Das Urteil im Zyto-Prozess (Teil 1)

Das „perfekte Verbrechen“ für den Bottroper Zyto-Apotheker

Karlsruhe - 15.11.2018, 10:15 Uhr

Der Bottroper Zyto-Apotheker Peter S. (hier mit seinen Anwälten) hat jahrelang Zyto-Zubereitungen gepanscht, damit Patienten geschadet und die Kassen um rund 17 Millionen Euro betrogen. DAZ-Autor Hinnerk Feldwisch hat die Urteilsbegründung analysiert. (Foto: hfd)

Der Bottroper Zyto-Apotheker Peter S. (hier mit seinen Anwälten) hat jahrelang Zyto-Zubereitungen gepanscht, damit Patienten geschadet und die Kassen um rund 17 Millionen Euro betrogen. DAZ-Autor Hinnerk Feldwisch hat die Urteilsbegründung analysiert. (Foto: hfd)


Der Bottroper Pharmazeut Peter S. wurde im Juli zu zwölf Jahren Haft und lebenslangem Berufsverbot verurteilt. Das Landgericht Essen legte nun die Urteilsbegründung vor: So hätten die Unterdosierungen aufgrund „völlig fehlender Kontrollen“ für Peter S. wie ein perfektes Verbrechen gewirkt. Die Richter schreiben: Fast jede vierte Zubereitung enthielt zu wenig oder gar keinen Wirkstoff. Welche Patienten geschädigt wurden, ließe sich im Nachhinein nicht mehr feststellen. Und der finanzielle Schaden für die Kassen belaufe sich auf 17 Millionen Euro. Doch das DAZ.online vorliegende Urteil hat auch Schwachpunkte.

Der inzwischen verurteilte Zyto-Apotheker Peter S. versorgte in dem nicht verjährten Zeitraum von fünf Jahren Krebskranke mit unterdosierten Arzneimitteln, „um sich selbst ein Luxusleben zu finanzieren und sich in seiner Heimatstadt als Gönner und Wohltäter aufzuspielen“, heißt es in der DAZ.online vorliegenden schriftlichen Urteilsbegründung gegen den Bottroper Zyto-Apotheker Peter S. Er war im Juli zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden. Spätestens seit Anfang 2012 habe er sich entschlossen, den Gewinn der Apotheke durch das „verordnungswidrige heimliche Einsparen von Wirkstoff“ zu steigern.

Dies habe er systematisch umgesetzt – großteils eigenhändig, doch hätten auch mindestens zwei im Urteil genannte Mitarbeiterinnen unterdosierte Arzneimittel hergestellt. Die Richter rechneten S. nach den Regeln eines Organisationsdelikts alle Fälle zu und urteilten, dass seine Mitarbeiter nicht „auf eigene Faust“, sondern vielmehr mit Wissen und Billigung ihres Chefs gehandelt haben.

S. habe als Fachmann „selbstverständlich“ gewusst, dass die von den Ärzten verschriebenen Mittel nicht mit einer beliebigen Wirkstoffmenge – oder womöglich ganz ohne Wirkstoff – herzustellen waren. „Die einschlägigen rechtlichen Vorschriften über die Herstellung von Rezepturarzneimitteln waren ihm als Grundlage des traditionell rechtlich stark regulierten Berufs des Apothekers bekannt“, schreiben die Richter. „Es ist völlig ausgeschlossen, dass es sich beim Handeln des Angeklagten um ein massenhaftes Versehen handeln könnte. Die Vielzahl der objektiv unterdosierten Zubereitungen über Jahre hinweg und die enormen finanziellen Vorteile, die er damit erzielte, lassen die Kammer darauf schließen, dass es sich bei dem Tun des Angeklagten um ein bewusstes, systematisches Vorgehen zur dauerhaften Erzielung erheblicher Gewinne handelte.“

Viele Annahmen zu Gunsten des Apothekers

Von den 117 bei der Razzia am 29. November 2016 sichergestellten Zubereitungen seien 66 deutlich unterdosiert gewesen – 27 habe S. selber hergestellt, die anderen ließen sich teils Mitarbeitern zuordnen. Von den 61.863 bis zum Vortag hergestellten Zubereitungen enthielten mindestens 14.498 nicht den deklarierten Wirkstoff in der verschriebenen Menge, schätzten die Richter, wobei sie Minderdosierungen von 20 Prozent als akzeptabel ansahen. Die Richter nahmen auf Basis durchschnittlicher Dosierungen an, dass S. mit der real vorhandenen Wirkstoffmenge die größtmögliche Zahl ordnungsgemäß dosierter Zytostatika herstellte. So errechneten sie die Zahl von über 14.000 Zubereitungen, für die rechnerisch überhaupt kein Wirkstoff zur Verfügung stand.

Sowohl S. als auch angewiesene Mitarbeiter haben laut dem Urteil absichtlich unterdosiert. Jedoch lag laut den Richtern kein Beweis vor, dass der Apotheker damit rechnete oder es in Kauf nahm, dass aufgrund der Unterdosierungen ein konkreter Patient einen Schaden erleiden würde. Auch aufgrund des Schweigens von Peter S. blieb im Verfahren offen, wer die gefälschten Mittel erhielt. „Die Kammer konnte nicht feststellen, dass ein konkreter Patient, dem eine unterdosierte Zubereitung verabreicht wurde, aufgrund der Unterdosierung verstarb oder sich aufgrund der Unterdosierung sein Leben verkürzte oder er in Lebensgefahr geriet“, schreiben die Richter.

