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Medikationsfehler sind in den letzten Jahren verstärkt in den Fokus der Arzneimittelsicherheits-Experten gerückt. Apotheker sind an vorderster Front dabei, wenn es darum geht, sie zu verhindern und zu erfassen. Das ist aber oft nicht so einfach.
Kürzlich hat die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) ihre Jahresstatistik 2015 bekannt gemacht. Hiernach gingen bei der Geschäftsstelle im letzten Jahr insgesamt 328 Meldungen zu Medikationsfehlern ein, die seit kurzem ebenfalls unter den Begriff der unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) fallen. Das sind deutlich mehr als im Jahr davor (2014: 107). In den letzten drei Jahren hat die AMK insgesamt 681 Meldungen zu „medication errors“ entgegengenommen, davon 17 Prozent mit und 83 Prozent ohne Schaden für die Patienten. Dies geht aus detaillierteren Daten hervor, die Matthias Ganso von der AMK bei einer Dialog-Veranstaltung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zur Pharmakovigilanz in Bonn präsentiert hat.
Viele Fehler bei Inhalationssprays
Die Analyse der Applikationswege, die mit Medikationsfehlern assoziiert sind, verrät noch mehr. Bei den 563 Fällen ohne Schaden (inklusive Beinahe- oder potenzieller Medikationsfehler) stehen die bronchopulmonalen Anwendungen mit 205 Fällen an der Spitze , gefolgt von invasiven (intravenös, intramuskulär oder subkutan) (202 Fälle) und peroralen Anwendungen (91 Fälle). Unter denjenigen mit Schaden (118) kehren sich die Verhältnisse allerdings um. Hier rangieren die peroralen Formen auf Platz eins (61) und die bronchopulmonalen auf Platz drei (17).
Starkwirksame Arzneimittel oft involviert
Bei Betrachtung der Darreichungsformen führen interessanterweise die Fertigspritzen die „Negativliste“ an. Sie schlugen mit 146 Fällen ohne und 14 Fällen mit Schaden zu Buche.
Dahinter reihen sich mit fast ebenso vielen Fehlern ohne Schaden (145) die Inhaltaionspulver ein und mit einigem Abstand (52 Fälle ohne Schaden) die Dosieraerosole.
In dem dreijährigen Erhebungszeitraum, über den Ganso Bilanz zog, wurden Dexamethsaon und antiinfektive sowie andere inhalative Mittel bei obstruktiven Atemwegserkrankungen am häufigsten falsch angewendet. Dosierfehler wurden zum Beispiel für Kardiostimulatien gemeldet und Zubereitungsfehler unter anderem für Hormone und zytotoxische Antibiotika, allesamt stark wirksame Arzneimittel.
Absichtlich oder nicht?
Mit welchen Schwierigkeiten sind Apotheker bei der Erfassung und Meldung von Medikationsfehlern konfrontiert? Ein Grundproblem ist laut Ganso die sachgerechte Klassifizierung einer Meldung. Meist habe man es in der Praxis mit einer Verkettung von Ursachen und Folgen zu tun. Das Schema, das die Europäische Arzneimittelagentur kürzlich zur Abgrenzung und Klassifizierung von Medikationsfehlern in ihren neuen Leitfaden zu dem Thema eingestellt hat, hält er in der Praxis für wenig hilfreich. „Das fängt schon damit an, dass man oft nicht zweifelsfrei feststellen kann, ob ein Arzneimittel absichtlich oder aus Versehen falsch angewendet wurde.“ stellte Ganso fest. „Ein Fall gilt aber nur dann als Medikationsfehler, wenn dies unabsichtlich passiert.“
Die EMA-Klassifikation von Medikationsfehlern ist wenig aufschlussreich
Meldebögen für „medication errors“ ungeeignet
Für Meldungen über Qualitätsmängel und Verdachtsfälle unerwünschter Arzneimittelwirkungen stellt die AMK zwei verschiedene Meldebögen zur Verfügung. Schon jetzt gebe es manchmal Probleme bei der Zuordnung, und für Berichte über Medikationsfehler seien diese wohl eher noch weniger geeignet, meinte Ganso. Hier sieht er dringenden Optimierungsbedarf. Außerdem wünscht sich die Arzneimittelkommission eine offene Kommunikation mit den Apothekern über Medikationsfehler und bei Meldungen eine exakte Fehlerbeschreibung. Für Manöverkritik hinsichtlich der Zusammenarbeit sei die AMK jederzeit offen, sicherte er zu.
Könnte die Industrie mehr tun?
An die Industrie richtete Ganso den Appell, die Barrieren, mit denen Medikationsfehler verhindert werden sollen – etwa kindergesicherte Verschlüsse oder anwendungssichernde Hinweise – auf ihre tatsächliche Wirksamkeit hin zu analysieren und Fehlerbarrieren an Arzneimitteln zu verbessern
Schwachstelle Patient
Die größte Herausforderung, darin herrschte beim BfArM Dialog weitgehende Übereinstimmung zwischen Behörden, Industrie und Gesundheitsberufen, ist jedoch eine bessere Aufklärung und verstärkte Sensibilisierung der Patienten. Während Ärzten und Apothekern bezüglich Medikationsfehlern ein eher geringes „Gefahrenpotenzial“ zugeschrieben wird, gelten die Patienten selbst als die größte Schwachstelle.
Die Kontakt-Daten der AMK-Geschäftsstelle für Fragen zu Arzneimittelrisiken und Meldungen/Einsendungen finden sie unter: www.arzneimittelkommission.de.
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