Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

14.07.2013, 08:00 Uhr


Sommerloch? Von wegen! Jetzt ist die Datenschutzdebatte auch bei den Apothekern angekommen. Zwar wird schon seit ein paar Jahren darüber gestritten, welche Daten die Apothekenrechenzentren in welcher Form an Statistikunternehmen verkaufen dürfen. Aber die Datenschützer schauen jetzt genauer hin. Und BAK-Präsident Kiefer meint sogar, die Daten dürften überhaupt nicht zu Marketingzwecken verkauft werden, sondern nur sein DAPI dürfe die Daten für pharmazeutische Studien verarbeiten. Das wird noch lustig. Und, die ABDA gerät weiter unter Druck, von Protest-Apothekern und von eigenen Mitgliedsorganisationen. Man möchte mehr Transparenz, mehr Informationen darüber, wie der Stand der Dinge bei verschiedenen Projekten ist, wie man mit der Arbeit vorankommt. Ja, mein liebes Tagebuch, ich glaube es ist höchste Zeit, dass sich unsere Berufsvertretung endlich andere Strukturen gibt. So kann, so darf es nicht mehr weitergehen.

8. Juli 2013 

Die Macht der gesetzlichen Krankenkassen beschneiden – das möchte unser Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr, wenn, ja wenn er in der nächsten Legislaturperiode wieder dabei sein darf. Ja, bitte, möchte man ihm jetzt spontan zurufen. Mein liebes Tagebuch, man kann ihm da nur zustimmen, was er im FAZ-Interview sagte: der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung ist zu mächtig geworden, er entfernt sich von dem, was die Kassen wollen. Kritik übt der Gesundheitsminister aber auch an der Selbstverwaltung: sie blockiere zu viel, beispielsweise die elektronische Gesundheitskarte. Ja, die eigentliche Frage wird sein: Schafft die FDP bei der Wahl die Fünf-Prozent-Hürde?

Impfpflicht gegen Masern? Bis 2015 will das Bundesgesundheitsministerium die Masern in Deutschland „besiegt“ haben. Na, da hat man sich was vorgenommen. Im Prinzip könnte das gelingen, wenn alle Eltern so vernünftig wären, ihre Kinder impfen zu lassen. Aber noch immer gibt es eine Schar Alternativer und Impfgegner, die Impfungen mit Giftspritzen gleichsetzen. Der  Bundesgesundheitsminister schließt deshalb sogar eine gesetzliche Impfflicht für Kinder als letzte Möglichkeit nicht aus. Im Prinzip wohl richtig. Allerdings: es kommt immer schlecht, wenn solche Maßnahmen als Pflicht installiert werden müssen. Da könnte sich die Idee von Jens Spahn, Gesundheitspolitischer Sprecher der CDU, auch als zielführend erweisen: Nur geimpfte Kinder sollten Kitas, Kindergärten oder Schulen besuchen dürfen. Im Übrigen kann man ihm nur zustimmen: „Es ist verantwortungslos, wenn Eltern ihre Kinder nicht impfen lassen.“ 

9. Juli 2013

Er kommt, er kommt! Daniel Bahr hat sich zum Deutschen Apothekertag in Düsseldorf (18. bis 20. September) angemeldet, bestätigte das Bundesgesundheitsministerium. Ein guter Termin für den Minister, unmittelbar vor der Wahl. Und er wird viel Beifall bekommen. Na, mein liebes Tagebuch, man kann ihm schon einiges zugute halten. Zum Beispiel das AMNOG. Nee, das gerade nicht, da mussten auch die Apotheken erst mal bluten. Aber Abschaffung von Pick-up? Nee, das ging voll in die Hose. Aber es gibt doch ein paar Pluspünktchen. Immerhin verschaffte er den Apotheken eine putzige Honorarerhöhung, ein Almosen für den Nachtdienst, eine neue Apothekenbetriebsordnung mit einem Schuss zu viel Bürokratie, ein Verbot von Boni und Prämien auf Rx und – er sorgte dafür, dass sich ausländische Versandapos an die deutsche Arzneimittelpreisverordnung halten müssen. Na, es gab schon schlechtere Gesundheitsminister (vor allem -ministerinnen), gell?

