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Eine Bilanz der ersten Amtszeit der ersten ABDA-Präsidentin
Kämpferischer Start und jähes Ende
Das war ein Paukenschlag, der am 11. Dezember 2024 von Berlin aus durch die deutsche Apothekerschaft hallte: Die ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening wurde von der Mitgliederversammlung überraschend nicht wiedergewählt – und das ohne Gegenkandidat.
Überrascht, teilweise auch bestürzt oder sogar geschockt über das Wahlergebnis waren dem Vernehmen nach auch die Delegierten der Mitgliedsorganisationen. Insbesondere, als klar wurde, dass man nun mitnichten Overwiening einfach in einem zweiten Wahlgang bestätigen konnte, sondern eine neue Versammlung einberufen werden muss. Der offenbar (schlecht) geplante Denkzettel war zum veritablen Debakel geworden.
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Anders als anschließend mancherorts diskutiert, scheint die Motivation für den „Denkzettel“ nicht zuvorderst in einer schlechten Bilanz des von der ABDA Erreichten gelegen zu haben. Vielmehr gab es in den letzten Monaten immer lauter werdende Kritik am Führungsstil Overwienings. Rund um den Apothekertag fielen Begriffe wie „One-Woman-Show“ oder „Königin”. Vertreter anderer Mitgliedsorganisationen warfen ihr unabgestimmte Alleingänge und Machtstreben vor. So merkte ein ehemaliger Kammerpräsident an, mit der neuen ABDA-Satzung habe Overwiening sich „ihren Machtbereich gesichert“. Und immer wieder wurde eine gewisse „westfälische Sturheit“ beklagt, die das Schließen von Kompromissen sehr schwierig mache und jeglichen Diskurs im Keim ersticke.
Auffallend oft wurde die Kritik mit den Worten „ich mag sie wirklich gerne, aber …“ eingeleitet. Auch ihre Kritiker betonen immer wieder ihre einnehmende Art und ihren Charme. Und es dürften nicht zuletzt diese Eigenschaften gewesen sein, die in den letzten vier Jahren dafür gesorgt haben, dass sich beispielsweise das Verhältnis zur Ärzteschaft so stark verbessert hat oder dass viele Gesundheitspolitiker geradezu schockiert auf die Abwahl Overwienings reagierten.
Wie sieht die Bilanz aus?
Aber wie sieht die Bilanz Overwienings denn aus? Was hat die ABDA unter ihrer Präsidentschaft erreicht, die am 1. Januar 2021 begann und am 31. Dezember 2024 enden wird?
Nach der Wahl am 9. Dezember 2020 verschickte die ABDA eine Presseerklärung, dass sich die neue Präsidentin „kämpferisch“ zeige und „mit einer klaren Zielsetzung“ antrete: „Wir müssen die Apotheke vor Ort stabilisieren und zukunftsfest machen. Das wird nur gelingen, wenn wir die Digitalisierung im Gesundheitswesen aktiv mitgestalten. Zum Zweiten müssen wir dafür sorgen, dass die pharmazeutischen Dienstleistungen ein Erfolgsmodell werden. Das verbessert nicht nur die Versorgung, sondern gibt uns auch die Chance, eine neue Vergütungssäule aufzubauen und den Beruf attraktiver zu machen. Und drittens gilt es, der beunruhigenden Bagatellisierung von Arzneimitteln klar entgegenzutreten. Das wird viel Arbeit, aber sie wird sich lohnen.“
Weiter sinkende Apothekenzahl
Als erstes, und damit vermutlich wichtigstes Ziel nannte Overwiening also die Stabilisierung der Apotheken, auch durch aktive Gestaltung der Digitalisierung. Beim bisher wichtigsten Digitalisierungsprojekt im Arzneimittelmarkt, der Einführung des E-Rezepts, waren die Apotheker unzweifelhaft erfolgreich. Sie haben in Pilotregionen und in den Gremien der Gematik aktiv mitgearbeitet und waren weit vor den Arztpraxen „E-Rezept-ready“. Dass das E-Rezept nach der flächendeckenden Einführung Anfang dieses Jahres sehr schnell gut funktionierte, ist ganz zuvorderst den Apothekern zuzurechnen.
Doch das Ziel, durch Digitalisierung die Stabilisierung und Zukunftsfähigkeit der Apotheken zu sichern, wurde dadurch nicht erreicht. Die wichtigste Kennzahl für die Stabilität ist wohl unstreitig die Zahl der Apotheken. Und diese sank auch während der Amtszeit Overwienings kontinuierlich weiter. Gab es Ende 2020 noch 18.753 Betriebsstätten (also inkl. Filialen), waren es Ende des 3. Quartals 2024 nur noch 17.187. Ein Minus von über 1500 Apotheken, fast 400 pro Jahr.
Den Hauptgrund für diesen kontinuierlichen Rückgang sehen praktisch alle Experten übereinstimmend in der fehlenden Honorarentwicklung. Es ist der ABDA auch in den letzten vier Jahren nicht gelungen, die Entscheidungsträger in Berlin von der Notwendigkeit einer substanziellen Honorarerhöhung zu überzeugen.
