Capsaicin

Chilischärfe mit Lichtsteuerung

24.07.2013, 17:18 Uhr


Ein herzhafter Biss in eine Chilischote bringt den Mund zum Brennen – und zwar, weil der Schärfebestandteil in Chili, das Capsaicin, auf einen Rezeptor wirkt, der auch durch Hitze stimuliert wird: Der Transient Receptor Potential Vanilloid 1 wird hauptsächlich in schmerzwahrnehmenden Nervenzellen gebildet und auch von Capsaicin und Hitze aktiviert.

Nun gelang es Wissenschaftlern der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), ein Gegenmittel gegen Chilischärfe in einen Lichtrezeptor zu verwandeln, mit dem verschiedene Schmerzreize separat gesteuert werden können.

TRPV1 gehört zu einer der größten Ionenkanalfamilien, die als vielseitige zelluläre Sensoren eine zentrale Rolle in der Sinnesphysiologie wahrnehmen. TRP-Kanäle sind auch in Sehprozesse involviert und möglicherweise für die Regulation des Tag- und Nachtrhythmus in Säugetieren verantwortlich. Trotz seiner vielfältigen Aktivierungsmechanismen reagiert TRPV1 allerdings von Natur aus nicht auf Licht.

Nun gelang es Münchener Forschern, zum ersten Mal auch TRPV1 durch Licht steuerbar zu machen – und zwar mithilfe von Capsazepin, das als kompetitiver Inhibitor den Effekt von Capsaicin auf den TRPV1-Kanal blockiert. Sie haben TRPV1-Kanäle durch den Einsatz eines photoschaltbaren Capsazepin-Derivats in einen künstlichen Lichtrezeptor verwandelt.

Die Wissenschaftler erreichten dies durch die Ankopplung von Azobenzolen, die eine charakteristische chemische Doppelbindung enthalten, an der sie – je nach Wellenlänge des Lichts, dem sie ausgesetzt sind – abknicken (cis-Form) oder sich strecken (trans-Form). Das auf diese Weise entstandene Azo-Capsazepin 4 (AC4) erwies sich dabei als besonders vielversprechender Kandidat für die lichtabhängige Steuerung von TRPV1, denn es beeinflusst den Ionenkanal gleich auf zweierlei Weise: In der trans-Form wirkt AC4 der spannungsinduzierten Aktivierung von TRPV1 entgegen, während es in der cis-Form als Antagonist von Capsaicin die Stimulierung von TRPV1 die Wahrnehmung von Chilischärfe blockiert.

Damit erweitert AC4 das Konzept der Photopharmakologie – also den Einsatz photoschaltbarer Verbindungen zur Steuerung der Aktivität von Ionenkanälen und Rezeptoren – um eine zusätzliche Dimension: Da AC4 als photoschaltbarer Antagonist einen Agonisten (hier Capsaicin) in lichtabhängiger Weise hemmen kann, lassen sich Agonist und photoschaltbarer Antagonist gleichzeitig anwenden. Da Azo-Capsazepin 4 darüber hinaus je nach Wellenlänge des Lichts selektiv bestimmte Reize blockiert, könnte es zudem wichtige Erkenntnisse für die genaue Erforschung der jeweiligen Aktivierungsmechanismen liefern.

Quelle: Stein, M., et al.: Optical Control of TRPV1 Channels. Angewandte Chemie 2013; Online: doi: 10.1002/anie.201302530


Dr. Bettina Hellwig