 Ja, sie sind nicht schlecht, die Vereinbarungen des Deutschen Apothekerverbands mit privaten Krankenversicherungen zur Direktabrechnung. Nach dem Vertrag mit der Allianz konnte nun auch ein Vertrag mit der Debeka zur Direktabrechnung geschlossen werden. Direktabrechnung bedeutet, dass Privatpatienten bei teuren verordneten Arzneimitteln (ab 1000 Euro) nicht mehr in Vorkasse treten müssen. Die Apotheke rechnet direkt mit der Versicherung ab. Ist zwar ein bisschen mit Formularausfüllen verbunden, aber immerhin. Die Apotheke kann diesen Kunden damit einen Mehrwert bieten.

 Das sind die Feinheiten des Wettbewerbsrechts: (Versand-)Apotheken, die ihre günstigen OTC-Preise herausstellen wollen, dürfen nicht mit dem Vergleich und Verweis auf den Apothekenverkaufspreis (AVP), wie er im ABDA-Artikelstamm angegeben ist, werben, so ein Gerichtsentscheid. Außerdem: AVP ist nicht gleich UVP (unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers). Für eine Reihe nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel gibt es in der Lauer-Taxe gar keinen „empfohlenen VK", sondern lediglich einen „gesetzlichen VK". Hinzukommt, so das Gericht im vorliegenden Fall, dass die Apotheke ihre Kunden nicht auf die Unterschiede zwischen AVP und UVP hingewiesen hat. Das Gericht sieht darin eine Konsumententäuschung. So kann’s gehen.

10. Juli 2013

Die Frage, wie es mit den PTA-Schulen in Nordrhein-Westfalen weiter geht, ist immer noch nicht geklärt. Nordrhein-Westfalen will die Zuschüsse streichen – dabei hatte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft die Bildungsgerechtigkeit betont und einen gebührenfreien Zugang zu allen Bildungseinrichtungen versprochen. Mein liebes Tagebuch, so ist das mit den Versprechen von Politikern. Das besondere Dilemma hier: das Schulgeld für PTA müsste von 200 auf knapp 400 Euro pro Monat steigen – für viele junge Menschen nicht finanzierbar. Andererseits wäre es für die Apothekerkammern, selbst wenn sie wollten, juristisch problematisch, wenn sie den Schulen Zuschüsse überwiesen, um die Finanzierungslücke zu schließen. Denn den Kammern könnten hier keine Mitwirkungsbefugnisse eingeräumt werden. Wo das nun alles hinführen soll, steht in den Sternen. Apothekerkammer und die Tarifgemeinschaft Nordrhein kämpfen und suchen nach Lösungen. Es wäre wirklich fatal für die Apotheken in Nordrhein-Westfalen, wenn PTA-Schulen schließen müssten, weniger PTA ausgebildet werden könnten. Wo soll das dringend benötigte Personal herkommen? Jetzt rächt sich, dass Nordrhein-Westfalen in der PTA-Ausbildung damals einen Sonderweg gegangen ist, indem es die PTA-Schulen den Sozialministerien unterstellt hat – anders als alle anderen Bundesländer.

