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Die letzte Woche
Mein liebes Tagebuch
Warum in aller Welt setzen die Krankenkassen den Apotheken so zu? Warum ist es nicht möglich, dass die Kassen fair und respektvoll mit den Apotheken und ihren Leistungen umgehen? Es vergeht fast keine Woche, in der sie nicht versuchen, die freie Apothekenwahl einzuschränken, Apotheken mit Nullretaxationen zu triezen oder sie als Hilfsmittel-Deppen einzustufen. Schade, ist wohl systemimmanent. Mein liebes Tagebuch, wir schauen nach München, hoffen auf nette Worte des Bundesgesundheitsministers beim Apothekertag, segnen das Perspektivpapier ab und freuen uns über Antragsdiskussionen, aus denen was Tolles entsteht. Wünsche darf man doch noch haben.
8. September 2014
Wenn die Krankenkassen zum Jahreswechsel auf die neue elektronische Gesundheitskarte umstellen, dürfte es keine Probleme für die Apotheken geben. Werden Rezepte eingereicht, die noch im alten Jahr auf Grundlage der alten Versichertenkarte ausgestellt sind, sind sie dennoch gültig – versichert der GKV-Spitzenverband. Es besteht also keine Retaxationsgefahr für Apotheken. Na wunderbar, mein liebes Tagebuch, immerhin ein kleiner Rest von Anstand und partnerschaftlichem Umgang ist bei den Kassen erhalten geblieben.
Der Renner ist Armin noch nicht. Aber immerhin, so langsam tut sich was bei der Arzneimittelinitiative Sachsen und Thüringen. In beiden Bundesländern haben sich derzeit 100 Ärzte eingeschrieben, um bei der ersten Stufe des Projekts, der Wirkstoffverordnung, mithilfe einer speziellen Praxissoftware mitzumachen. Wie viele Wirkstoffe seit dem Start von Armin am 1. Juli bereits nach den neuen Kriterien verordnet wurden, ist noch nicht bekannt. Immerhin, auch die Vorbereitungen für die zweite Stufe, das eigentliche Medikationsmanagement, sind abgeschlossen. Im Wesentlichen geht es darum, dass die Ärzte dann auf das „S3C-Medikationsplanaustauschformat“ zugreifen können (meine Güte, ist das alles kompliziert, mein liebes Tagebuch.) Im Klartext: Der Patient erhält beim Arzt seinen Medikationsplan, eine verständliche Auflistung der verordneten Medikamente sowie der dazugehörigen Einnahmehinweise wie Anzahl, Tageszeit und Wirkstärke. Klingt doch gut, oder? Und wenn dann die Apotheken noch auf Augenhöhe mit eingebunden sind, den Medikationsplan checken können und zusammen mit dem Arzt die Therapie optimieren, dann haben sich die Anstrengungen gelohnt. Aber ganz so schnell wird’s wohl nicht gehen…
Viele unserer Arzneimittel werden in Indien produziert – aus Kostengründen. Das deutsche Krankenversicherungswesen verlangt nach immer billigeren Arzneimitteln. Hier noch ein Rabattvertrag, dort ein noch niedrigerer Festbetrag. Hauptsache billig. Und trotzdem soll die Produktion in Indien GMP-konform ablaufen und den deutschen Qualitätsanforderungen entsprechen. Mein liebes Tagebuch, wollen wir das glauben? Oder hat die Gesundheitswirtschaft die Quadratur des Kreises gefunden? Nein, im Ernst, dass das nicht auf Dauer gut gehen kann, zeigen Berichte wie der von dieser Woche: Die US-amerikanische Arzneibehörde FDA weist darauf hin, dass Inspektoren eklatante Mängel bei einem indischen Hersteller festgestellt haben. Gefälschte Dokumente, nicht ausgebildete Mitarbeiter, Schimmelbefall im Waschraum und tote Insekten neben der Sterilabteilung. Super, oder? Klar, es gibt auch ordentlich arbeitende Firmen in Indien. Aber wer schon mal in Indien war und über Land gefahren ist und einen Blick hinter die Fassaden werfen konnte, kennt auch die andere Seite. Irgendwie schwindet da das Vertrauen.