Eine Chance, sich wenigstens neue Honorartöpfe zu erschließen, könnten die pharmazeutischen Dienstleistungen (pDL) bieten. Nach jahrelanger Diskussion – und einem Schiedsspruch – können die Apotheken seit Sommer 2022 fünf pDL mit den Krankenkassen abrechnen. 150 Mio. Euro stellen die Kassen dafür bisher pro Jahr bereit. Doch im ganzen Jahr 2023 wurden nur 11,5 Mio. Euro aus diesem „Topf“ abgerufen, im ersten Halbjahr 2024 waren es immerhin 11 Mio. Euro – von „Erfolg“ mag man da wahrlich nicht reden.
Nicht so einfach zu messen ist die Bagatellisierung von Arzneimitteln. Feststellen lässt sich aber, dass weder gegen den Versand verschreibungspflichtiger Arzneimittel noch gegen die zunehmende telemedizinische Verordnung nach bloßem Ausfüllen eines Online-Formulars entscheidende Schritte unternommen wurden. Auch der Verkauf von Arzneimitteln durch Kunden bzw. Patienten auf Plattformen wie eBay oder kleinanzeigen.de geht praktisch ungehindert weiter.
Die meisten Apothekerinnen und Apotheker dürften ihre Bilanz der Overwiening‘schen Amtszeit aber ohnehin nach anderen Kriterien ziehen. Die weiterhin nicht erreichte Honorarerhöhung wurde bereits erwähnt. Und auch das Verbot der Großhandelsskonti bei Rx-Arzneimitteln, das der BGH im Februar verkündete, besteht mit allen seinen katastrophalen wirtschaftlichen Folgen weiter.
Wäre mehr drin gewesen?
Die große, schwierig zu beantwortende Frage dabei ist: Was davon war denn von der ABDA überhaupt beeinflussbar? Hätte jemand anderes mehr erreicht? Mit Karl Lauterbach hatte es Overwiening mit einem Gesundheitsminister zu tun, dem die Interessen der Leistungserbringer offensichtlich nicht besonders wichtig waren – und die der Apothekerschaft am allerwenigsten.
Umso bedeutender ist, dass es der ABDA gelungen ist, die Lauterbach‘sche Apothekenreform mit all ihren Zumutungen über den Bruch der Koalition hinaus zu verzögern und damit am Ende zu verhindern. Damit hat sie die Bestrebungen nach einer „Apotheke ohne Apotheker“ wohl erst einmal beerdigt.
Möglich wurde dieser Erfolg auch durch eine bisher ungekannte Geschlossenheit des Berufsstandes, vor allem zum Höhepunkt der öffentlichen Proteste im Juni 2023. Die große Mehrheit folgte dem Aufruf der ABDA-Spitze, über 90 Prozent der Apotheken blieben an diesem Tag geschlossen. Man hatte das Gefühl, es passe kein Blatt zwischen die Apothekerschaft und ihre Standesvertretung.
Das bescherte dem Berufsstand eine noch nie dagewesene Medienpräsenz. Die Probleme der Apotheken wurden in den vergangenen Jahren nicht nur sehr oft, sondern oft auch ausgesprochen wohlwollend behandelt. Vom „Morgenmagazin“ über „Frankfurter Allgemeine“ und „Süddeutsche Zeitung“ bis hin zur „Bild“ berichteten praktisch alle großen Publikumsmedien über Apothekerproteste, das Apothekensterben, Lieferengpässe und über die Probleme, die ausländische Arzneimittelversender den deutschen Apotheken bereiten. Und das (meistens) ohne Häme oder bissige Seitenhiebe gegen „die reichen Apotheker“. Und häufig war es Overwiening, die dieser Berichterstattung ein sympathisches Gesicht gab und als eloquente und glaubwürdige Interviewpartnerin zur Verfügung stand.
So bleibt am Ende eine unentschiedene Bilanz der ersten ABDA-Präsidentin: Auf der einen Seite haben die Apotheker gezeigt, dass mit ihnen große Digitalisierungsprojekte umsetzbar sind. Die Standesvertretung hat in Berlin einen guten Stand, sowohl bei den anderen Gesundheitsberufen als auch bei vielen Gesundheitspolitikern. Vor allem aber wurde Lauterbachs Apothekenreform verhindert. Auf der anderen Seite wurden die pDL zwar eingeführt, werden bisher aber von den Apotheken nur sehr zögerlich umgesetzt. Und die wirtschaftliche Situation der Apotheken ist weiterhin mehr als unbefriedigend, das Honorar wurde nicht erhöht, die Zahl der Betriebsstätten geht weiter zurück.
Oft hat die ABDA-Präsidentin die Metapher von der Hummel angeführt, die nach den Gesetzen der Aerodynamik nicht fliegen können dürfte. Da die Hummel das aber nicht weiß, fliegt sie trotzdem. Passend dazu trägt Overwiening stets eine kleine Hummel am Revers (und neuerdings manchmal das Bundesverdienstkreuz). Vielleicht hilft ihr der Optimismus, den sie damit zum Ausdruck bringt, sich doch zu einer erneuten Kandidatur durchzuringen. Denn dieses Ende ihrer Amtszeit hat sie angesichts ihrer Bilanz nicht verdient. |
2 Kommentare
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von Anita Peter am 26.12.2024 um 16:26 Uhr
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Nochmal Antreten
von Conny am 26.12.2024 um 11:59 Uhr
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