 Mein liebes Tagebuch, hast du auch das Gefühl, dass es wieder ruhiger geworden ist bei der ABDA? Man hört nichts, man liest nichts, nur unaufgeregte kleine Pressemitteilungen. Dabei sind die Apothekerinnen und Apotheker immer wieder Angriffen von Kassen und Politikern ausgesetzt. Da wollen einige schon wieder Ketten, mehr Wettbewerb im Arzneimittelmarkt und Krankenkassen setzen voll auf die Ärzte, wenn es um ureigene Apothekeraufgaben geht. Wo ist der Aufschrei aus Berlin? Die Gruppe der Protest-Apothekerinnen und -Apotheker, die das Vakuum in Berlin registriert haben, schrieb einen offenen Brief an den ABDA-Präsidenten mit dringenden Fragen, etwa wo bleibt das Berufsbild für den Apotheker 2.0? Wie soll man näher an den Patienten rankommen, wenn Apotheker schrittweise ausgeschlossen werden? Wie will man eine Bezahlung fürs Medikationsmanagement begründen, wenn diese Aufgabe bisher kostenlos übernommen wird? Welche neuen Aufgabenfelder sollen die Apotheken besetzen? Und dann: wie weit ist eigentlich die Arbeitsgruppe zum „Leitbild“ bisher gekommen? Man könnte den Fragenkatalog noch erweitern, z. B. wo bleibt eigentlich die anfangs mal angedachte bessere Kommunikation zwischen „uns da oben“ und „euch da unten“? Warum will man keine öffentliche Diskussion zur Findung eines Leitbilds? Wie geht es mit dem ABDA-KBV-Modell weiter? Warum gibt es aus Berlin nicht in regelmäßigen Abständen Zwischenmeldungen, wie der Stand der Bearbeitung drängender Fragen ist? Ja, mein liebes Tagebuch, mag sein, dass aus diesen Fragen Ungeduld herauszulesen ist. Und klar, der große Tanker ABDA ist nun mal nicht so beweglich, wird man aus Berlin zu hören bekommen. Aber: das kann’s wirklich nicht sein. Die Zeit läuft davon, die Kassen gehen über den Apotheker hinweg. Wenn das so weiter geht, werden wir auf die Logistik und ein paar nette Beratungsworte reduziert – das war’s dann. Ob die dann allerdings der Gesellschaft 8,35 Euro wert ist?

Immerhin, mehr Druck nach oben gibt es auch von den Mitgliedsorganisationen selbst. Aus einer Initiative der Apothekerkammer Nordrhein ging nun ein Beschluss der Mitgliederversammlung hervor, wonach die Kommunikation von der ABDA in Richtung Mitglieder transparenter werden soll. Es wurde auch Zeit. Und ich meine, das muss erst der Anfang sein. Da gibt es noch mehr zu tun.

11. Juli 2013
Unruhe beim Apothekenrechenzentrum Haan (ARZ Haan AG). Unterschiedliche Auffassungen über die Geschäftspolitik, monatelange Querelen vor allem über die zukünftige unternehmenspolitische Ausrichtung des ARZ, auch Personalgerangel, vor allem um die Besetzung des Aufsichtsrats dürften vermutlich die ausschlaggebenden Gründe dafür sein, dass der Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL) mit dem Ausstieg aus dem ARZ Haan droht. Kommt es bis Jahresende nicht zu einer Einigung mit der Apobank und dem AV Nordrhein, stehen die Aktienanteile des AVWL zum Verkauf. Der AVWL-Anteil am ARZ beträgt ein Drittel. Ein Vorkaufsrecht besitzen die Apobank und der Apothekerverein Nordrhein.  Der Wert des AVWL-Anteils dürfte im zweistelligen Millionenbereich liegen. Offen zu Tage getreten war der Krach bei der Neubesetzung des Aufsichtsrats. Als sich altersbedingt Günther Bartels und Werner Heuking aus dem Aufsichtsrat zurückgezogen hatten, wurde Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbands Nordrhein, als möglicher Kandidat gehandelt, kam aber nicht zum Zuge. Stattdessen wurde Rechtsanwalt Dr. Dieter Gobbers als neuer Aufsichtsratsvorsitzender gewählt. Und auf die Stellvertreterposition folgte Preis an die Stelle von AVWL-Chef Dr. Klaus Michels. Ja, ja, mein liebes Tagebuch, es menschelt doch überall.