9. September 2014
Sich in der Apotheke beraten lassen und dann im Versandhandel kaufen, weil’s dort (noch) billiger ist – nein, das ist nicht schön. Wie eine Apothekenumfrage zeigte, machen Apothekenkunden das immer häufiger. Und nicht nur Apotheken kämpfen dagegen, auch Buchhandlungen, Fotofachgeschäfte, Elektronikmärkte und seit Zalando auch Modeboutiquen. Mein liebes Tagebuch, wie lässt sich das verhindern, was kann man dagegen tun? Kann man überhaupt etwas dagegen tun? Wenig bis nichts. Oder doch? Es soll Apothekerinnen, Apotheker und PTA geben, die so ein freundliches und einnehmendes Wesen haben, dass Kunden die Apotheke nicht verlassen, ohne etwas gekauft zu haben. Und die rundum so gut beraten, dass sich der Kunde dort gut aufgehoben fühlt. Naturtalente, oder? Vermutlich geht’s nur so.
Da passt doch wunderbar die Meldung dazu, dass der Verein demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten (VdPP) und die Allianz Aller Apotheker (AAA) zum Apothekertag einen Antrag einbringt, der die evidenzbasierte Beratung in der Selbstmedikation fördern will. Die Arzneimittelkommission der Apotheker soll, so der Antrag, zu den am häufigsten abgegebenen Arzneistoffen in der Selbstmedikation die Datenlage zu Nutzen und Risiken sowie die Aussagefähigkeit der Studienlage zusammentragen und in praxisgerechter Form z.B. durch Einbindung in die Wirkstoffdossiers der ABDA-Datenbank zur Verfügung stellen. Apothekers Empfehlungen sollen mit wissenschaftlichen Fakten untermauert werden. Mein liebes Tagebuch, ein edles Ziel und gut gemeint. Und dann kommen die Kunden, hören sich das an, bedanken sich für unsere wissenschaftliche Kompetenz – und bestellen’s in der Versandapo (siehe oben).
10. September 2014
Mein liebes Tagebuch, eigentlich war es im DAZ-Interview das erste Mal, dass sich unser Bundesgesundheitsminister seit seinem Amtsantritt so umfassend zu Apothekerfragen geäußert hat. Richtig gesprächig war er und er hat auf den Tisch gelegt, was wir von ihm erwarten können. Ja, und? Hhmm, ehrlich gesagt, nicht allzu viel bis wenig bis nichts. Klare Zusagen gab’s keine. Prinzipiell ist er nämlich ein „großer Anhänger der Selbstverwaltung“. Aha, ist ja auch nicht das Schlechteste, wenn sich die Beteiligten selber einigen. Und konkret: Also, den Kassenabschlag, wie vom Apothekerverband und dem GKV-Spitzenverband gewollt, auf 1,77 Euro gesetzlich festzuschreiben, kann er sich gut vorstellen. Zumindest will er diesen Wunsch der Selbstverwaltung ernst nehmen. Keine konkrete Aussage war ihm zum Thema regelmäßige Überprüfung des Festzuschlags (8,35 Euro) oder zu einer geforderten Erhöhung der Rezeptur- und BtM-Zuschläge zu entlocken. Da will er erst mit allen Verantwortlichen sprechen. Ja, und wie das ausgeht, wissen wir. Auch beim Thema Nullretaxationen hielt sich der Minister vorsichtig zurück: Die Selbstverwaltung wird’s schon richten, meint er – siehe oben. Den Apothekenbus fürs Land, den er als CDU-Generalsekretär anschieben wollte, sieht er heute allerdings nur als Notbehelf an. Andererseits, „alle Beteiligten sollten offen sein für den Einsatz technischer Neuerungen“. Na, denn. Ach ja, wie steht’s um eine Erhöhung der 16 Cent für den Nacht- und Notdienstfonds? Na klar, „wir werden im Lichte der weiteren Quartalszahlen die Angemessenheit der Notdienstpauschale im Auge behalten“. Mein liebes Tagebuch, bei so netter Rhetorik kann ja nichts schief gehen, gell?
