Viele Asthmatiker machen Fehler

Falsche Inhalationstechnik Thema im „Wall-Street-Journal“

Stuttgart - 14.03.2017, 15:15 Uhr

Kleines Gerät, viele Fehlerquellen: viele Asthma- und COPD-Patienten machen Fehler bei der Inhalation. Die Apotheke sollte sich regelmäßig die Technik zeigen lassen. (Foto: Andrzej Tokarski / Fotolia)

Kleines Gerät, viele Fehlerquellen: viele Asthma- und COPD-Patienten machen Fehler bei der Inhalation. Die Apotheke sollte sich regelmäßig die Technik zeigen lassen. (Foto: Andrzej Tokarski / Fotolia)


Dass ein Großteil der Asthma- und COPD-Patienten ihre Inhalatoren nicht richtig anwendet, ist unter Apothekern nichts Neues. Nun hat das „Wall Street Journal", immerhin die auflagenstärkste Zeitung der USA, das Thema aufgegriffen. Die zitierten Untersuchungen kommen zu dem Schluss, dass Patienten in 70 bis 90 Prozent der Anwendungen mindestens einen Fehler machen. 

„Ich hab das immer, ich kenne mich aus.“ Diesen Satz hört man in der Apotheke oft. Dass es sich lohnen kann, diesen Patienten trotzdem eine Beratung „aufzuzwingen“ haben Untersuchungen an Asthma-Patienten gezeigt. Demnach schleichen sich nämlich bei langjährigen Anwendern oft Fehler ein. Das Problem ist offensichtlich so groß, dass es das Interesse der US-Tageszeitung „The Wall Street Journal" geweckt hat. „Many Asthma Patients Use Their Inhalers Incorrectly, Research Shows: They hold it wrong, breathe at the wrong time, or forget to shake the device” titelte das Blatt vergangene Woche. Mit zwei Untersuchungen wird dies belegt.

In der einen, die Mediziner gemeinsam mit Informatikern durchführten, wurden Dosieraerosole von 23 Asthmapatienten mit Sensoren versehen. Mithilfe dieser Sensoren ließen sich verschiedene Parameter nachvollziehen. Zum Beispiel, ob das Device vor der Anwendung geschüttelt wurde und, wenn ja, wie stark. Oder auch die Atemfrequenz nach dem Auslösen des Sprühstoßes. Erfasst wurden die Daten von 23 Patienten. Die Auswertung brachte Erschreckendes zutage: Jeder der Asthmatiker machte mindestens einen Fehler und 74 Prozent der Probanden sogar mindestens drei. So schüttelte etwa die Hälfte vor der Inhalation das Gerät nicht ausreichend oder gleich gar nicht. Zudem gab es große Unterschiede, darin wie schnell oder wie tief die Patienten einatmeten. 

Foto: Screenshot

Mangelnde Koordination war der schwerwiegendste Fehler

In einer zweiten Untersuchung wurde überprüft, wieviel Wirkstoff tatsächlich am Wirkort landet. Dazu wurden die Atemluftströme von acht Patienten gemessen. Mit diesen Daten, einem Lungenmodell und einer Roboterhand generierten die Wissenschaftler verschiedene Inhalationsmuster. Dabei stellten sie Fehler, die Patienten typischerweise machen, nach, um deren Einfluss auf die Wirkstoff-Deposition in den Bronchien zu sehen. Dabei zeigte sich: Der schwerwiegendste Fehler war die mangelnde Koordination. Korrekterweise sollen Patienten beginnen einzuatmen und dann den Sprühstoß auslösen. Tun sie letztes nur wenig zu früh, kommen nur noch Bruchteile des Wirkstoffs an. Abhilfe kann ein Spacer schaffen. Patienten, die Schwierigkeiten mit der Koordination haben, sollte man zu diesem Hilfsmittel raten. Der zweitschlimmste Fehler dieser Untersuchung zufolge war, nicht tief genug zu einzuatmen. Das führt, dazu dass 5 bis 10 Prozent weniger Wirkstoff die Bronchien erreichen. 