12. Juli 2013
Hoppla, wie ist denn diese Aussage des Präsidenten der Bundesapothekerkammer (BAK) zu werten: Nach Auffassung von Dr. Andreas Kiefer ist die Weiterverarbeitung von Rezeptdaten für Marketingzwecke der pharmazeutischen Industrie nicht zulässig. Aus seiner Sicht seien dies Sozialdaten, die einem besonderen Schutz unterliegen. Ach, wie ist denn das zu verstehen, mein liebes Tagebuch? Seit Jahren werden Rezeptdaten von den standeseigenen Rechenzentren an Datensammel- und Statistikunternehmen wie IMS oder Insight Health für gutes Geld verkauft. Selbstverständlich vorschriftsmäßig anonymisiert, zumindest in den letzten Jahren. Über die Einnahmen vom Datenverkauf profitieren praktisch alle Apotheken, die über diese Rechenzentren abrechnen, da die Gebühren niedrig gehalten werden können. Und auch an die an den Rechenzentren beteiligten Apothekerverbände wird ein erkleckliches Sümmchen überwiesen. Ja, und jetzt, in Zeiten von Snowdon und aufgedeckten Spionagetätigkeiten, in Zeiten, in denen Datensicherheit und persönlicher Datenschutz als Thema hochkochen, kommt der erhobene Zeigefinger des BAK-Präsidenten: Na, ihr bösen Rechenzentren, kein Datenverkauf für Marketingzwecke! Dagegen ist das, was das Deutsche Arzneiprüfinstitut (DAPI) mit Kiefer als seinen Vorsitzenden mit den Daten macht, ja was ganz anderes. Das DAPI verarbeitet die Rezeptdaten nur für pharmazeutische Studien weiter, nicht für schnöde Marketingzwecke. Ach so. Außerdem hat der Gesetzgeber die Apothekerschaft per Gesetz verpflichtet, Rezeptdaten auszuwerten. Und das macht das DAPI. Na ja, es ist schon ganz gut, dass zurzeit mehr über den Datenschutz diskutiert wird. Datenschützer schauen bereits seit einiger Zeit auf die Arbeit der Rechenzentren. Und sie sind auch im Gespräch mit dem DAPI, um dessen Arbeit genauer anzuschauen.

 Jetzt ist er unterschrieben, der Vertrag zwischen dem Deutschen Apothekerverband und dem Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung zum Kassenzwangsabschlag. Seit 2009 schwelten die Querelen, immer wieder wurden die Verhandlungen abgebrochen, man traf sich sogar vor Gericht. Auf Vermittlung von Dr. Rainer Hess kam dann im Mai der Durchbruch. Beide Vertragspartner ziehen ihre Klagen für die Jahre 2009 und 2010 zurück. Für diese Zeit gilt also ein Kassenabschlag von 1,75 Euro, wie abgerechnet. Für das laufende Jahr 2013 soll das Ziel von 1,80 Euro erreicht werden, indem man nach dem 1. Halbjahr mit 1,75 Euro nun das 2. Halbjahr mit 1,85 Euro abrechnet. Für 2014 wird ein Apothekenabschlag in Höhe von 1,80 Euro und für 2015 in Höhe von 1,77 Euro vereinbart. Und dann, ja dann soll ein Abschlag von 1,77 Euro die Basis für 2016 sein, wenn man sich nicht bis zum 1. Juli 2014 auf das weitere Vorgehen ab 2015 geeinigt hat. Also, mein liebes Tagebuch, dann ist erst mal an dieser Front Ruhe und die Apotheke hat Planungssicherheit – selten genug in der Apothekenbranche.

 Ein nicht alltägliches Ereignis: „Großer Bahnhof“ in der Frohnhauserstraße  65a in Essen. Dr. Klaus Peterseim, Inhaber der Dom-Apotheke,  feierte mit vielen geladenen Gästen die Eröffnung seines neuen Logistikzentrums für die Versorgung „seiner“ Krankenhäuser. Was er da in der Nähe des ehemaligen Krupp-Geländes hingestellt hat, kann sich sehen lassen, mein liebes Tagebuch, es hat die Infrastruktur eines kleinen Großhandels. In dem ehemaligen umgebauten Autohaus drehen jetzt graue Dom-Apotheke-Wannen ihre Runden, werden von zahlreichen fleißigen Händen und einem Automaten für die Schnelldreher bestückt. Vor der Tür warten die Fahrer, die die Krankenhäuser mehrmals am Tag beliefern. Elf Apothekerinnen und Apotheker arbeiten hier im Bereich Krankenhausversorgung. Peterseim, der auch Vorsitzender des Bundesverbands klinik- und heimversorgender Apotheker (BVKA) und des Verbands der Zytostatika herstellenden Apotheker (VZA) ist, hatte in der heutigen Zeit den unternehmerischen Mut, mehrere Millionen zu investieren – wie er anmerkte, gehöre das meiste davon allerdings seiner örtlichen Sparkasse.


Peter Ditzel