Bachblüten-Produkte als apothekenübliche Waren – der Bundesgerichtshof hat dies unlängst so bestätigt. Spiegel online hat dieses Thema in einer Kolumne aufgegriffen und beklagt, dass die Formulierung „Scheiß des Monats“, wie es ein Apotheker mal vor einigen Jahren in seinem Schaufenster formulierte, leider nicht mehr dabeisteht. Ja, in Apotheken gibt es in der Tat „sehr unwirksamen Hokuspokus“, wie es der Spiegel-Kolumnist ausdrückte. Ein befreundeter Apotheker habe dem Spiegel-Redakteur gesagt, dass er von Bachblüten zwar vehement abrate, aber sie verkaufe, wenn die Leute sie trotzdem wollten. Mein liebes Tagebuch, das nennt man pragmatisch. Und nicht zu vergessen: Der Placebo-Effekt ist bei manchen Leuten ein ganz starker. Und wenn Bachblütengläubige trotz Aufklärung die teuren Alkohol-Wasser-Tröpfchen haben wollen… Voodoo aus der Apotheke – da fiele mir noch mehr dazu ein.
11. September 2014
Es gibt sie noch, die freie Apothekenwahl. Das Sozialgericht Marburg hat sie, wie vor kurzem auch das Sozialgericht Darmstadt, bestätigt. Die freie Apothekenwahl von Patienten darf nicht durch Exklusivverträge der Krankenkassen eingeschränkt werden. Im konkreten Fall ging es um die Zytostatika-Versorgung: Nach der Entscheidung müssen sich Versicherte nicht ausschließlich durch solche Apotheken mit Zytostatika versorgen lassen, mit denen die AOK Hessen im Zuge von Ausschreibungen Exklusivvereinbarungen getroffen hat.
Für den Nacht- und Notdienstfonds (NNF) waren zwar 120 Mio. Euro versprochen worden, aber, da weniger Packungen verkauft wurden, kam auch weniger Geld in den Fonds. Die angesetzten 16 Cent pro Packung können also nicht die zugesagten 120 Mio. einbringen. Ergo: Man müsste das Entgelt pro Packung anheben. Im Haushaltsentwurf für 2015 ist davon aber nichts zu sehen, hier rechnet man mit 101,51 Millionen Euro Ausgaben für den NNF. Immerhin, das Bundesgesundheitsministerium (BMG) räumt ein, dass die im Etat-Entwurf abgedruckten Zahlen veraltet sind. Aber maßgeblich sei nicht der Haushaltsplan, sondern die Anzahl der tatsächlich abgegebenen ANSG-relevanten Packungen, so das BMG weiter. Fragt sich jetzt nur, mein liebes Tagebuch, ob diese Erkenntnis dann auch zu einer Erhöhung des 16 Cent-Betrags führt. Wollen wir wetten?
Puh, Nullretaxationen! Ein Unwort der letzten Jahre, bei dem sich jeder Apothekerin, jedem Apotheker die Nackenhaare hochstellen. Vor allem, wenn es um Nullretaxationen wegen Formfehlern geht. Aber auch bei Nichtbeachtung von Rabattverträgen. Denn das geht gar nicht, wie ein Musterstreitverfahren zwischen Ersatzkassen und Apotheken ergeben hat. Zu Beginn dieses Verfahrens hatten die Kassen strittige Retaxationen zunächst lediglich mit 50 Prozent des Retaxbetrages, höchstens jedoch mit 25 Euro je Packung, in Rechnung gestellt. Jetzt, nachdem das Verfahren endgültig abgeschlossen ist, kommen die noch offenen Nachforderungen auf die betroffenen Apotheken zu, in einem Fall rund 12.000 Euro – und das nach fast sechs Jahren. Das ist bitter. Ein kleiner Lichtblick: Selbst beim AOK-Bundesverband sieht man Nullretaxationen kritisch. Aber der Bundesverband kann seinen Mitgliedskassen nicht vorschreiben, inwieweit sie den Apotheken entgegenkommen. Immerhin, ein bisschen Bewegung ist in das Nullretax-Treiben gekommen. Die AOK plus will zeitnah auf die Landesapothekerverbände in Sachsen und Thüringen zugehen und ein Angebot zu vertraglichen Regelungen unterbreiten. Leichte Formfehler sollen demnach nicht zu einem vollständigen wirtschaftlichen Schaden führen. Ein bundesweit gültiger Rahmenvertrag ist dagegen noch nicht in Sicht. Bundesgesundheitsminister Gröhe baut hier auf die Selbstverwaltung. Mein liebes Tagebuch, so richtig mag man hier an eine Lösung nicht glauben.
