Kommentar zu AOK-Vorschlägen zur Apotheken-Zukunft

Apothekensystem komplett umgekehrt

Süsel - 20.12.2024, 12:15 Uhr

Über ganz neue Apothekenkonzepte lassen sich drei Autoren im AOK-Magazin G+G aus. (Foto: IMAGO / Ardan Fuessmann)

Über ganz neue Apothekenkonzepte lassen sich drei Autoren im AOK-Magazin G+G aus. (Foto: IMAGO / Ardan Fuessmann)


Ein kürzeres Studium sowie mehr Markt und weniger Honorar für die Apotheken sind die wesentlichen Vorschläge in einem Beitrag des AOK-Magazins „Gesundheit und Gesellschaft“. Dies zeigt, dass die Autoren offenbar ein ganz anderes Konzept von Apotheken verfolgen, erläutert DAZ-Redakteur Thomas Müller-Bohn in einem Kommentar.

Im AOK-Magazin „Gesundheit und Gesellschaft“ ist ein Beitrag mit Ideen für einen europäischen Regulierungsrahmen für Apotheken erschienen, die dem Konzept der deutschen Apotheken grundlegend zuwiderlaufen. Das beginnt schon mit der Voraussetzung, dem Studium. Das wollen die Autoren verkürzen und verweisen dazu auf skandinavische Bachelor-Studiengänge, die nur drei Jahre dauern und für eine Beschäftigung in der Apotheke ausreichen.

Kein Apotheker mit drei Jahren Ausbildung

Doch ein solches Bachelor-Studium endet in Schweden mit dem Examen als „Receptarie“ und nicht als „Apotekar“. Ein Receptarie darf zwar in schwedischen Apotheken Arzneimittel abgeben, ist aber kein Apotheker, und ein solches Studium erfüllt nicht die EU-Voraussetzungen für die Anerkennung der Ausbildung als Apotheker. Der Vorschlag taugt also bestenfalls als Grundlage für eine zusätzliche Berufsgruppe in der Apotheke, aber nicht als Perspektive für den Apothekerberuf. Wenn solche Receptaries mit allen Befugnissen von Apothekern versehen würden, wäre dies hingegen eine Einschränkung der Leistungen in den Apotheken.

Konzept des freien Berufs „umgedreht“

Noch deutlicher werden die Widersprüche in der Passage zur Regulierung der Inhaberschaft der Apotheken. Dort heißt es, die Apotheken seien Wirtschaftsbetriebe, bei denen die Handelstätigkeit die „Oberhand über die Aufgaben der öffentlichen Gesundheitspflege“ habe. Daraus wird abgeleitet, dass die Apotheken einen „Marketing-Vorteil“ bei der Vermarktung von OTC-Arzneimitteln und anderen Gesundheitsprodukten hätten und dies bei der Honorierung berücksichtigt werden sollte. 

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Doch der Ausgangspunkt dieser Argumentation ignoriert die Grundidee der freien Berufe. Ein freier Heilberufler, der als Eigentümer die volle Haftung übernimmt, ist seinem heilberuflichen Auftrag verpflichtet und soll gerade deswegen kein ausuferndes Gewinnstreben entwickeln. Dabei spielt die volle Haftung eine wichtige Rolle für die Verantwortung, aber gerade die Eigenschaft als Eigentümer wird hier argumentativ „umgedreht“ und muss als Grundlage für ein angeblich rein wirtschaftliches Interesse herhalten. Dabei wollen die Autoren sogar noch mehr Marktwirtschaft. Sie möchten die Idee des ungebremsten Gewinnstrebens gerne nutzen, um die Honorierung für die Apotheken (oder hier treffender: Arzneimittelabgabestellen) drücken zu können. Das würde dann bedeuten, dass sich Apotheken nur mit zusätzlichen lukrativen Umsätzen rechnen. Die Belieferung von GKV-Rezepten wäre dann kein Geschäftsmodell mehr, das sich trägt. Die Autoren wollen offenbar nicht, dass die GKV für ihre Versicherten ein gutes Versorgungssystem bezahlt. Das System soll sich stattdessen selbst über den Markt finanzieren. Vermutlich schweben ihnen Arzneimittelabgabeecken wie in amerikanischen Supermärkten vor, die aber nicht flächendeckend verfügbar wären.

Weniger statt mehr Honorar

In einer solchen Welt sehen die Autoren Spielraum für weniger Honorar, weil die Apotheken sich anders finanzieren sollten – über andere Umsätze und durch Großhandelsrabatte. Prozentuale Honorarkomponenten soll es nach den Ideen der Autoren gar nicht mehr geben. Denn angesichts der Leistungsfähigkeit des Großhandels müsste die Ware nicht für eine nennenswerte Zeit finanziert werden. Die Probleme mit den Hochpreisern kommen in dem Beitrag nicht vor. Vor allem bleibt die Idee der dezentralen Lagerung mit Blick auf die Versorgungssicherheit und auf Krisensituationen auf der Strecke. Es geht also nur ums Sparen an der Leistung und damit an den Patienten.

Vorsicht – anderes Apothekenkonzept!

Das alles hat mit dem bewährten und auch in der Pandemie erfolgreichen Konzept der Apotheken in Deutschland nichts mehr zu tun. Im Gegenteil – alles, was sich jahrzehntelang bewährt hat, wird hier komplett umgekehrt. Zu erklären sind diese Gedanken nur so, dass die Autoren offenbar ein ganz anderes Konzept von Apotheke verfolgen. Doch wer will solche Apotheken?

 


Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Und?

von Reinhard Herzog am 20.12.2024 um 13:07 Uhr

"Unrat vorbeischwimmen lassen!"
(Managerweisheit)

Aber es gilt auch immer noch die Erkenntnis:
“Es ist nicht die stärkste Spezies, die überlebt, auch nicht die intelligenteste, sondern diejenige, die am meisten auf Veränderungen reagiert.” – Charles Darwin

Allen frohe und glückliche Festtage, gern auch mal ohne Apotheken-Zukunftsängste ...

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Den Sozialismus in seinem Lauf . . .

von Uwe Hansmann am 20.12.2024 um 13:01 Uhr

. . . sollen die Krakas doch selbst die Apos betreiben und versuchen entsprechende Fachkräfte zu billigsten Konditionen einzustellen.

Diese gibt es nicht in ausreichender Menge und dann erst recht nicht für kleines Geld.

Traumtänzer!

Bin gespannt, wie die paritätisch besetzten Aufsichtsgremien diesen Vorstoß sehen.

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