Forderung des Pharmaverbandes BAH

„Nach dem OTC-Switch sollte es eine Marktexklusivität geben“

Berlin - 12.06.2018, 15:15 Uhr

Dr. Elmar Kroth, Geschäftsführer Wissenschaft BAH (re.), findet, dass Hersteller, die mit ihrem Wirkstoff einen OTC-Schwitch-Prozess durchlaufen, für eine begrenzte Zeit Marktexkusivität bekommen sollen.  (Foto: DAZ.online)

Dr. Elmar Kroth, Geschäftsführer Wissenschaft BAH (re.), findet, dass Hersteller, die mit ihrem Wirkstoff einen OTC-Schwitch-Prozess durchlaufen, für eine begrenzte Zeit Marktexkusivität bekommen sollen.  (Foto: DAZ.online)


Warum gibt es keinen Massentrend, der „OTC-Switches“ heißt? Diese Frage stellte Dr. Elmar Kroth auf der zweiten OTC-Switch-Konferenz des Bundesverbands der Arzneimittelhersteller (BAH) in Berlin, die am heutigen Dienstag stattfindet. Der Geschäftsführer der Wissenschaft beim BAH hat Erklärungen für das ausbleibende Phänomen des OTC-Switch-Hypes.

OTC-Switches bringen keine revolutionären Arzneimittelinnovationen mit sich. Das Innovative und der Vorteil beim „Switch“ eines verschreibungspflichtigen Wirkstoffes hin zur Apothekenpflicht liegen eher im Bereich der Versorgung des Patienten. Dass OTC-Switches Vorteile für den Patienten schaffen, findet auch Dr. Elmar Kroth bei der am heutigen Dienstag in Berlin stattfindenden zweiten OTC-Switch-Konferenz. Kroth ist Geschäftsführer im Bereich der Wissenschaft beim Bundesverband der Arzneimittelhersteller e. V. (BAH).

„Switches bringen therapeutischen Fortschritt zum Patienten“, erklärt er – auch anhand von Beispielen. So könnten mittlerweile Migränepatienten oder Heuschnupfengeplagte Erst-Linien-Therapeutika in diesen Indikationen auch rezeptfrei in der Apotheke erhalten. Bei den Triptanen schafften bislang Naratriptan und Almotriptan die OTC-Switch-Hürde. Seit vergangenen Jahres können Allergiker nach Erstdiagnose ihrer saisonalen, allergischen Rhinitis diese mit den topischen Glucocorticoiden Fluticason oder Mometason behandeln. Kroth: „Die Produkte laufen sehr gut in den Apotheken“, seiner Meinung nach ist dies ein Indiz, dass die Patienten auch tatsächlich einen Nutzen davon haben“.

Nur drei OTC-Switches wurden zurückgenommen

Auch die Bilanz aus 40 Jahren OTC-Switches stimmt den BAH stolz. Und in der Tat: Von 128 Anträgen auf Freistellung von der Verschreibungspflicht wurden in den vergangenen 40 Jahren 89 angenommen – also etwa 70 Prozent. In nur drei Fällen wurde der Switch im Nachhinein zurückgenommen, und zwar bei Terfenadin, Astemizol und topischem Ketoprofen. Terfenadin wurde durch das sicherere Fexofenadin abgelöst, bei Astemizol stand das Risiko einer QT-Zeit-Verlängerung einer weiteren Vermarktung entgegen und im Falle des Ketoprofens war ein europäisches Risikobewertungsverfahren aufgrund fototoxischer Reaktionen auf den Wirkstoff Grund für sein Verschwinden vom Arzneimittelmarkt.

BAH: Pharmazeutische Unternehmen aktiver einbinden

Warum also fehlt der Trend hin zu noch mehr OTC-Switches? Das Verfahren hat sich laut Kroth bewährt, doch „es ist mühsam“ und erfordert bei den pharmazeutischen Unternehmen einen langen Atem. Kroth kritisiert in diesem Zusammenhang, dass – außer eines initialen Scientific Advice-Gespräches vor Einreichung des Switch-Antrages – die pharmazeutischen Unternehmer nicht in den Switch-Prozess aktiv eingebunden sind: „Derzeit erhalten die antragstellenden Unternehmen weder die Beurteilung der zuständigen Behörde noch werden sie in Beratungen des Sachverständigenausschusses einbezogen“, so Kroth. Das ist nach Ansicht des BAH nicht zeitgemäß.

Fehlende Marktexklusivität nach OTC-Switch schafft wenig Anreize

Sehr kritisch steht Kroth insbesondere jedoch den Post-Switch-Rahmenbedingungen gegenüber. In Deutschland erfolgt der OTC-Switch bislang rein auf Wirkstoffebene. Das heißt: Hat ein Unternehmen mit einem Arzneistoff den Wechsel aus der Verschreibungspflicht einmal gemeistert, so dürfen – ohne zeitliche Latenz – auch andere Anbieter diesen Wirkstoff als OTC-Präparat vermarkten. In den USA und Japan sei dies anders gelöst. Hier genießen laut Kroth die Erstanbieter des OTC-Präparates drei Jahre Marktexklusivität. „Das würden wir uns auch für Deutschland wünschen“, so Kroth. Es könne nicht sein, dass – vor allem wenn der OTC-Switch von klinischen Daten abhänge – ein Unternehmen dies allein finanziell schultern müsse und somit „Wirtschaftsförderung für Konkurrenzunternehmen“ leiste.

OTC-Switches nur auf Produktebene?

Andere Länder gehen hier noch einen anderen Weg. So erfolgt in Italien oder Spanien der OTC-Switch nicht wirkstoffbezogen, sondern produktbezogen, was den Anbietern hinter den „neuen“ OTC-Präparaten die Möglichkeit biete, „den Markt eine gewisse Zeit allein zu nutzen“. Österreich ist sogar dual aufgestellt. Hier kann der Antragsteller entscheiden, ob er den Wirkstoff oder nur sein eigenes Produkt aus der Verschreibungspflicht entlassen will.

Theoretisch gibt es laut BAH auch in Deutschland die Option der einjährigen Marktexklusivität. Diese wurde allerdings bislang nur einmal genutzt. Die Entscheidung darüber fällt das Bundesgesundheitsministerium (BMG). Der einzige Fall hierzulande war Ulipristalacetat in EllaOne®, der Pille danach. Allerdings genoss EllaOne® zum Zeitpunkt des Switches ohnehin noch Patentschutz, sodass sich dies auf eine Marktexklusivität nicht auswirkte. Für den BAH sind rein produktspezifische Switches nicht das Mittel der Wahl. Kroth positioniert sich eindeutig und spricht sich explizit für eine Marktexklusivität nach erfolgtem Wechsel aus der Verschreibungspflicht aus.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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