Wie frech ist das denn: Die DAK-Gesundheit will die Apotheker ab Oktober bei der Hilfsmittelversorgung mit Medikamentenverneblern als Aushilfen einsetzen. Wenn der Hauptversorger (ein Unternehmen aus Jena) nach 15 Uhr, an Wochenenden, Feiertagen und im Nachtdienst nicht mehr liefert, darf die Apotheke liefern. Apotheker als Lückenfüller! Und sollte es tatsächlich so weit kommen, dass sich Apotheken auf diesen Deal einlassen, dann nur unter strengen Voraussetzungen. Danke für die Partnerschaft, liebe DAK. Und, mein liebes Tagebuch, das Schärfste: Der DAK bleibt unklar, „wieso sich einzelne Apotheker zum Hilfsmittellieferanten degradiert fühlen. Diesen Vorwurf können wir nicht nachvollziehen. Hilfsmittel werden auch aus Apotheken abgegeben“, sagt die DAK auf eine DAZ.online-Anfrage. Na super, mehr Arroganz geht nicht. Selbst beim größten guten Willen – irgendwie macht die Hilfsmittelversorgung keinen Spaß mehr.
12. September 2014
Nicht mehr zu übersehen: der Apothekertag. In München. Vom 17. bis 19. September. Und bis zum 20. September läuft die pharmazeutische Messe Expopharm, die dann genau ins Oktoberfest (Eröffnung am 20. September) übergeht. Ja mei, wie praktisch. Man merkt’s an den Übernachtungspreisen.
Mit einer Pressekonferenz am 16. September werden die Medien auf den Apothekertag und die Anliegen der Apotheker eingestimmt. In diesem Jahr geht’s in der Pressekonferenz um Arzneimittelfälschungen. Kein schlechtes Thema. Die in den letzten Monaten aufgedeckten Fälschungen haben auch die Medien sensibilisiert. Wenn’s die ABDA hier richtig überbringt, können die Apotheken punkten. Und mit dem Vorzeigeprojekt Securpharm glänzen – auch wenn’s hier hinter den Kulissen noch zwischen Herstellern und Apothekern ein wenig klemmt. Aber das muss ja nicht in die Medien.
Ein erster Höhepunkt des Apothekertags: Bundesgesundheitsminister Gröhe kommt. Nur, mein liebes Tagebuch, man wird sich nicht allzu viel erwarten dürfen. Versprechungen wie mehr Honorar, Anpassung von Rezepturpreisen und BtM-Gebühr, Abschaffung von Nullretaxationen wird er nicht mit nach München bringen. Aber schön, dass er mal kommt.
Grußworte wird’s auch geben, von Vertretern der Fraktionen des Deutschen Bundestags und von Melanie Huml, der netten Gesundheitsministerin aus Bayern. Kein Grußwort darf Barbara Neusetzer, die Vorsitzende der Apothekengewerkschaft Adexa, sprechen. Schade, auf den letzten Apothekertagen durfte sie es – warum nicht in diesem Jahr?
Richtig lustig wird’s dann mit der Antragsberatung. Da dürfen rund 300 Delegierte von Apothekerkammern und Verbänden über 78 Anträge diskutieren, sich im Gefühl eines Apothekerparlaments wiegen. Aber letztlich doch nichts entscheiden oder gar Projekte beschließen. Denn dafür ist immer noch die ABDA-Mitgliederversammlung zuständig, die die Anträge dann zu bearbeiten oder zu beerdigen hat. Die Hauptversammlung gibt also eher so eine Art Stimmungsbild wieder. Bis jetzt gibt es keine Aktivitäten, der Hauptversammlung mehr „Macht“ zu geben. Irgendwie sind die Delegierten wohl zufrieden – auch mit der Ohnmacht. Mit einer Ausnahme: Ein Antrag setzt sich dafür ein, den ABDA-Präsidenten künftig vom Apothekertag wählen zu lassen. Im letzten Jahr gab’s den Antrag schon mal – und er wurde abgelehnt. Was meinst du, liebes Tagebuch, wie er in diesem Jahr beschieden wird? Also, dann: auf nach München.
14.09.2014, 08:00 Uhr