Gesundheitspolitik

Abmahn-Welle schwappt über Apotheken

Anwälte: Kein Grund zur Unruhe – nichts zahlen, aber prüfen

BERLIN (ks) | Vergangene Woche erhielten bundesweit tausende Apotheker unerfreuliche Post von Rechtsanwalt Christoph Becker aus Leipzig. Im Auftrag des Eigentümers der Brücken-Apotheke in Schwäbisch Hall, Hartmut Wagner, mahnt der Anwalt bundesweit mehrere Tausend Apotheken wegen ihres Online-Auftritts ab. Betroffen sind sowohl Apotheken, die Webseiten von Anbietern wie dem Wort & Bild Verlag oder apotheken.de nutzen, als auch solche mit eigenen Homepages oder Facebook-Seiten. Mit kurzen Fristen forderte der Anwalt Unterlassungserklärungen und erhebliche Geldzahlungen. Die einhellige Botschaft an die betroffenen Apotheker ist jedoch: Nichts voreilig unterschreiben – und schon gar nicht zahlen. Allerdings könnte es nötig sein, Korrekturen an den Webseiten vorzunehmen.

Der Apotheker und sein Anwalt setzen offenbar auf das schnelle Geld: Innerhalb von sieben Tagen sollen die Abgemahnten eine Unterlassungserklärung abgeben, innerhalb von 14 Tagen Summen von mehreren tausend Euro gezahlt werden. Wer binnen fünf Tagen nachgibt und sich auf einen Vergleich einlässt, kommt mit etwas weniger, aber einer doch noch erklecklichen Summe davon – so jedenfalls die Vorstellung des Leipziger Anwalts.

Impressum kontrollieren

Den Abgemahnten wird unter anderem vorgeworfen, ihr Impressum sei aus verschiedenen Gründen unvollständig. Hier sollten betroffene Apotheken tatsächlich überprüfen, ob sie den Vorgaben des § 5 Telemediengesetz genügen und gegebenenfalls nachbessern bzw. erforderliche Änderungen ihrem Webseiten-Anbieter melden. Das raten die Anbieter Wort & Bild („Apotheken Umschau“) und apotheken.de (Deutscher Apotheker Verlag), ihren Kunden in Info-Mailings – auch wenn beide Anbieter davon ausgehen, dass die Abmahnungen rechtsmissbräuchlich sind. Vor allem sollten Apotheker kontrollieren, ob in ihrem Impressum die Rechtsform der Apotheke (e.K., OHG, Einzelunternehmen …), das Handelsregister und die Registernummer und die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer eingetragen sind. Auf diese Punkte bezieht sich offenbar die Mehrzahl der Abmahnungen.

Außerdem muss das Impressum den Namen des Apothekenleiters, die Anschrift, Telefonnummer, E-Mail-Adresse, Berufsbezeichnung sowie das Land, in dem diese erworben wurde, die zuständige Landesapothekerkammer inklusive eines Links zu den berufsrechtlichen Regelungen und die Aufsichtsbehörde enthalten.

Ein weiterer Vorwurf ist, bei den Abgemahnten könne man Arzneimittel vorbestellen, die dem Versandverbot unterliegen. Dazu zählen thalidomidhaltige Arzneimittel und unter das Betäubungsmittelgesetz fallende Arzneimittel wie Fentanyl oder Tilidin. In vielen Fällen, etwa bei den betroffenen Kunden von apotheken.de, handelt es sich allerdings um eine reine Vorbestellmöglichkeit, nicht um Arzneimittelversand. Die Apotheken besitzen oftmals nicht einmal eine Versanderlaubnis. Der potenzielle Kunde muss das gewünschte Präparat selbst in eine Maske eingeben – eine Datenbank ist nicht hinterlegt. Auf der Webseite wird direkt darauf hingewiesen, dass es sich um eine unverbindliche Vorbestellung handelt. Ein verbindlicher Vertrag kommt bei apotheken.de erst dann zustande, wenn das vorbestellte Arzneimittel in der Apotheke gegen Vorlage des Originalrezepts abgeholt wird. Ein Versand findet in diesem Fall also gar nicht statt.

Und es gibt noch weitere Vorwürfe: Beispielsweise werden Verstöße gegen die Lebensmittelinformationsverordnung gerügt und es soll Magnetschmuck zum Verkauf angeboten worden sein. Letzteres ist nach jüngster Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts tatsächlich unzulässig.

Keine Versandhandelserlaubnis

Fragwürdig ist ferner, dass der Anwalt behauptet, sein Auftraggeber betreibe neben seinem Ladengeschäft auch eine Versandapotheke, weshalb er Wettbewerber der abgemahnten Apotheken sei. Allerdings: Wagner besitzt keine Versandhandelserlaubnis. Im tagesaktuellen DIMDI-Register ist er nicht registriert – damit dürfte ihm bereits in vielen Fällen die Befugnis zur Geltendmachung einer Abmahnung fehlen. Jedenfalls Apotheken, die nicht in seiner unmittelbaren Umgebung ansässig sind und auch keine Versanderlaubnis besitzen bzw. über ihre Webseite einen reinen Abholservice anbieten, können ihm gar nicht zum Wettbewerbsproblem werden. Dann wären auch seine inhaltlichen Anschuldigungen gegenstandslos.

Was sollten Betroffene tun?

Die eingeforderte Erklärung sollte nicht unterschrieben und die verlangte Geldsumme nicht gezahlt werden. Dies raten Dr. Timo Kieser von der Stuttgarter Rechtsanwaltskanzlei Oppenländer und der Kölner Rechtsanwalt Valentin Saalfrank, die mit dem Fall betraut sind. Beide gehen von einem klaren Fall des Rechtsmissbrauchs aus und kümmern sich jetzt um die außergerichtliche Kommunikation betroffener apotheken.de-Kunden. Es gilt die unterschiedlichen Abmahnungen zu prüfen – möglicherweise könnte es sogar auf eine Strafanzeige gegen den Leipziger Anwalt und den Apotheker aus Schwäbisch Hall hinauslaufen. Wer nicht über seinen Webseiten-Anbieter rechtliche Unterstützung erhält, sollte genauso wenig unterschreiben wie alle anderen, so Rechtsanwalt Dr. Timo Kieser. Gleichwohl sollte er anwaltlich prüfen lassen, ob es mit Blick auf die abgemahnten Verstöße Verbesserungsbedarf beim Auftritt im Internet gibt.

Kieser sieht keinen Grund zur Beunruhigung. Auch wenn die gesetzten Fristen ablaufen, müssten die abgemahnten Apotheker erst einmal nichts befürchten. Der Abmahnanwalt und der Apotheker müssten dann überlegen, ob angebliche Unterlassungsansprüche gerichtlich geltend gemacht werden. Sowohl Kieser als auch Saalfrank gehen nicht davon aus, dass die Klagen Erfolg hätten. Möglicherweise könnte die Drohung, die zuständige Kammer/Aufsichtsbehörde über die Verstöße zu informieren, wahr gemacht werden. Aber auch hier sehen die Anwälte bei den allermeisten gerügten Verstößen keine Konsequenzen auf den Apotheker zukommen. Insbesondere sei die Zulassung nicht gefährdet. 

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