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- AZ 49/2004
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Haushaltsdebatte: Regierung und Opposition streiten über Gesundheitsreform
Der Grund für die Aussprache - der Sozialetat - wurde in den Reden der Abgeordneten nur am Rande behandelt. Auch der zwölfseitige Antrag der Union zu den Folgen des GMG wurde nur von Wenigen aufgegriffen. In diesem wird die Bundesregierung aufgefordert, einige Maßnahmen des GMG kritisch zu überprüfen. Dazu zählen u. a. die Herausnahme rezeptfreier Arzneimittel aus der Erstattung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), die neue Festbetrags- und Importregelung sowie die Mehrbesitzregelung für Apotheker.
Zöller verteidigt Unionskonzept
Wolfgang Zöller (CSU), der designierten Nachfolger des zurückgetretenen Fraktionsvizes Horst Seehofer, eröffnete die Debatte. Er warf der Regierung eine gescheiterte Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik vor. Folge sei ein drohender "finanzieller Offenbarungseid in den Sozialkassen". Damit sei auch der innere Zusammenhalt der Gesellschaft gefährdet. Zöller verteidigte das Konzept der Union für eine solidarische Gesundheitspauschale: Obwohl man Opposition sei, habe man als einzige Partei klare Vorschläge unterbreitet.
Mit dem Unionsmodell würden durch die Festschreibung des Arbeitgeberbeitrages erstmals die Gesundheits- von den Arbeitskosten abgekoppelt. Sachgerecht sei auch, dass gesamtgesellschaftliche Aufgaben - wie die Versicherung von Kindern - von allen finanziert werden sollen. "Bewusst" wolle man weitere strukturelle Veränderungen angehen. Nötig seien weniger staatliche Reglementierungen und mehr Wahlentscheidungen für Versicherte. Die Regierung habe kein schlüssiges Konzept ihrer "Bürgerzwangsversicherung", betonte Zöller. Sie habe die Sozialsysteme "finanziell an die Wand gefahren" und der Bürger sehe "keine Perspektive, wie man aus der Misere heraus kommt". Rot-Grün fehle der Mut, die notwendigen Reformen zwei Jahre vor der Wahl anzugehen.
Union: GMG wurde schlampig umgesetzt
Der CDU-Politiker Andreas Storm warf Rot-Grün vor, den GKV-Defiziten lediglich mit einer Behandlung der Symptome, nicht aber der Ursachen begegnet zu sein. Es habe "Notoperationen" und "Streichkonzerte" gegeben - für die Schaffung einer nachhaltigen und soliden Einnahmebasis sei jedoch nicht gesorgt worden. Diese solide Finanzbasis brauche man, um sicherzustellen, dass der medizinische Fortschritt bezahlbar bleibt, ohne dass die Arbeitskosten explodieren. Genau das schaffe die Gesundheitsprämie der Union, so Storm.
Die gesundheitspolitische Sprecherin der Union, Annette Widmann-Mauz, beschuldigte Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt, die Wähler 2002 über die Finanzlage der Sozialversicherungen getäuscht zu haben - "und das tun Sie jetzt wieder". Der Antrag der Union zum GMG sei eine "kritische Bestandsaufnahme" und stelle unangenehme Fragen. Dass die Regierung diese Fragen nicht aufwerfe, zeige wie "wenig verantwortungsvoll" der Gesundheitskompromiss umgesetzt werde, sagte Widmann-Mauz. So sei die Einführung einer elektronischen Gesundheitskarte "von Anfang an falsch angepackt" worden.
