- DAZ.online
- News
- Debatte & Meinung
- Mein liebes Tagebuch
Süßes oder Saures? Bald wird’s halloweenmäßg gruselig und sauer: Das Gutachten, wie unser Honorar in Zukunft berechnet werden soll, steht vor der Tür. Auch eher mit einer sauren Komponente: die politischen Sondierungsgespräche. Und der CDU-Wirtschaftsrat glaubt geisterhaft, ohne Versandhandel nicht leben zu können. So manche Krankenkasse kocht bei der Patientenakte ihr eigenes Kürbissüppchen. Das einzig Süße (für uns): Die Versandapos sind bei der Stiftung Warentest ziemlich durchgefallen.
23. Oktober 2017
Sie wird kommen, sie wird sich nicht aufhalten lassen: die Fernbehandlung, die Telemedizin. Bisher war es in Deutschland nicht erlaubt, dass ein Arzt einen Patienten per Telefon oder Internet behandelt, ohne ihn vorher wenigstens einmal persönlich gesehen zu haben. Aber jetzt startet in Baden-Württemberg ein Modellprojekt, bei dem sich Privatversicherte ausschließlich aus der Ferne behandeln lassen können. Die Ärztekammer Baden-Württemberg erlaubt dieses Modellprojekt. Beteiligt ist das Münchner Unternehmen Teleclinic, die Barmenia und eine weitere private Krankenversicherung. Die digitale Sprechstunde soll den persönlichen Arztbesuch nicht ersetzen, sondern ihn ergänzen. Was es den Patienten bringt: Sie sind nicht an Praxis-Öffnungszeiten gebunden, es gibt einen Bereitschaftsdienst rund um die Uhr, sie müssen nicht außer Haus gehen. In einem Video-Chat oder per Telefon können sie mit einem Arzt kommunizieren. Mein liebes Tagebuch, Telemedizin wird sich nicht aufhalten lassen und daher ist es richtig, dies in einem Modellprojekt zu testen. In der Schweiz läuft die telemedizinische Behandlung bereits seit einiger Zeit – mit Erfolg. Telemedizin eignet sich sicher nicht für jeden Patienten, für jede Gesundheitsstörung, aber in dem einen oder anderen Fall kann sie durchaus sinnvoll sein. Nur, wie passt da das erst vor Kurzem bei uns in Kraft getretene Gesetz dazu, dass deutsche Apotheken die Rezepte, die im Rahmen der Fernbehandlung ausgestellt werden, nicht beliefern dürfen? Gar nicht. Da war man wohl zu voreilig, und die ABDA hat zu früh applaudiert. Digitaler Fortschritt geht eben ungeheuer rasant. Die Patienten müssten ihre Rezepte dann zu den niederländischen Versandapotheken schicken… ein Unding. Mein liebes Tagebuch, fürs Modellprojekt muss da eine Ausnahmegenehmigung fürs Rezepteinlösen her und überhaupt: Vielleicht sollten Politik und ABDA nochmal drüber nachdenken, ob man die Vorschrift mit dem Rezepteinlöseverbot bei telemedizinischer Behandlung besser wieder kippt.
