Gesundheitsökonom kritisiert EuGH-Urteil

„Argumente sind ökonomisch falsch“

Düsseldorf - 04.11.2016, 11:00 Uhr

 Der Gesundheitsökonom Prof. Dr. Uwe May hält die Argumente für das EuGH-Urteil für ökonomisch falsch. (Foto: AV Nordrhein/ A. Müller)

 Der Gesundheitsökonom Prof. Dr. Uwe May hält die Argumente für das EuGH-Urteil für ökonomisch falsch. (Foto: AV Nordrhein/ A. Müller)


Der Gesundheitsökonom Professor Uwe May hat die Preisbindung für Arzneimittel verteidigt. Sie stelle ein probates Mittel dar, um die flächendeckende Versorgung sicherzustellen. Der nordrheinische Verbandspräsident Preis nannte das Verbot des Rx-Versands „alternativlos“.

Auf dem 4. OTC-Gipfel ging der Gesundheitsökonom Prof. Dr. Uwe May am gestrigen Donnerstag hart mit den EuGH-Richtern, manchen seiner Kollegen und vielen Wirtschaftsjournalisten ins Gericht. Die im Urteil aufgeführten Argumente gegen die grenzüberschreitende Arzneimittelpreisbindung „mögen hauptsächlich ökonomisch motivierte Gründe gewesen sein – aber sie sind eben ökonomisch falsch“, sagte May, der an der Hochschule Fresenius den Lehrstuhl für Gesundheitsökonomie innehat. Es sei doch gang und gäbe, dass die Finanzierung von sogenannten Öffentlichen Gütern vom Staat „paternalistisch“ geregelt werde. „Für die Bundeswehr oder unser Bildungswesen ist das doch nicht grundsätzlich anders“, so May. Diese Bereiche, für die der einzelne Bürger nicht bereit sei, konkret Geld zu bezahlen und die ein Marktsystem daher nicht bereitstellt, die eine Gesellschaft aber zum Funktionieren braucht, würden über Steuern finanziert. Bei der flächendeckenden Arzneimittelversorgung sei das ähnlich, nur dass der Staat hier statt einer Steuerfinanzierung eben das Mittel der Preisbindung gewählt hat. „Volkswirtschaftlich ergibt das durchaus Sinn!“

„Apotheken sparen dem Gesundheitswesen Milliardensummen"

In seinem vorhergehenden Vortrag hatte May überzeugend dargelegt, dass die Apotheken durch ihre gute Erreichbarkeit und fachliche Beratung dem solidarischen Gesundheitswesen Milliardensummen einsparen. Er präsentierte eigene, bisher unveröffentlichte Untersuchungen, die belegen, dass die Apotheken maßgeblich zur erfolgreichen Selbstbehandlung von Patienten mit leichten Gesundheitsstörungen beitragen. Die größten Einsparungen ergeben sich dabei aus der Reduzierung der Arzt- und Arzneimittelkosten. In vielen Fällen sind für May die Apotheken für die Akzeptanz und Bereitschaft zur Selbstbehandlung maßgeblich. Und „ohne die Präsenz und Funktionen der Apotheken wäre Selbstbehandlung in der heutigen Qualität und Quantität nicht denkbar“, so May.

Auch der Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte BVKJ, Dr. Thomas Fischbach, stärkte den Apothekern den Rücken. Eine flächendeckende Versorgung mit Apotheken sei wichtig. Zur Forderung eines Rx-Versandverbots wollte Fischbach sich nicht äußern – sein Verband fordert aber schon länger ein Verbot des Versands von Arzneimitteln, die für Kinder bestimmt sind. Wenn schon kein Kinderarzt das Kind gesehen habe, dann müsse zumindest ein Apotheker persönlich mit den Eltern gesprochen haben.

„Rx-Versandverbot ist alternativlos"

Der Gastgeber Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbands Nordrhein, bezeichnete das Rx-Versandverbot als „alternativlos“. Andere Lösungsvorschläge, wie die Wettbewerbsverzerrung zugunsten der ausländischen Arzneimittelversender beseitigt werden könnten, ohne einen für viele Apotheken ruinösen Preiswettbewerb zu ermöglichen, bräuchten zu viel Zeit. „Das Versandverbot könnte schnell umgesetzt werden, ohne das ganze System zu verändern“, so Preis.

Der OTC-Gipfel fand in diesem Jahr zum vierten Mal statt. Der veranstaltende Apothekerverband Nordrhein möchte mit der Veranstaltung den Stellenwert der Selbstmedikation stärken. 


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1 Kommentar

Argumente sind moralisch falsch!

von Christian Giese am 04.11.2016 um 13:53 Uhr

Man kann zwar alles, aber man sollte nicht absichtliche Steuerungsmittel wie Praxisgebühr und Zuzahlungsgebühr dem ökonomischen Wettbewerb aussetzen.
Steuerungsmittel haben ihre gesetzliche Aufgabe, ihren Zweck.
Man könnte das sonst auch hochrechnen, ja, warum auch nicht. Wir könnten jegliche Gesetzgebung des Staates unter ökonomischen Aspekt begutachten und je nach ökonomischen Interesse und Hintergrund die staatliche Gesetzgebung ventilieren.

Versagt haben in Luxemburg allein die moralisch-ethischen Argumente der Apothekervertretung.
Mir schleierhaft, warum man ökonomisches Interesse nicht von Gemeinwohlpflichten trennen kann.

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