SPD: Nichts passt bei der Union
Die Staatssekretärin im BMGS, Marion Caspers-Merk, hielt der Union vor, mit ihrem Antrag zu den Wirkungen des GMG vieles aus dem gemeinsam "mühsam ausgehandelten" Gesundheitskompromiss in Frage zu stellen und wieder rückgängig machen zu wollen. Dabei trage die Reform gerade "die ersten Früchte". Dies verschweige auch der Unions-Antrag nicht. Beides passe jedoch nicht zusammen. "Wenn wir diesen Antrag ernst nehmen würden, hätten wir deutliche Probleme bei den Beiträgen", betonte die Staatssekretärin. Die SPD-Abgeordnete Waltraud Lehn räumte zwar ein, dass die Haushaltssituation "zweifelsfrei schwierig" sei - dennoch verteidigte sie den Etat des BMGS als "sozial". Der Union warf sie vor, eine Vielzahl von Kürzungsanträgen gestellt zu haben, etwa was Leistungen für chronisch Kranke und Pflegebedürftige oder Mittel für die Aidsbekämpfung betrifft. Rot-Grün habe diese "Streichorgie" jedoch verhindern können. Was das Reform-Modell für die künftige Finanzierung der GKV betrifft, so sei dies "schlecht gedacht und schlecht gemacht". Es zeige sich, dass die Union "nicht rechnen" könne. Die Prämie sei falsch berechnet und es bestehe eine Finanzierungslücke von rund 18 Mrd. Euro.
Die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, Biggi Bender verwies darauf, dass nach dem Reform-Modell der Union Jahr für Jahr rund 18 Millionen Haushalte mit 40 Millionen Mitgliedern Anträge für eine Bezuschussung ihrer Prämie stellen müssten - sie alle seien zu prüfen und zu genehmigen. Zudem gebe es keine Anreize für Versicherte, sich eine günstige Krankenkasse zu suchen, wenn sie ohnehin immer 7 Prozent ihres Einkommens für die Krankenversicherung aufwenden müssen. Was den Antrag zu den Auswirkungen des GMG betreffe, habe sie den Eindruck, die Union sorge sich "vor allem wieder um die Konkurrenzängste der Apotheker".
FDP: Rot-Grüner Scherbenhaufen
Die FDP unterstützte die Kritik der Union. "Die Systeme der sozialen Sicherung in Deutschland befinden sich in einer schweren Krise", betonte der Abgeordnete Heinrich L. Kolb. Rot-Grün stehe in allen Zweigen der Sozialversicherung vor einem "Scherbenhaufen". Kolb warf Ulla Schmidt "eine dreiste Volksverdummung" vor, wenn sie wiederholt behaupte, die GKV-Beiträge werden im kommenden Jahr nahe 13 Prozent liegen.
Kanzler will "bei Apotheken aktiv werden"
Schon am Vortag hatte Bundeskanzler Gerhard Schröder im Rahmen der Debatte zum Haushalt des Kanzleramts die Gesundheitspolitik angesprochen. Er bezeichnete die bislang auf den Weg gebrachten Maßnahmen als Erfolg. Er dankte Ministerin Schmidt hierfür und würdigte, dass sie sich als standhaft gegenüber den Interessengruppen im Gesundheitswesen erwiesen habe. Schröder kündigte zugleich an, dass die Regierung noch mehr vorhat: "Wir werden, was die Aspekte Transparenz und Markt angeht, zum Beispiel bei den Apotheken aktiv werden". Was die Marktorientierung der Leistungserbringer angehe, wäre man gerne schon vorher weiter gegangen, erklärte der Kanzler. Dem Gesundheitskonsens der Unionsparteien erteilte auch Schröder eine Absage: "Sie haben wirklich ein bürokratisches Monstrum zustande gebracht, wie man es schlechter kaum machen kann!"
Schmidt und Seehofer schweigen
Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt ergriff in der Debatte zu ihrem Einzelhaushalt nicht das Wort - sie war zwar anwesend, doch eine Erkältung hatte ihr die Stimme verschlagen. Horst Seehofer folgte der Debatte ebenfalls, ohne selbst ans Rednerpult zu gehen. Der Etat des BMGS wurde letztlich mit den Stimmen der Regierungskoalition beschlossen. Er umfasst 84,4 Mrd. Euro und ist damit der größte Einzeletat des Bundeshaushaltes 2005. Der Großteil der Mittel - 77,9 Mrd. Euro - fließt in die gesetzliche Rentenversicherung.
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