Skandal in Heilbronn

Arzt praktizierte ohne Zulassung – öffentliches Register gefordert

Berlin - 08.01.2013, 10:37 Uhr


Ein in den Niederlanden angeklagter Arzt praktizierte über Jahre ohne gültige Zulassung am Heilbronner Großklinikum. Jetzt hat die Staatsanwaltschaft Vorermittlungen begonnen. Gleichzeitig wird die Forderung nach einer europäischen schwarzen Liste lauter.

Alle Behandlungen, an denen der inzwischen gekündigte Arzt beteiligt war, werden nun von externen Gutachtern der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums Heidelberg überprüft. So soll sichergestellt werden, dass keinem Patienten Schaden entstanden sei, heißt es vom Klinikum. Erste Ergebnisse werden im Laufe der nächsten Woche erwartet. Um wie viele Fälle es geht, ist offen. Klinikchef Thomas Jendges sagte am Wochenende, in Heilbronn sei „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ kein Patient geschädigt worden.

Der Arzt, den niederländische Medien „Dr. Frankenstein“ tauften, arbeitete seit 2011 am Heilbronner Klinikum, obwohl er in den größten medizinischen Strafprozess in der Geschichte der Niederlande verwickelt ist und dort auch seine Approbation zurückgegeben hat. Er soll in Holland in mehr als 20 Fällen Patienten fälschlicherweise unheilbare Krankheiten wie Alzheimer, Multiple Sklerose und Parkinson attestiert haben – ein Patient soll Selbstmord begangen haben. Bei mindestens 13 Patienten sollen wegen der falschen Diagnosen unnötig Gehirnoperationen ausgeführt worden sein.

Die Heilbronner Klinik versucht indes aufzuklären: Nach ersten Erkenntnissen hatte die Personalabteilung 2011 Gerüchte überprüft, nach denen der Arzt keine gültige Approbation habe. Der Mann habe allerdings eine gültige deutsche Approbation aus dem Jahr 2006 sowie eine gültige Facharzturkunde vorlegen können. Auch ein Krankenhaus, in dem der Beschuldigte zuvor gearbeitet hatte, habe auf Anfrage eines Chefarztes nicht über Auffälligkeiten berichtet. Die zuständige Bezirksregierung in Arnsberg teilte ebenfalls mit, die Approbation sei aus ihrer Sicht wirksam erteilt worden. Der Mediziner habe eine amtliche deutsche Übersetzung der damals angeforderten Unbedenklichkeitsbescheinigung aus den Niederlanden vorgelegt.

Heilbronns Klinikchef Jendges pocht angesichts der Personalnot an Kliniken in Deutschland auf neue Richtlinien. Denn es müssten immer öfter Ärzte aus anderen europäischen Ländern beschäftigt werden. Auch Politiker – sowohl in den Niederlanden als auch in Deutschland – fordern eine europäische schwarze Liste: „Es sollte eine automatische, gegenseitige Information, etwa in Form eines zentralen Registers in Europa geben“, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Union, Jens Spahn, der „Heilbronner Stimme“. So könnte verhindert werden, dass ein Arzt in einem Land praktiziert, wenn er woanders seine Behandlungserlaubnis verloren hat.

Laut dem CDU-Europaabgeordneten Dr. Peter Liese gibt es in den Niederlanden bereits ein entsprechendes öffentliches Register, in dem einzusehen ist, ob ein Arzt eine gültige Zulassung besitzt. „Ich appelliere an die Kliniken und Krankenhäuser, diese vorhandenen Informationen im Sinne des Patientenschutzes zu nutzen, um damit solche Skandale zukünftig zu verhindern“, so Liese. Die europäischen Institutionen arbeiten mit Hochdruck an der Überarbeitung der sogenannten Berufsqualifikationsrichtlinie: Die Europäische Kommission will einen Vorwarnungsmechanismus einführen, durch den alle Mitgliedsstaaten informiert und gewarnt werden, wenn ein Arzt die Zulassung in einem Land verliert.


dpa/DAZ.online