Interview mit AVB-Chefin Andrea König

„Der Berufsstand muss wandlungsbereit sein“

27.12.2024, 07:00 Uhr

Andrea König (Foto: AVB)

Andrea König (Foto: AVB)


Andrea König ist seit 9. November 2024 ganz offiziell die neue Chefin des Apothekerverbands Brandenburg. An diesem Tag wählten sie die Verbandsmitglieder einstimmig zur Nachfolgerin von Olaf Behrendt, von dem sie das Amt bereits zum 1. August übernommen hatte. Im Gespräch mit der DAZ skizziert sie ihre Vorstellung von der Apotheke der Zukunft und erläutert, weshalb die Arzneimittelpreisverordnung auf den Prüfstand gehört.

DAZ: Frau König, Sie übernehmen den AVB-Vorsitz in bundes-, landes- und berufspolitisch turbulenten Zeiten. Welchen Baustellen wollen Sie sich zuerst widmen?

König: Es ist in der aktuellen Situation kaum möglich, eigene Themen zu setzen. Bedingt durch den Entwurf einer Apothekenreform, den Bundesgesundheitsminister Lauterbach vorgelegt hat, sind wir gezwungen, uns mit der zukünftigen Rolle der Apotheken in einem sich wandelnden Gesundheitssystem zu beschäftigen. Auch wenn das Reformgesetz jetzt erstmal vom Tisch ist, werden uns bestimmte Fragestellungen sicher bald wieder begegnen. Egal, wohin wir uns entwickeln wollen, eines muss klar sein: Die Apotheken brauchen zunächst dringend stabile wirtschaftliche Rahmenbedingungen.

DAZ: Die Politik würde Ihnen jetzt vorhalten, in den vergangenen Jahren bereits einiges für die Apotheken getan zu haben, auch finanziell. Stichwörter sind zum Beispiel das Botendiensthonorar, Impfen und pharmazeutische Dienstleistungen. Was halten Sie dagegen?

König: Diese positiven Effekte werden durch andere Entwicklungen bei weitem überkompensiert. Dass die Tariflöhne steigen, ist absolut berechtigt – für einen akademischen Beruf verdienen angestellte Apothekerinnen und Apotheker immer noch zu wenig. Für mich als Inhaberin bedeutet das aber, dass am Ende noch weniger Geld übrigbleibt als zuvor. Hinzu kommen zum Beispiel die Auswirkungen des Skonto-Urteils und generell steigende Kosten, etwa für Energie. Beim Honorar muss die Politik unbedingt ran, wenn sie die wohnortnahe Arzneimittelversorgung in Deutschland aufrechterhalten will. Wir haben in Brandenburg aktuell noch rund 500 Apotheken. Weniger dürfen es wirklich nicht sein, sonst werden auf dem Land die Wege für die Menschen zu weit. Und in den Städten haben wir die Skaleneffekte ausgereizt – wenn noch mehr Betriebsstätten wegbrechen, bekommen die verbleibenden Apotheken Schwierigkeiten, all die Patientinnen und Patienten aufzufangen. Auch die steigende Notdienstbelastung wird dann zum Problem.

DAZ: Also muss die Packungspauschale steigen?

König: Wenn man das Fixum anhebt, profitieren davon nicht nur die Präsenzapotheken, sondern immer auch die Versender. Eine Alternative könnte sein, gezielt Beratung zu vergüten, statt der Abgabe eines Arzneimittels. Wie sich dieser Ansatz rechtssicher umsetzen ließe, dafür habe ich kein fertiges Konzept in der Schublade. Aber vielleicht muss die Arzneimittelpreisverordnung grundsätzlich mal auf den Prüfstand. Das aktuelle Vergütungsmodell für die Apotheken hat lange funktioniert, stößt aber inzwischen immer mehr an seine Grenzen. Das gilt auch mit Blick auf die Hochpreiser-Problematik.

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DAZ: Sie haben es bereits angesprochen – nicht nur das Honorar muss sich weiterentwickeln, sondern auch die Apotheken selbst. Welche Vision haben Sie für die Apotheke der Zukunft?

König: Die Lotsenfunktion, die wir heute schon übernehmen, ließe sich noch deutlich ausbauen. Für viele Menschen sind wir bei gesundheitlichen Fragen die ersten Ansprechpartner, weil wir derzeit noch flächendeckend und niedrigschwellig erreichbar sind. Das könnte die Politik künftig stärker nutzen als bisher. Ich halte es auch für denkbar, dass wir in bestimmten Fällen selbstständig verschreibungspflichtige Medikamente abgeben, etwa bei unkomplizierten Harnwegsinfekten der Frau. Vor allem im Notdienst wäre das eine echte Erleichterung für alle Beteiligten. In den Bereichen Prävention und Impfen können die Apotheken ebenfalls mehr Verantwortung übernehmen. Das war ja in der Apothekenreform bereits angelegt. Solche Angebote hätten einen großen Mehrwert für die Gesundheitsversorgung der Menschen und würden die Arztpraxen entlasten.

DAZ: Impfen dürfen Apotheken bereits, zumindest gegen COVID-19 und Grippe. Hat sich dieses Angebot auch wirtschaftlich bewährt?

König: Wir impfen in unseren Apotheken und haben damit sehr gute Erfahrungen gemacht. Die Bundesapothekerkammer hat wirklich tolle Vorarbeit geleistet, dadurch war es recht einfach, die Prozesse aufzusetzen. Allerdings dürfte die Vergütung tatsächlich besser sein. Kostendeckung genügt einfach nicht in dieser wirtschaftlich angespannten Zeit. Wir übernehmen gerne neue Aufgaben, aber es muss sich für die Apotheken auch lohnen.