Die politischen Sondierungsgespräche nehmen ihren Lauf. Für die gesundheits- und sozialpolitischen Themen soll die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, ihre Partei koordinierend vertreten. Och nee, mein liebes Tagebuch, was will uns das denn sagen? Und schon mutmaßt so mancher, die Grüne könnte eine Kandidatin für die Spitze des Bundesgesundheitsministerium sein. Grüne und Gesundheitsministerin? Äh, ja, klingt irgendwie nicht prickelnd. Muss auch nicht sein. Bei den letzten Koalitionsverhandlungen war Jens Spahn koordinierend für gesundheitspolitische Themen zuständig und man sah ihn schon als Gesundheitsminister. Merkel telefonierte dann mit Gröhe…
Kocht da jetzt jede Kasse ihr eigenes Süppchen? Sieht so aus, mein liebes Tagebuch. Nachdem der AOK-Bundesverband in zwei Modellprojekten eine digitale Patientenakte erprobt, macht nun auch die TK ihren Patienten das Angebot, ihre Gesundheitsdaten in einer elektronischen Akte abzuspeichern, z. B. Impfpass, Zahnbonusheft, Behandlungsdaten, Medikationsinformationen. Die TK will beispielsweise die Übersichten über die verordneten Arzneimittel in die Akte einfließen lassen, der Versicherte kann dann seine OTC-Arzneimittel ergänzen. Wie man die Apotheken da einbindet, scheint noch offen zu sein: die Schnittstellen zu den Apotheken-Systemen sind da wohl die Herausforderung. Mein liebes Tagebuch, nachdem sich jahrelang mit der elektronischen Gesundheitskarte und elektronischen Patientenakte nichts getan hat, kommt jetzt Fahrt auf bis zum Überschlagen. Wenn jede Kasse ihre eigenen Akten anlegt, kann sich das Bundesgesundheitsministerium seine Gedanken zu einer bundeseinheitlichen Akte in den Wind schreiben. Man darf allerdings erstmal gespannt bleiben, inwieweit und ob Patienten solche elektronischen Akten überhaupt in größerer Zahl nutzen. Und was die Sicherheit solcher Systeme angeht: Auch das Pentagon wurde schon gehackt.
24. Oktober 2017
Endlich hat sich die Stiftung Warentest auch mal die Versandapotheken vorgeknöpft: 15 deutsche und drei ausländische Päckchenpacker wurden getestet. Das Ergebnis ist eine Katastrophe – für die Versender und letztlich für die Patienten: Sieben der 18 Versender erhielten ein „Mangelhaft“, die beste Note ist ein „Befriedigend“. Zum miserablen Ergebnis hat vor allem beigetragen, dass die Versender nicht oder unzureichend und schlecht beraten. Vereinzelt konnte der eine oder andere Versender beim Service punkten. Kritik hatten die Tester auch an den Versandmodalitäten: Fast jedes dritte Päckchen landete beim Nachbarn. Mein liebes Tagebuch, überrascht uns das Ergebnis? Nein, es ist genauso, wie wir es vermutet haben. Alle Politiker, die um den Arzneiversand tanzen wie ums Goldene Kalb, sollten sich diese Ergebnisse mal genau anschauen.
25. Oktober 2017
DocMorris zofft sich mit der Pharmagroßhandlung Noweda. Die Apothekergenossenschaft hat eine Plakataktion gestartet, mit der sie – ohne einen Versender namentlich zu nennen – auf die Nachteile der Versandapos hinweist, beispielsweise dass sie keinen Nachtdienst machen. DocMorris stößt sich vor allem an einem Plakat mit der Aussage, dass Versandapos keine Rezepturen machen – und mahnte die Noweda ab. Mein liebes Tagebuch, bellen da getroffene Hunde? Da sollte DocMo mal in sich gehen: In einer Broschüre sagen sie selbst, dass man Rezepturen nur „mit Ausnahmen“ herstelle. Mag ja sein, dass die eine oder andere Rezeptur angefertigt wird (erfreut über Rezepturen dürften die ausländischen Versender wohl nie sein). Die Noweda will jedenfalls nicht klein beigeben und sammelt jetzt belastendes Material gegen DocMorris: Sie bittet die Mitglieder um Unterstützung, falls sie von konkreten Fällen wissen, in denen DocMorris Rezepturaufträge ablehnte.
