Wirtschaft

Asien hat übernommen

Studie zur globalen Wirkstoffproduktion: Zwei Drittel der APIs kommen aus Asien

ks | Seit Jahren sind Lieferengpässe bei Arzneimitteln ein Dauerthema in den Apotheken. In der Diskussion um die Ursachen geht es stets auch um die Herkunft der Arzneimittel bzw. ihrer Wirkstoffe. Diese kommen mittlerweile vor allem aus Asien – doch dafür gab es bislang eher eine gefühlte Evidenz statt valider Daten. Eine aktuelle Studie mit dem Titel „Woher kommen unsere Wirkstoffe? Eine Weltkarte der API-Produktion“, die Pro Generika in Auftrag gegeben hat, bestätigt die Vermutungen nun. Sie zeigt aber auch: Europa hat ebenfalls noch Potenzial.

Für die vergangene Woche vorgestellte Studie wurden 554 APIs (Active Pharmaceutical Ingredient) untersucht, die zumindest ein CEP (Certificate of Suitability of Monographs of the European Pharmacopoeia) tragen – die „Goldstandard-Zulassung“ für ein API, wie Dr. Andreas Meiser, Autor der Studie und Geschäftsführer von MundiCare Life Science Strategies, erläuterte. Der Vorteil: CEPs werden in einer öffentlichen Datenbank erfasst. Allerdings sind nicht immer alle CEPs für ein API in Gebrauch.

Die Verschiebung der Produktionsstätten macht der Vergleich der Jahre 2000 und 2020 deutlich. Während vor 20 Jahren in der Datenbank 589 CEPs gelistet waren, die zu 59 Prozent in Europa und zu 31 Prozent in Asien gehalten wurden, hat sich das Verhältnis heute umgekehrt: 63 Prozent der CEPs werden 2020 in Asien gehalten, nur noch 33 Prozent in Europa. Zudem hat sich die Zahl der CEPs enorm erhöht, vor allem in Asien. Die Studie machte insgesamt 3786 solcher Wirkstoffzulassungen aus (2369 in Asien, 1260 in Europa). In Asien wiederum sind ganz klar China und Indien die Platzhirsche. Hier werden heute laut Studie mehr als 80 Prozent aller in Asien liegenden CEPs gehalten. Und auch in diesen beiden Ländern ist eine klare Konzentration auf wenige Regionen zu verzeichnen. Beispielsweise kommen 90 Prozent der indischen CEPs aus nur vier der 28 indischen Bundesstaaten.

Ein Sechstel der Wirkstoffe ohne EU-Produktion

Ein weiteres Ergebnis der Studie: Ein Sechstel der in Europa benötigten Wirkstoffe wird ausschließlich außerhalb Europas hergestellt. Dabei handelte es sich laut Meiser um eine heterogene Mischung quer durch die Indikationen. Betroffen sind etwa Simvastatin oder Chloroquin, aber auch antibiotische Wirkstoffe. Für mehr als die Hälfte (56%) der APIs gibt es überdies nur fünf oder weniger CEPs und damit sehr wenige Hersteller.

Blickt man auf einzelne Wirkstoffe – 21 nimmt die Studie hier exemplarisch unter die Lupe –, zeigt sich: In Europa werden vor allem Wirkstoffe mit vergleichsweise niedrigem Produktionsvolumen hergestellt sowie solche, deren Produktion komplex ist. Zu 100 Prozent aus Europa kommen einer Schätzung zufolge etwa Benserazid und Propofol. Methotrexat und Levothyroxin kommen noch auf 95 Prozent aus der EU. In Asien konzentriert man sich dagegen auf großvolumige Wirkstoffe.

Meisers Fazit: „Hauptsächlich ungleiche regulatorische Rahmenbedingungen und ein massiver Kostendruck haben dazu geführt, dass die europäische Versorgung heute in hohem Maße von nur wenigen Wirkstoffherstellern in sehr kleinen Teilen der Welt abhängt. Das birgt Risiken für die Versorgung.“ Aber er stellt ebenso fest, dass es in Europa nach wie vor das Know-how und die Kapazitäten für die Wirkstoffproduktion gibt.

Für Pro-Generika-Geschäftsführer Bork Bretthauer ist klar: Diese in Europa noch vorhandenen Standorte gilt es zu schützen und zu stärken. Eine aktive Rückholung der bereits abgewanderten Produktion hält er für wenig realistisch. Aber eine weitere Abwanderung müsse und könne gestoppt werden. Denkbar seien zum Beispiel Investitionszu­schüsse – so kürzlich geschehen im österreichischen Kundl, wo nun die letzte westliche Antibio­tikaproduktion erhalten bleibt. Aber auch stabilere Lieferketten müssten belohnt werden – etwa wenn eine Krankenkasse bei einer Ausschreibung darauf besteht, dass ein Arzneimittel­anbieter einen zweiten Wirkstoffhersteller bieten kann.

Für Bretthauer liegt der Ball nun im Spielfeld der Politik. Sie müsse neue Spielregeln aufstellen: Weg vom Preis als alleiniges Kriterium bei Ausschreibungen. Dabei setzt der Pro-Generika-Geschäftsführer auch mehr auf die deutsche denn auf die europäische Politik. Zwar hat auch die EU klar das Ziel, wieder unabhängiger von Arzneimittel- und Wirkstoffproduzenten in Asien zu werden. Doch die Gesetzgebungsverfahren auf EU-Ebene dauern erfahrungsgemäß sehr lang. In Deutschland, so Bretthauer, könnten viel schneller Regeln geschaffen werden, die eine neue Balance zwischen Wirtschaftlichkeit und Bezahlbarkeit herstellen.

Letztlich ist der Fokus auf die Wirkstoffe für Pro Generika erst ein Anfang. Bretthauer: „Es darf uns bei der Diskussion über mehr Liefersicherheit nicht nur um Wirkstoffe gehen. Diese allein machen noch kein Arzneimittel aus. Eine robustere Produktion von generischen Medikamenten – auch in Europa – muss alle Fertigungsschritte umfassen und sollte unser großes politisches Ziel sein.“ |

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