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Zu viel Angst vor „German Mut“: Nach zuletzt zwei
erfolgreichen Landtagswahlen wollten sich die Liberalen bei ihrem 67.
Bundesparteitag in Berlin inhaltlich neu aufstellen und sich voll und ganz dem
Thema „Digitalisierung“ widmen. Eine mehrstündige Debatte zur
Gesundheitspolitik zeigte aber, dass die Partei nicht so mutig ist, wie sie
gerne möchte, meint DAZ.online-Redakteur Benjamin Rohrer.
Nach dem Wahldebakel im Herbst 2013 war es ruhig geworden um die FDP. Knapp zehn Prozent der Wählerstimmen hatten die Liberalen im Vergleich zur Bundestagswahl 2009 verloren und flogen aus dem Bundestag. Rund zweieinhalb Jahre später kann sich die FDP über ein Mini-Comeback freuen. Bei den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg konnten die Liberalen ihre Ergebnisse verbessern und zogen in den Landtag ein. In Rheinland-Pfalz wird die FDP sogar Teil der neuen Landesregierung. In Sachsen-Anhalt schrammte die Partei mit 4,9 Prozent nur knapp am Einzug in den Magdeburger Landtag vorbei.
Auf dem Bundesparteitag ging es also in erster Linie darum, diesen Fahrtwind mitzunehmen und sich für die Bundestagswahl 2017 inhaltlich aufzustellen. Die Liberalen wählten dabei ein Thema, das die Massen bewegt. Unter dem Titel „Beta Republik Deutschland“ ging es um die Digitalisierung der Gesellschaft. Grundaussage der Liberalen: Trotz aller Bedenken rund um den Datenschutz, wenn es also um die Rechte des Individuums im World Wide Web geht, brauchen wir beim Finden und Etablieren neuer digitaler Lösungen mehr „German Mut“. Wörtlich hieß es: „Ausprobieren. Austesten. Auch wenn es nicht sofort perfekt ist.“
Doch diesen Mut hat die Partei selbst nicht gehabt. Denn die Stimmberechtigten hielten sich dem Vernehmen am Leitantrag mit dem Namen „Chancen der digitalen Gesellschaft“ fest. Grund dafür war auch eine stundenlange Debatte um den gesundheitspolitischen Kurs. Zugegeben, der Bundesvorstand hatte in den Leitantrag einige waghalsige Vorschläge geschrieben. Als eines der „Kernthemen“ benannte die Chefetage der Liberalen „virtuelle Arztbesuche und digital gestützte Behandlungen“. Dadurch könne das Gesundheitswesen flexibilisiert und Wartezeiten reduziert werden. Insbesondere für Patienten im ländlichen Bereich müsse der virtuelle Arztbesuch „zum Standard“ werden. Bei digitalen Arztkontakten sollten Diagnosen beispielsweise telemedizinisch mithilfe eines Smartphones gestellt werden können, oder per Videotelefonat.
Alles für die Katz. Denn die anwesenden Liberalen beschwerten sich darüber, dass bei diesen Vorschlägen der Datenschutz flöten gehe. Es entstand eine leidenschaftliche Diskussion darüber, ob man fortschrittlich sein und neue Lösungen vorschlagen solle oder sich ganz dem Schutz persönlicher Daten hingeben müsse. Letztlich setzten sich die liberalen Datenschützer durch und beschlossen mehrheitlich einen Änderungsantrag.
Beschwichtigender Antrag aus Bayern kommt durch
Von neuen Anwendungen, Telemedizin, Ferndiagnosen oder Online-Sprechstunde ist da nichts mehr zu lesen. Der Beschluss liest sich wie ein Werbeprospekt eines E-Health-Verbandes. Der Mensch und sein „freier Wille“ stünden beim liberalen Gesellschaftsbild im Vordergrund. Durch den Ausbau digitaler Anwendungen könnten zwar Innovation und Arbeitsplätze geschaffen werden. Solche Anwendungen seien aber immer nur „Hilfsmittel“, die dazu dienten, die Qualität zu verbessern. Und: Weil die Kommunikation zwischen Leistungserbringern und ihren Patienten automatisch immer weiter digitalisiere, müsse gerade dieser Bereich „sorgsam betrachtet“ werden, heißt es in dem Antrag.
Eine beachtliche Kehrtwende der FDP. Aus gesundheitspolitischer Sicht ist das Ergebnis ein recht profilloser Leitantrag ohne konkrete Vorschläge zur Digitalisierung des Gesundheitswesens. Übrigens: Weil die Debatte um diesen Leitantrag so lang dauerte, konnten alle anderen Einzelanträge (im Antragsbuch standen mehr als 60 davon) nicht mehr besprochen werden. Für Apotheker wäre Interessantes dabei gewesen: etwa die Abschaffung der Kammerpflicht.
1 Kommentar
Prozentrechnung
von Hamburger am 27.04.2016 um 6:10 Uhr
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