Nicht nur Awinta und VSA haben mit dem LAV Baden-Württemberg eine digitale Rezeptsammelstelle entwickelt, auch das ARZ Darmstadt und der Hessische Apothekerverband stellten im Beisein des hessischen Gesundheitsministers Stefan Grüttner eine elektronische Rezeptsammelstelle vor. Das Prinzip ist einfach: Wirft der Patient sein Rezept ein, wird es fotografiert und an die Apotheke übertragen, die dann die Arzneimittel zusammenstellt, per Botendienst ausliefert. Und es gibt noch mehr Digitales in Hessen: Mit der App ApoJET kann der Patient sein Rezept fotografieren und an seine Apotheke übermitteln, außerdem Sprach- und Textnachrichten versenden. Die App kann auch Medikationsplan, Erinnerungen und Einnahmehinweise anlegen, anzeigen und verwalten. Den Minister hat’s beeindruckt: Mit dieser Art der Digitalisierung können Versorgungsprobleme gelöst werden, ist er überzeugt. Mein liebes Tagebuch, endlich tut sich da was. Diese elektronischen Briefkästen vom ARZ oder von der VSA könnten doch auch von den anderen Bundesländern übernommen werden und sollten überall dort, wo eine Rezeptsammelstelle genehmigt wird, installiert werden. Damit hätte sich das leidige Thema von DocMorris und Videoautomat erledigt.
26. Oktober 2017
Grusel, Grusel – wenn Halloween vorbei ist und Nikolaus bevorsteht, dann könnte es für uns Apothekers echt ungemütlich werden. In diese graue düstere Novemberzeit fällt die Veröffentlichung des vom Wirtschaftsministerium in Auftrag gegebene Honorar-Gutachten. In etwa drei Wochen, am 14. November, soll es dem Vernehmen nach so weit sein. Ja, dann ist Vorweihnachtszeit, aber vermutlich kein großer Grund zur Freude. Das Gutachten, erstellt von einer Unternehmensberatungs-Agentur, die bisher wohl mit der Apothekenwelt ziemlich wenig am Hut hatte, sollte sich mit der Frage befassen, wie in Zukunft die Apotheke honoriert wird, d.h. offiziell ausgedrückt, sie sollte ein Konzept entwickeln zur „Ermittlung der Erforderlichkeit und des Ausmaßes von Änderungen der in der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) geregelten Preise“. Ho ho ho. Mein liebes Tagebuch, es sollte vor allem auch darum gehen, welche Datengrundlagen, Berechnungs-, Simulations- und Analysenmethoden man heranziehen kann, um abschätzen zu können, was passiert und welche Auswirkungen es hat, wenn man die Preiszuschläge für verschreibungspflichtige Arzneimittel verändert. Schon seit einigen Wochen rätseln Experten, was bei diesem Gutachten wohl herauskommen wird. In die Erstellung des Gutachtens waren übrigens auch die ABDA und die Ministerien für Wirtschaft und Gesundheit eingebunden, allerdings nur über einen Beirat. Mein liebes Tagebuch, soviel steht fest: Nach dem EuGH-Urteil vom letzten Jahr mit den freien Rx-Preisen für ausländische Versender, nach dem Skonto-Urteil, das Unruhe bei den Rabatten und Skonti des Großhandels stiften wird, wird das Gutachten für mächtig Wirbel sorgen. Ja, und dann die spannende Frage: Was setzt unsere ABDA dagegen bzw. was würden eigentlich wir Apothekers gerne wollen? Eine sogenannte Arbeitsgruppe (AG) Honorierung, die es seit 2011 gibt und mit unseren Spitzenexperten besetzt ist, soll konkrete Reformvorschläge erarbeitet haben. Mein liebes Tagebuch, was mag da wohl herausgekommen sein? Man kann es vermuten, was auf der Wunschliste steht: z. B. eine regelmäßige Anpassung des Honorars, das natürlich in der heutigen Höhe bleiben soll; die 3-Prozent-Marge soll nicht angetastet werden; eine zusätzliche Vergütung zum Fixhonorar (also „on top“) für Dienstleistungen steht auch auf der Wunschliste, z. B. fürs Medikationsmanagement oder für Präventionsleistungen. Alles nicht neu, alles schon mal gefordert, aber bisher nichts bekommen. Fraglich, ob die ABDA-AG neue kreative Ansätze fürs Honorar aus dem Hut zaubert. Mein liebes Tagebuch, und was ist, wenn das Gutachten meint, die 8,35 Euro seien schon heute zu viel? So oder so, wir werden wohl einen richtig langen Wunschzettel ans Christkind schreiben müssen.
