Australien

Apotheker fordern mehr Kompetenzen

28.07.2016, 15:00 Uhr

„Old Fashioned Service” möchten Australiens Apotheker nicht: Sie stehen für die Sichtbarkeit ihrer pharmazeutischen Kompetenz ein. (Foto: Apotheke in Australien / Julia Borsch)

„Old Fashioned Service” möchten Australiens Apotheker nicht: Sie stehen für die Sichtbarkeit ihrer pharmazeutischen Kompetenz ein. (Foto: Apotheke in Australien / Julia Borsch)


Apotheker und Ärzte sollen künftig auch in Australien enger zusammenarbeiten. Die Pharmaceutical Society of Australia legte der australischen Regierung ein Zielepapier  vor, das Apotheker bei Medikationsfragen stärker einbindet. Vorbild soll das britische Gesundheitssystem sein.

Obwohl ehemals britische Kronkolonie, hinkt Australien seinem alten Mutterland in der interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Apothekern merklich hinterher. Das soll sich ändern. In einem Manifest forderte die Pharmaceutical Society of Australia (PSA) die australische Regierung auf, den Kompetenzgrad von Apothekern zu erweitern. Die PSA ist überzeugt, dass ein stärkeres Einbinden der Apotheker in Arztpraxen und der Pflege, die Arzneimitteltherapiesicherheit bei Patienten erhöht und den Arzneimittelverbrauch reduziert.

Die derzeitige defizitäre Situation australischer Apotheker in der praktischen Umsetzung ihrer pharmazeutischen Kompetenz, bringt PSA-Präsident Joe Demarte auf den Punkt: „Australien hängt bei der Implementierung innovativer Versorgungsmodelle hinterher, wenn die spezielle Expertise der Pharmazeuten gefragt ist, um chronische und komplexe Krankheitszustände zu verhindern oder zu managen“, erklärt Demarte. Die PSA ist der australische Fachverband der Apotheker und vertritt mit etwa 18.000 Mitgliedern die Interessen der australischen Pharmazeuten.

Apotheker erhöhen Sicherheit und sparen Kosten

Konkret möchte die PSA ihre Position in den Bereichen der ambulanten Pflege und der Gesundheitsfürsorge der Aborigines stärken. Die australischen Ureinwohner sind laut PSA häufiger krank und zeigen sich bei einer Arzneimitteltherapie weniger adhärent als die übrige australische Bevölkerung. Zusätzlich sollen Apotheker Allgemeinarztpraxen und Altenpflegeheime pharmazeutisch unterstützen. Ziel ist, den Blick verstärkt auf den Patienten zu lenken. Individuelle Medikationspläne sollen das Selbstmanagement unterstützen, Einnahme- und Dosierungsfehler verhindern und damit verbundene kostenintensive Krankenhausaufenthalte reduzieren. Vorbild ist hier das Praxis-Apothekermodell Großbritanniens. Das sieht vor, bis 2020 in jeder britischen Allgemeinarztpraxis zusätzlich einen Apotheker anzustellen, der für Medikationsfragen verantwortlich ist.

Apotheker könnten das Gesundheitssystem zusätzlich entlasten, indem sie preisgünstige Therapiealternativen aufzeigten. Dass hier enormer Handlungsbedarf besteht, machen die Zahlen deutlich: Arzneimittel kosten den australischen Staat jährlich etwa 19 Milliarden Australische Dollar (13 Milliarden Euro) – nach Angaben der PSA sind davon 1,2 Milliarden Australische Dollar unnötig ausgegeben. 50 Prozent der verordneten Arzneimittel seien ungeeignet für längerfristige Therapien und belasteten das Gesundheitssystem. 

Der Verband australischer Apotheker will auch in der Prävention verstärkt Engagement zeigen: Bislang dürfen Pharmazeuten Downunder lediglich gegen die Virusgrippe Influenza impfen. In Zukunft solle die Impfkompetenz alle Infektionskrankheiten abdecken, wünscht sich die PSA.

Medikationsplan ab Oktober auch hierzulande

Mit dem Ruf nach einem Medikationsplan und der damit verbundenen erhöhten Arzneimitteltherapiesicherheit ist der fünfte Kontinent nicht allein: In der Bundesrepublik wird solch ein Medikationsplan ab Oktober Realität. Er steht Patienten zu, die dauerhaft mehr als drei Arzneimittel gleichzeitig einnehmen müssen. Der pharmazeutische Wermutstropfen beim bundesweit einheitlichen Medikationsplan ist allerdings auch hier, die mangelnde Einbindung der Apotheker. So beschränkt der Gesetzgeber den pharmazeutischen Handlungsspielraum der deutschen Apotheker auf die Aktualisierung der Pläne.


Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Bleiben Sie dran, das wird schon noch ...

von Wolfgang Müller am 28.07.2016 um 16:54 Uhr

Liebe Kollegin Müller,

Ihrem Kommentar "Dancing Queen" vom April entsprechend zeigt sich hier erneut: Andere Länder wie GB und Australien gehen zur Einbindung von Apotheker/innen in die Verschreibungs-Medizin vollkommen andere, offenere, akademischere, vielfältigere und kreativere Wege. Als wir hier in Deutschland mit unseren Alles-Oder-Nichts-Schlachtrufen "ARMIN als Standard ins Sozialgesetzbuch" und dem selbstmörderisch/komplexhaften "Notfalls auch ohne die Ärzte".

Diese anderen Länder bekennen sich zur Schaffung schöner, interessanter und wichtiger neuer Apotheker/innen-Arbeitsgebiete konsequent zum AMTS-Apotheker als arbeitsteiligen Unterstützer des Arztes, ehrlicherweise gerade eben NICHT primär in der Öffentlichen Apotheke. Und bauen vor Allem auch nicht wie wir Messerwetzer/innen ein typisch teutonisches "Finden und Melden"- System auf (gibt natürlich keiner zu ... ist aber leider so und kommt auch genau so rüber), das auf einer vermeintlichen Überlegenheit beruhen soll: "Bloß kein Assistent des Arztes!"

Holland hat ein ARMIN-ähnliches Hausapotheken-Modell mit Einschreibepatienten und dem ganzen Fang-"Netzwerk"-Brimborium, wie wir es mit der Barmer auch schon hatten, meinen Informationen nach schon wieder abgeschafft. Während wir Armen gerade anfangen, um die Möglichkeit zu entsprechenden Selektivverträgen "Ohne Die Ärzte!" kämpfen .......

Was wir hier gerade machen wollen (eben mit ARMIN-Selektivverträgen etc.) wird zu einem der Rezeptur entsprechend peinlichen, nicht-honorierten reinen Marketing-Instrument verkommen. Wenn wir nicht endlich klar sagen: "ARMIN ist nur ein TEST-SYSTEM, was danach für AMTS kommt, kann und muss wahrscheinlich ganz anders aussehen!"

Felix Australia, Felix Britannia, die ihren "Jungen" und anderen vermeintlich Verführbaren nicht vormachen, dass das "mit höchster Priorität" in die Öffentliche reingepresst werden muss: "Sonst sterben wir aus".

(P. S., mit Verlaub: Was das Ganze mit der vermeintlich so schlechten Behandlung von uns bei Gröhes verwegenem erstem Wurf zur Etablierung des Medikationsplans bei den Hausärzten zu tun haben soll, werden Leggards - habe ich gerade von JP gelernt - wie ich aber wohl nie verstehen ....)

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