Kommentar

Neuanfang?

Unerwartet kam das nicht: Angesichts einer so wohl noch nie da gewesenen Bedrohung, die viele Apotheker – zu Recht – als existenziell empfinden, entladen sich Wut, Ängste und Hilflosigkeit in der Suche nach Schuldigen. ABDA-Präsident Friese soll zurücktreten und den Weg für einen Neuanfang freimachen – mit dieser Forderung haben der Hessische Apothekerverband und die Apothekerkammer Nordrhein eine zweite Front in der Abwehrschlacht aufgemacht, die uns alle derzeit umtreibt.

Es mag ja richtig sein, was die Spatzen von den Dächern pfeifen: das Klima zwischen ABDA-Präsident Friese auf der einen und Ulla Schmidt und den Meinungsführern der Sozialdemokraten auf der anderen Seite sei eisig, eine vernünftige Gesprächsbasis existiere nicht mehr. Den Sozialdemokraten sitzen die 7,7 Mio. Unterschriften der Aktion Pro Apotheke noch in den Knochen. Aber: War die Unterschriftenaktion deshalb falsch? Und: Ist BAK-Präsident Metzger nicht mindestens ebenso verbrannt wie Friese, was sein Verhältnis zur Regierungskoalition angeht? Da hört auch keiner mehr hin. Dass man die Probleme jetzt noch durch eine Personal-Rochade lösen kann, ist nicht mehr als ein frommer Wunsch.

Dennoch (und ohne dass damit eine Schuldzuweisung verbunden wäre!) kann ein Austausch von Köpfen sinnvoll sein - aber welche Köpfe bieten sich als Alternative an? Das Tableau ist klein. Wer hat die Erfahrung, die Verbindlichkeit, die Durchsetzungsstärke, die strategische Kompetenz, die Opferbereitschaft, sich in dieser Situation vor einen Karren zu spannen, der tief im politischen Morast festgefahren ist? Übrigens nicht nur, weil gestern Fehler gemacht wurden. Manche der Fehlentwicklungen liegen Jahre und Jahrzehnte zurück – nicht zuletzt die groteske Innenorientierung, der mangelnde Blick über den Tellerrand, die insuffiziente Aufarbeitung der Interessen, Positionen, Möglichkeiten der anderen Player im Gesundheitswesen.

Ob da noch der jetzt schnell nachgeschobene ABDA-Vorschlag helfen kann, anstelle des Beitragssatzsicherungsgesetzes ein Einsparmodell in Analogie zu dem "Ostabschlag" aus den Jahren 1991 bis 1993 umzusetzen? Dabei würden die Marktbeteiligten (Hersteller, Großhandel und Apotheken) entsprechend ihrem Anteil an der Wertschöpfungskette belastet. Der Vorschlag hat Charme. Er wäre umsetzbar und würde niemanden überfordern, auch nicht die Pharmazeutische Industrie. Welche Gründe gab es, diese Alternative so spät ins Spiel zu bringen?

Klaus G. Brauer

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