Anschlag nach links drehen |
1 Schallpegel der Klickgeräusche bei der Dosiswahl: sehr laut > 42 dB(A); mittellaut 39-42 dB(A); wenig laut 35-38 dB(A); leise 31-34 dB(A); sehr leise < 31 dB(A);
Mittelwerte von jeweils zehn Messungen mit jeweils zwei Exemplaren des Pens, Distanz = 0,5 m
2 Werte auf 0,5-mm-Intervalle gerundet
3 Höhere Dosis wählbar und applizierbar als im Pen noch enthalten (bei wiederbefüllbaren und automatischen Pens)
4 Auf den Injektionsknopf am Pen auszuübende Kraft, um 90% von 20 I.E. Insulin innerhalb von 10 ± 1 s in ein offenes Gefäß abzugeben, Kanüle 0,25 x 8 mm;
Mittel- und Extremwerte von jeweils zehn gravimetrischen Messungen mit jeweils zwei Exemplaren des Pens
* ohne Federmechanik
** Dosierknopf bzw. Drehschalter zurückdrehen
++ Patronenhalterung vom Pen-Oberteil wegziehen, gleichzeitig Dosierknopf auf 0 zurückdrücken
*** Patronenkolben drückt beim Einsetzen Kolbenstange zurück
+++ Kolbenstange wird mit Patrone ausgetauscht
Hat der Patient versehentlich eine zu hohe Insulindosis eingestellt, ist es bei einigen Gerätetypen nicht möglich, diese Falscheinstellung durch Zurückdrehen des Dosierknopfes zu korrigieren (Tab. 1). Die falsch gewählte Insulindosis ist zu verwerfen und anschließend die korrekte Dosis einzustellen.
Erläuterungsbedürftig ist auch der Umstand, dass sich bei verschiedenen Penmodellen eine höhere Dosis einstellen lässt, als im Pen noch enthalten ist (Tab. 1), sodass nur ein Teil der gewählten Dosis injiziert wird. Wenn dieser Fall eingetreten ist, muss sich der Patient nach erfolgtem Patronenwechsel eine ergänzende zweite Teilmenge injizieren.
Vor der Injektion in eine Hautfalte ist stets die Spritzbereitschaft des Pens zu überprüfen und dabei gleichzeitig eventuell vorhandene Luft aus der Patrone zu entfernen. Dazu stellt man eine Dosis von ein bis zwei Einheiten ein und prüft, ob beim Betätigen des Dosierknopfes einige Insulintropfen aus der Nadelspitze austreten.
Die zum Injizieren auf den Dosierknopf auszuübende Fingerkraft unterscheidet sich bei den verschiedenen Insulinpens ohne Federmechanik bis um das Sechsfache (Tab. 1). Sie ist deshalb bei der Betreuung feinmotorisch eingeschränkter Patienten zu berücksichtigen. Das Verschieben bzw. Festhalten des an halbautomatischen Pens seitlich angebrachten Auslöseknopfes erfordert nur eine relativ geringe Kraft von circa 6 N. Beim Spritzen in das Abdomen ist bei diesen Modellen ferner die erforderliche Handstellung bequemer und damit die Fingerkraft höher. Auch bei derartigen ergonomischen Aspekten lässt sich in der Apotheke mit Hilfe von Placebopens patientenspezifisch leicht zwischen gut und weniger gut geeigneten Modellen differenzieren.
Nach dem vollständigen Niederdrücken des Injektionsknopfes bzw. Zurückspringen des Dosierknopfes in die Nullstellung muss die Kanüle mindestens noch zehn Sekunden in der Haut verbleiben. In folgenden Situationen kann sogar ein Ausdehnen dieser Zeitspanne erforderlich sein:
Wenn sich infolge einer Fehlbedienung des Pens eine große Luftblase in der Insulinpatrone befindet,
- wenn der Patient nur eine geringe Fingerkraft aufbringen kann,
wenn die Kanüle infolge falscher Handhabung geknickt oder durch eingetrocknete Insulinreste teilweise verlegt ist,
- wenn der Patient die Hautfalte sehr stark komprimiert.
Beim Wechseln der Insulinpatrone ist bei vielen Geräten die Kolbenstange zurückzuschrauben. In einigen Fällen lässt sie sich zurückschieben oder passt sich in der Auszuglänge automatisch der neuen Patrone an (Tab. 1).
Literatur
[1] W. Kircher: Arzneiformen richtig anwenden. Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart 2007, S. 15-36 und S. 56-83.
Anschrift des Verfassers:
Dr. Wolfgang Kircher
St. Barbara Apotheke
Hauptstr. 24, 82380 Peißenberg
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