Skepsis gegenüber TTIP

Gabriel: Angst vor nächster Liberalisierungs-Runde

03.06.2015, 17:30 Uhr

Wirtschaftsminister Gabriel setzt auf Dialog, um Vertrauen in TTIP aufzubauen. (Screen: BMWi)

Wirtschaftsminister Gabriel setzt auf Dialog, um Vertrauen in TTIP aufzubauen. (Screen: BMWi)


Berlin - In Deutschland herrscht große Skepsis gegenüber dem geplanten Freihandelsabkommen zwischen EU und USA. Nicht nur, weil die Verhandlungen lange „im Geheimen“ stattfanden und kaum Informationen an die Öffentlichkeit kamen – vielen Menschen fehlt schlicht das Vertrauen in die Politik. Die versucht daher, selbiges aufzubauen: Durch mehr Transparenz und die Einbeziehung sowohl der Medien als auch der Bürger. Bei einem Dialogforum mit Schülern, Studenten und Auszubildenden erklärte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) am Dienstag, weshalb TTIP seiner Meinung nach vielen Menschen Angst macht.

„Ich habe zunehmend das Gefühl, dass es gar nicht um Details regulatorischer Kooperation und Standards geht, sondern es geht um eine grundsätzliche Vertrauenseben zwischen Europa und den Vereinigten Staaten“, vermutete ein junger Teilnehmer der Veranstaltung. An die EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström und Wirtschaftsminister Gabriel gerichtet stellte er die Frage, woran dies liege und wie die beiden Politiker planten, die „hearts and minds“ in einem Land wie Deutschland, das sich faktisch der Vollbeschäftigung annähere, zu gewinnen.

Es gehe um Vertrauen, bestätigte Malmström. Ohne Vertrauen könne man Papiere noch und nöcher veröffentlichen – ohne Wirkung. Sie als Vertreterin der EU-Kommission könne zur Verbesserung nur mit den deutschen Vertretern zusammenarbeiten, die dann in ihrem Land Vertrauen bilden müssten. Zum Verhältnis zwischen EU und USA erklärte sie, dass man – trotz teilweise unterschiedlicher Meinungen – eine starke Partnerschaft teile, mit gemeinsamen Werten wie dem Rechtsstaat und den Menschenrechten. Diese würden derzeit von anderen großen Mächten infrage gestellt. Daher sei es wichtig für die Politik, zu zeigen, dass man das Vertrauen der Menschen verdiene.

Gute und schlechte Erfahrungen mit Liberalisierung

Anschließend beschrieb der Wirtschaftsminister einen Grund für die deutsche Skepsis: „Ein bisschen hat das was damit zu tun, dass vor zehn, fünfzehn Jahren im Zusammenhang mit der Globalisierung alle möglichen Versprechen gemacht wurden – auch im Zusammenhang mit Privatisierung und Liberalisierung.“ Der Markt sollte alles besser machen als der Staat, doch das Ganze endete dann „in einer fürchterlichen Finanzkatastrophe“. Während einige Menschen mit dieser Form von Globalisierung und Liberalisierung gute Erfahrungen gemacht hätten, hätten andere schlechte gemacht. „Und jetzt taucht der Eindruck auf, oh je, jetzt kommt die nächste Runde“, vermutet Gabriel.

Zur Erklärung machte er ein Beispiel: „Wir haben in Deutschland lange Zeit erzählt, eigentlich können private Unternehmen Krankenhäuser viel besser betreiben als der Staat.“ Es gebe Fälle, wo das stimme, und solche, wo das nur zu Einsparungen beim Personal und einer schlechteren Bezahlung geführt habe, wodurch die Angebote für die Patienten nicht gerade besser geworden seien – insbesondere in ländlichen Gebieten. „Wenn Sie denen jetzt sagen, jetzt machen wir mal ein Freihandelsabkommen, dann haben die sofort Angst, dass der nächste Schritt der Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge kommt.“

Vorsicht bei politischen Heilsversprechen

Die Europäische Union habe deshalb auch bei dem gerade abgeschlossenen Handelsabkommen mit Kanada (CETA) die öffentliche Daseinsvorsorge ausgenommen bzw. habe in den Vertragstext geschrieben, dass die EU das Recht hat, kanadische Unternehmen von der öffentlichen Daseinsvorsorge fern zu halten. Die vor einigen Jahren verbreiteten Heilsversprechen hätten sich eben für viele Menschen nicht realisiert, konstatierte Gabriel. „Man soll sowieso vorsichtig in der Politik sein, Heilsversprechungen zu machen, weil die Welt in der Regel zu kompliziert ist, als dass sie nur gut oder nur schlecht ist.“ Abschließend betonte auch der Minister die „große Kraft Europas, die die Vereinigten Staaten mitgeprägt haben“ – und zwar die „Kraft der Aufklärung“.

Einen Mitschnitt des Dialogforums können Sie auf der Internetseite des BMWi ansehen.

 


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