Inhalationstechnik regelmäßig überprüfen – auch in der Apotheke

Diese Daten zeigen, wie wichtig es ist, die Inhalationstechnik regelmäßig zu überprüfen. Das entfalle aber oft aus Zeitmangel, heißt es in dem Artikel. Dabei heben beispielsweise die neuen Empfehlungen der „Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease“ (GOLD) die Wichtigkeit dieser Maßnahme explizit hervor. Eine Ärztin wird zitiert, in Zukunft besser darauf zu achten zu wollen.

Auch wenn es in dem Artikel nicht erwähnt wurde, ist das ein Punkt, bei dem auch die Apotheker in der Pflicht sind. Wie sieht so ein Monitoring in der Apotheke aus? Das Wichtigste dabei ist: Der Patient hat den aktiven Part. Man bittet ihn, die Anwendung so vorzuführen, wie er es zuhause macht. Der Apotheker schaut nur zu. Eventuelle Fehler werden dann erst im Anschluss kommentiert. („Sie haben das ganz richtig gemacht, aber es wäre besser, wenn ..., weil.“). Das Ganze sollte erstmalig spätestens vier Wochen nach der Erstverordnung durchgeführt werden, dann mindestens einmal im Jahr sowie nach jedem Gerätewechsel. Stellt der Apotheker gravierende Fehler fest, soll zeitnah eine Wiederholung erfolgen.

Schult der Arzt nicht, muss der Apotheker

Die Erstunterweisung hingegen sollte im Idealfall vom Arzt durchgeführt werden. Kommt dieser allerdings seiner Pflicht nicht oder nicht ausreichend nach, muss die Apotheke einspringen. Der wesentliche Unterschied zum Monitoring ist: Hier hat der Apotheker erst einmal den aktiven Part und der Patient hört nur zu. Im ersten Schritt werden das Gerät und alle bei der Inhalation wesentlichen Schritte und Fehlerquellen erklärt. Die einzelnen Punkte sollten, soweit möglich, auch begründet werden, zum Beispiel warum bei Pulverinhalatoren nicht in das Gerät ausgeatmet werden darf. Im Anschluss führt der Schulende mithilfe eines Demogeräts die richtige Anwendung vor. Erst danach ist der Patient an der Reihe und soll versuchen, das Gezeigte und Erklärte nachzumachen – mehrfach. In der Apotheke gilt es also, bei jedem Rezept über ein inhalatives Arzneimittel nachzufragen, ob das Mittel zum ersten Mal verordnet wurde und falls ja, ob eine Unterweisung erfolgt ist.

 Laut Wall Street Journal

Die häufigsten Fehler bei der Anwendung von Dosieraerosolen 

  • Nicht schütteln: Laut Leitlinie soll vor jedem Sprühstoß geschüttelt werden. Ärzten zufolge wird zwar oft vor dem ersten, nicht aber vor weiteren Sprühstößen geschüttelt. 
  • Position des Inhalers: Das Device muss aufrecht gehalten werden. Viele Patienten hielten es aber schief, oder lehnten sich zu weit nach vorne. Das führt dazu, dass der Wirkstoff an der Zunge oder im Mund hängen bleibt.
  • Koordination des Atemzugs: Langsam beginnen einzuatmen und dann den Sprühstoß auslösen, so ist es richtig. Doch viele Patienten warten zu lange mit dem auslösen oder lösen und beginnen dann erst mit dem einatmen, heißt es.
  • Zu schnell einatmen: schnell und kurz, statt langsam und tief einatmen – ein weiterer häufiger Fehler.
  • Luft anhalten: Nach der Inhalation muss kurz der Atem angehalten werden – für fünf bis zehn Sekunden. Häufig werde zu schnell wieder ausgeatmet, der Wirkstoff kann sich dann nicht in der Lunge absetzen.
  • Abstand zwischen zwei Sprühstößen: Viele warteten nicht die empfohlenen 15 bis 30 Sekunden bis zum nächsten Sprühstoß. 



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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