Schlussanträge der Generalanwältin am EuGH

Ausgeeinzelte Lucentis-Dosen – nur mit eigener Zulassung?

Berlin - 04.02.2013, 16:13 Uhr


Der Europäische Gerichtshof (EuGH) muss sich mit der Frage befassen, ob ein Arzneimittel mit Genehmigung für das Inverkehrbringen in einem Gefäß bestimmter Größe einer weiteren Zulassung bedarf, wenn es in ein kleineres Gefäß umgefüllt und verkauft wird. Anlass gibt der Fall Lucentis: Novartis, der Hersteller des AMD-Medikaments, klagt gegen Apozyt, ein Unternehmen, das aus einer Lucentis-Portion mehrere macht.

Das von Novartis vertriebene Lucentis® ist in Durchstechflaschen mit einem Inhalt von 0,23 ml erhältlich – die empfohlene Dosierung liegt jedoch nur bei 0,05 ml. Hier sahen nicht nur Apotheken, sondern auch spezialisierte Herstellerbetriebe wie Apozyt eine Chance: Apozyt  entnahm – unter sterilen Bedingungen – den Inhalt aus der Original-Durchstechflasche und machte hieraus mehrere sterile Spritzen, die dann zur Injektion durch einen Arzt in ganz Deutschland ausgeliefert werden. Ebenso verfährt das Unternehmen mit Avastin® von Roche. Eine eigene Zulassung für die von ihr vertriebenen Erzeugnisse besitzt Apozyt nicht.

Novartis ist jedoch der Auffassung, Apozyt benötige für das Inverkehrbringen dieser Teilmengen eine Genehmigung nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG)726/2004. Der Konzern will daher Apozyt gerichtlich untersagen lassen, für die Behandlung von Augenkrankheiten bestimmte Fertigspritzen mit einer darin enthaltenen Teilmenge des Arzneimittels Lucentis® bzw. Avastin® herzustellen, in den Verkehr zu bringen und anzubieten.

Das angerufene Landgericht war sich in diesem Punkt allerdings nicht sicher und legte die Frage dem EuGH zur Vorabentscheidung vor (Rechtssache C-535/11). In ihren Schlussanträgen vom 31. Januar kommt die Generalanwältin zu dem Schluss, dass die von Apozyt vertriebenen Spritzen einer Genehmigung bedürfen. Zur Begründung führt sie den 35. Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/83/EG (Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel) an. Darin heiße es unmissverständlich, dass das „gesamte Vertriebsnetz im Arzneimittelbereich von der Herstellung bzw. der Einfuhr in die Gemeinschaft bis hin zur Abgabe an die Öffentlichkeit […] einer Kontrolle unterliegen“ müsse. Das Erfordernis des Bestehens einer Verkehrsgenehmigung ende daher aus ihrer Sicht nicht mit dem Zeitpunkt des erstmaligen Inverkehrbringens des betreffenden Arzneimittels. „Eine Erschöpfung tritt erst mit Beendigung des Vertriebsvorgangs ein“, weshalb eine Verkehrsgenehmigung bei jedem Überlassen des betreffenden Arzneimittels bestehen müsse – bis es durch Abgabe an die Öffentlichkeit tatsächlich verbraucht werde.

Nun ist der EuGH selbst am Zuge. Mit einer Entscheidung wird in etwa einem halben Jahr gerechnet.

Novartis hatte auch gegen Apotheken geklagt, die Lucentis ausgeeinzelt hatten. Hier entschied das Hanseatische Oberlandesgericht vor zwei Jahren, dass dies nicht zulässig war.


Kirsten Sucker-Sket/Juliane Ziegler