Gesundheitspolitik

Großhandels-Skonti auf der Kippe?

AEP und Wettbewerbszentrale treffen sich in zweiter Instanz vor dem Oberlandesgericht

BERLIN (mvdh/ks) | Am Rabatt-Modell des Großhändlers AEP soll juristisch geklärt werden, wo die Grenzen für Rabatte und Skonti an Apotheken zu ziehen sind. Müssen sich die Großhändler insgesamt im engen Rahmen von 3,15 Prozent bewegen – der prozentualen Marge der Großhändler laut Arzneimittelpreisverordnung? Oder sind Skonti im Gegenzug für eine schnelle Zahlung auch darüber ­hinaus zulässig? Und was ist mit den 70 Cent Fixzuschlag? Ist dieser vielleicht auch disponibel? Die Wettbewerbszentrale will mit ihrer Klage gegen AEP Antworten auf diese Frage finden. Der Großhändler aus Alzenau bietet Apotheken neben Rabatten im Rahmen des prozentualen Großhandelszuschlags auch Skonti von zusätzlich 2,5 Prozent an. Während die erste Instanz dies für zulässig hielt, sieht es nach der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht Bamberg in der Berufungsinstanz so aus, als werde diesmal die Wettbewerbszentrale Recht bekommen. Das letzte Wort wird jedoch der Bundesgerichtshof haben.

Nach § 2 Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) dürfen Großhändler bei der Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln höchstens 3,15 Prozent plus 70 Cent als Aufschlag erheben. Für die Wettbewerbszentrale ergibt sich daraus: Rabatte dürfen sie nur im Rahmen des prozentualen Zuschlags gewähren. Doch sind auch Skonti als Rabatte zu verstehen? Dann lägen die von AEP angebotenen Nachlässe nämlich klar über der 3,15-Prozent-Grenze. Das Landgericht Aschaffenburg sah im AEP-Modell jedoch keinen Verstoß gegen geltendes Recht und wies die Klage auf ­Unterlassung ab (Urteil vom 22.10.2015, Az. 1 HK O 24/15).

OLG als Durchgangsstation

Nach der Verhandlung in zweiter Instanz, die am 8. Juni in Bamberg stattfand, sieht es so aus, als würde diesmal AEP unterliegen. Der Vorsitzende Richter am Oberlandesgericht machte in der Verhandlung deutlich, dass ihm die Argumente – auch über die Schriftsätze hinaus – bekannt sind. Er zeigte sich ausgesprochen gut vorbereitet, machte aber auch gleich deutlich: „Wir sehen uns als Durchgangsstation auf dem Weg zum Bundesgerichtshof“. Denn wie auch immer das Urteil ausfallen wird, eine höchstrichterliche Klärung streben beide Seiten an.

Verweis auf AMNOG-Gesetzesbegründung

Der Vorsitzende ging in der Verhandlung der Frage nach, welche Ziele der Gesetzgeber mit Modellen zur Preisgestaltung bei Großhändlern eigentlich verfolge. Neben mehreren Quellen nannte er als relevantesten Fund die Bundestagsdrucksache 17/2413 – das Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz, mit dem die Großhandelsvergütung ab 2012 auf neue Füße gestellt wurde. Seitdem berechnet sich der Großhandelszuschlag über einen prozentualen und einen fixen Anteil.

Aufgabe des Großhandels sei, zitierte der Vorsitzende weiter, an der flächendeckenden Versorgung von Medikamenten mitzuwirken. Im Fixum sieht er einen Weg, gegen die alleinige Attraktivität von Hochpreisern vorzugehen. „Preis­unabhängige Bestandteile sind nicht rabattfähig“, leitete er daraus ab. Ansonsten sei ein „Missbrauch via Skonti“ zu befürchten, um „de facto einen Preiskampf zu eröffnen, den der Gesetzgeber gerade vermeiden wollte“. Tendenziell sehe er, dass Rabatte und Skonti gleichermaßen gegen § 78 Arzneimittelgesetz verstießen. Das Landgericht hatte die jüngsten Änderungen in dieser Norm nicht einmal in seine Überlegungen eingeschlossen.

Einen Rechtsmissbrauch, wie von AEP in der ersten Instanz und im Schriftsatz moniert, sah der Richter nicht. Der Großhändler hatte angegeben, die Wettbewerbszentrale verfolge indirekt Interessen von Mitbewerbern im Markt.

Preiswettbewerb über Skonti

Für den beklagten Großhändler war neben einer anwaltlichen Vertretung Geschäftsführer Jens Graefe erschienen. Der Anwalt argumentierte vor allem, dass in der Arzneimittelpreisverordnung immer von Höchstgrenzen die Rede sei – nie aber von Untergrenzen. Hätte der Gesetzgeber das gewollt, sei es ihm „über die AMPreisV nicht gelungen“.

Nach den Ausführungen seines Rechtsanwalts meldete sich Graefe selbst zu Wort. „80 Prozent aller Medikamente kosten nur wenige Euro. Damit kommen Sie nicht weit“, so seine Begründung, warum ein Fixum wirtschaftlich sinnvoll sei. „Die reine Logistik kostet fünf bis zehn Cent pro Präparat.“ Damit sieht er noch Raum – auch für ein Antasten des fixen Zuschlags. Graefe zufolge gibt es in Deutschland „keinen Flecken, den nicht drei oder vier Großhändler beliefern“. Von einer Gefährdung der flächendeckenden Versorgung könne nicht die Rede sein. Warum 70 Cent hier gefährlich werden sollten, sei „nicht erkennbar“.

Umso wichtiger sei für ihn der „Preiswettbewerb über Skonti“. Dabei gebe es „echte und unechte Skonti“, sprich versteckte Rabatte, inklusive fiskaler Unterschiede. „Vier Prozent auf drei Monate ist eine Umgehung, während 2,5 Prozent auf fünf Tage eher kurz ist.“ Rechenzentren zahlten erst zum 15. des Folgemonats, sprich Apotheker müssten eine entsprechend hohe Liquidität haben.

„Keine Marktbetrachtung“

„Wir machen hier keine Markt­betrachtung“, konterten Anwälte der Wettbewerbszentrale. Sie unterstützen die Argumentation der Wettbewerbszentrale und bewerten das aktuelle Honorierungs­modell für Großhändler als eine Kombination aus rabattierbaren und nicht rabattierbaren Bestandteilen. Der Gesetzgeber wolle eine ausreichende Vergütung für den Großhandel, um die flächendeckende Versorgung nicht zu ­gefährden, lautete ihre Interpretation. Zwischen Rabatten und Skonti sahen sie keinen Unterschied. Außerdem hätten oberste Gerichte die Preisbindung bei Rx-Präparaten „mehrfach abgenickt“.

Der Vorsitzende Richter machte abschließend klar, man habe sich „intensiver mit der Materie befasst, als dies bei anderen Ver­fahren möglich ist“. Und er machte ebenfalls deutlich, dass sich das Gericht mit dem Recht be­fasse – und nicht so sehr mit dem Markt. Der Vorsitzende kündigte an, das Urteil am 29. Juni zu verkünden. |

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