Auch da sollten mal so manche Politiker und sogenannte Wirtschaftsweise, die von Ketten und Apothekenwettbewerb über alles träumen, genauer hinschauen: Celesio stößt in England 190 seiner Lloyds-Apotheken ab. Das Unternehmen versucht, seine unrentablen Buden zu verkaufen und wenn sich kein Käufer findet, werden diese Läden einfach dicht gemacht. So schnell geht das bei Ketten. Gründe für die Unrentabilität der Apotheken dürften u. a. darin liegen, dass der Nationale Gesundheitsdienst (NHS) Vergütungen gekürzt und Apothekerhonorare zusammengelegt hat – rein rechnerisch mussten die Apotheken auf der Insel mit rund 19.000 Pfund weniger zwischen Juni 2016 und März 2017 auskommen. Apothekenschließungen haben Folgen für die angestellten Leiter und Mitarbeiter, für die Patienten, die längere Wege in Kauf nehmen müssen. Mein liebes Tagebuch, immer wieder: Zum Glück haben wir keine Ketten.
27. Oktober 2017
Wie steht die CDU eigentlich zum Arzneiversandhandel? Ist sie nun dafür oder eher dagegen? Mein liebes Tagebuch, je mehr man sich dieser Frage nähert, umso chimärenhafter wird die Antwort. Alle Signale, die Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe bisher ausgesandt hat, stehen für ein Versandverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel. In den Koalitionsverhandlungen will sich die CDU dafür stark machen. Und dann gibt es den Wirtschaftsrat der CDU, einen CDU-nahen Verein, der aus rund 12.000 Mitgliedern besteht: Unternehmen, Führungskräfte aus allen Bereichen, Angehörige der Freien Berufe, auch die ABDA ist Mitglied. Dieser Wirtschaftsrat, der „die Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik im Sinne der Sozialen Marktwirtschaft“ mitgestalten möchte, hat nun mit Blick auf die Koalitionsverhandlungen ein Positionspapier herausgegeben, das als Grundlage für die Gespräche des Wirtschaftsrates im Rahmen der Koalitionsverhandlungen dienen soll. Und, mein liebes Tagebuch, in diesem Papier steht auch, dass wohnortnahe Apotheken eine bedeutende Rolle in der medizinischen Versorgung spielen, Aber da steht auch: „Zur flächendeckenden Versorgung sollte der Versandhandel für Medikamente unbedingt erhalten werden.“ O.k., den Arzneiversandhandel kriegen wir nicht mehr los, das ist Zeitgeist. Selbst die ABDA hat ihn akzeptiert, aber damit war bisher immer nur der OTC-Versandhandel gemeint. Jetzt geht es auch um den Rx-Versandhandel – bleibt die Frage, ob der Wirtschaftsrat hier differenziert? Vermutlich nicht. Für die Wirtschaft ist es schlichtweg „wurscht“, ob OTC oder Rx, Hauptsache Versand. Das wird nicht lustig.
Glückwunsch nach Thüringen, nach Jena: 25 Jahre Pharmazeutisches Institut. 1992 wurde es, nachdem es die DDR 1970 geschlossen hatte, wiedereröffnet, vor allem auf Betreiben der beiden Professoren Reuter und Oelschläger. Und es war richtig, wie sich nach 25 Jahren zeigt: Es ist ein kleines, aber blühendes Institut, das jährlich 60 bis 70 Pharmazeuten hervorbringt. Und es ist fest an der Uni, im Land Thüringen verankert. Schade, mein liebes Tagebuch, dass das Institut wegen Platzmangels nicht eine größere Anzahl an Studierenden ausbilden kann. Der Bedarf an Pharmazeuten wäre da. Wäre schön, wenn das Institut den Neubau bekäme, den es sich dringend wünscht.
1 Kommentar
AOK
von Karl Friedrich Müller am 29.10.2017 um 18:00 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.