DAZ: Ein wichtiger Baustein zur Weiterentwicklung der Apotheken sind die pharmazeutischen Dienstleistungen. Bisher kommen sie jedoch noch nicht so recht zum Fliegen. Woran liegt das?

König: In der Nähe einer meiner Apotheken gibt es eine pulmologische Praxis. Daher schulen wir sehr oft Menschen im Umgang mit ihren Inhalatoren. So wertvoll dieses Angebot für die Versicherten ist: Aus unternehmerischer Sicht muss ich leider feststellen, dass die Apotheken für diese Dienstleistung unterbezahlt sind. Einige Kolleginnen und Kollegen tun sich zudem schwer damit, die Patientinnen und Patienten um die Unterschriften zu bitten, die für die Abrechnung nötig sind. Das kann ich gut verstehen. Wir alle sind es aus dem Gesundheitssektor nicht gewöhnt, dass für uns ein Vorteil daraus resultiert, wenn wir etwas unterzeichnen sollen. Aus meiner Sicht sind diese Unterschriften auch nicht unbedingt nötig. Wir haben so oft bewiesen, dass wir verantwortungsvoll mit unseren Möglichkeiten umgehen, da könnten uns die Krankenkassen ruhig mal ein bisschen vertrauen. Die Sonder-PZN auf dem Rezept sollte genügen.

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Zukunftskonzept

Zuerst in die Apotheke!

DAZ: Bis vor einigen Jahren hat die Standesvertretung großen Wert darauf gelegt, dass alle Apotheken alles anbieten können. Das Impfen und bestimmte pharmazeutische Dienstleistungen sind jedoch Beispiele für Tätigkeiten, die nicht für jeden Betrieb infrage kommen. Ist das One-fits-all-Modell überholt?

König: Grundsätzlich wäre es natürlich wünschenswert, dass alle Apotheken alles anbieten können. Inzwischen geht dieser Grundsatz aber an der Realität vorbei, denn die Aufgaben werden immer vielfältiger. Wenn die innere Einstellung stimmt und der Wille da ist, sich weiterzuentwickeln und neue Angebote zu machen, glaube ich, dass dennoch viel möglich ist. Der Berufsstand muss wandlungsbereit sein, sonst wird er es in Zukunft schwer haben.

DAZ: Was tun die Verbände, um die Kolleginnen und Kollegen auf diesem Weg zu unterstützen?

König: Wir versuchen, die Apotheken von lästigen Arbeiten zu entlasten, vor allem mithilfe digitaler Angebote. Ob Retaxationen, Kostenvoranschläge oder die Belieferung von Hilfsmittelrezepten – all die Prozesse, die damit verknüpft sind, könnten sehr viel geschmeidiger laufen, wenn wir das Potenzial der Digitalisierung noch besser nutzen würden als bisher. Daran arbeitet der Deutsche Apothekerverband bereits und ich finde es richtig, dass wir an dieser Stelle Zeit und Geld investieren. Es mangelt uns an Fachkräften und das wird sich auf absehbare Zeit wohl auch nicht ändern. Da müssen wir unsere Mitarbeitenden sinnvoller einsetzen, als sie mit solchen Aufgaben zu beschäftigen.

DAZ: Der Fachkräftemangel in den Apotheken beschäftigt auch die zukünftige Landesregierung in Brandenburg. Im Entwurf ihres Koalitionsvertrags nehmen sich SPD und BSW vor, die Ausbildungskapazitäten für PTA und PKA auszubauen. Zudem wollen die Parteien prüfen, ob ein Pharmaziestudiengang in Brandenburg geschaffen werden kann. Vorgesehen sind überdies Anreize, um Apothekerinnen und Apotheker für ländliche Regionen zu gewinnen. Wie könnten solche Anreize aussehen?

König: Das ist ein schwieriges Thema. Natürlich könnte man Apothekerinnen und Apotheker mit einer Art Strukturpauschale unterstützen, wenn sie sich in Gegenden niederlassen, in denen sonst gar keine Apotheke wäre. Dabei stellt sich jedoch die Frage, weshalb es dort keine Apotheke gibt. Meist ist die Antwort, weil es sich nicht rechnet. Das Land müsste also recht tief in die Tasche greifen, um die Förderung hoch genug anzusetzen. Ich bezweifle, dass der Politik klar ist, wie teuer das werden würde. Dass die Landesregierung etwas für die flächendeckende Arzneimittelversorgung tun möchte, begrüße ich sehr. Man darf dabei aber nicht aus den Augen verlieren, dass auch die Stadtapotheken Probleme haben. Ich hoffe, dass wir dazu mit der Politik ins Gespräch kommen.

DAZ: Frau König, vielen Dank für das Gespräch!

Zur Person

Andrea König übernahm den Vorsitz beim Apothekerverband Brandenburg (AVB) am 1. August 2024 von Olaf Behrendt. Die Mitgliederversammlung wählte sie am 9. November offiziell ins Amt. König leitet die Apotheke im Gesundheitszentrum und die Germania-Apotheke in Brandenburg an der Havel in einer OHG und ist bereits seit Herbst 2017 Mitglied des AVB-Vorstands. Im Oktober 2021 wurde sie zur 1. stellvertretenden Vorsitzenden gewählt und vertrat den AVB in dieser Funktion unter anderem im Vertragsausschuss des Deutschen Apothekerverbands.


Christina Grünberg (gbg), Apothekerin, Betriebswirtin (IWW), DAZ-Redakteurin
cgruenberg@daz.online


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