Die bis zum Tag vor der Razzia hergestellten Zubereitungen bewerteten sie als vorsätzlichen Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz (AMG) durch Herstellen und Inverkehrbringen von Arzneimitteln, die in ihrer Qualität nicht unerheblich gemindert und die gefälscht waren. Bei den am Tag der Razzia sichergestellten Zubereitungen bezogen sie sich nur auf einen AMG-Verstoß in Bezug auf das Herstellen gefälschter Arzneimittel, da sie offenbar noch nicht vom Apotheker freigegeben worden waren.

Abrechnungsbetrug in Millionenhöhe, keine Hygieneverstöße nachweisbar

Außerdem verurteilte das Landgericht Essen Peter S. wegen Abrechnungsbetrugs: Die unterdosierten Mittel seien „wirtschaftlich wertlos“ gewesen, daher handele es sich bei den monatlichen Abrechnungen um Betrug in 59 Fällen. Auf Basis mehrerer Abschätzungen bezifferten die Richter den Abrechnungsbetrug bei Krankenkassen auf einen Gesamtschaden von 17.943.846 Euro, den sie auf einen Betrag von 17,3 Mio. Euro abrundeten. Die Anklage hatte auch Hygieneverstöße mit aufgeführt, doch sprach die Strafkammer S. diesbezüglich frei: Zwar hätten die Zeugenaussagen „unzweifelhaft“ ergeben, dass S. zumindest gelegentlich in Straßenschuhen und ohne Schutzkleidung im Reinraumlabor arbeitete – doch ließen sich Kontaminationen auch aufgrund fehlender Untersuchungen nach der Razzia nicht feststellen. „Keine der 117 sichergestellten Zubereitungen ist im Ermittlungsverfahren sachverständig auf mikrobielle oder sonstige Verunreinigungen untersucht worden“, heiß es im Urteil.

Peter S.: Sohn zweier Apotheker

Es beschreibt auch den Werdegang von S.: Dieser sei als Sohn zweieer Apotheker aufgewachsen, seine Mutter betrieb früher die inzwischen umbenannte Alte Apotheke in Bottrop. Nach seinem Studium erlernte er die Zyto-Herstellung beim Bundeswehrkrankenhaus in Koblenz, während er Apotheker im Rang eines Hauptmanns in einer Bundeswehrapotheke war. Im Jahr 2000 wechselte er als angestellter Pharmazeut in die Apotheke seiner Eltern. Ein Promotionsstudium brach er ab, einen betriebswirtschaftlichen Ergänzungsstudiengang absolvierte er und erlangte die Qualifikation eines Betriebswirts, wie später auch die des Fachapothekers für Offizin-Pharmazie sowie für Onkologie.

Ab dem Jahr 2001 baute S. in der Apotheke seiner Mutter die Zyto-Herstellung auf. Zu November 2009 pachtete er die Alte Apotheke von ihr und übernahm die Leitung, während seiner Eltern weiter im Betrieb arbeiteten. Gut ein Jahr später eröffnete er außerdem eine Filialapotheke in Düsseldorf. 2012 übertrug seine Mutter ihm das Apothekengebäude im Zuge einer vorweggenommenen Erbfolge – welches sie sich jedoch im Januar 2017 zurückübertragen ließ, als S. in Untersuchungshaft war. Mit Übernahme von seiner Mutter habe sich der Umsatz erheblich gesteigert – auf jährlich rund 40 Millionen Euro, wovon bis zu die Hälfte auf den Reinraumbetrieb entfallen sei. Seit 2009 habe sich auch die Zahl der Mitarbeiter auf rund 90 verdoppelt, mit zuletzt mehr als sechs Apothekern, rund 30 PTAs, mindestens neun PKAs, mehreren Reinigungskräften und rund 20 Fahrern.

„Sabotage durch den Angeklagten“

Bis heute leidet S. an den Folgen einer Kopfverletzung aus dem Jahr 2008, aufgrund derer er den Geruchssinn verlor und gelegentlich Kopfschmerzen hat. Die Verteidiger hatten dies als Grund für eine mögliche verminderte Schuldfähigkeit vorgebracht, doch auf aufgrund psychiatrischer Gutachter wiesen die Richter dies ab. So schließt die Kammer aus, dass die Folgen der Kopfverletzung dazu geführt haben, „dass der Angeklagte das Unrecht seiner Taten nicht einsehen konnte oder nicht nach seiner Einsicht handeln konnte“, heißt es im Urteil. Durchgeführte Tests zur Leistungsfähigkeit „erwiesen sich jedoch aufgrund von Sabotage durch den Angeklagten als unergiebig“. Ein von der Verteidigung bestellter Gutachter hatte angeführt, dass S. für seinen Berufsstand eine unterdurchschnittliche Intelligenz habe, was die Richter aufgrund mangelnder Datenbasis zurückwiesen. „Allzu oft ist die Intelligenz von Apothekern nämlich bislang nicht wissenschaftlich überprüft worden“, schreiben sie.

Derselbe Gutachter argumentierte, S. wäre vielleicht überfordert gewesen. Doch sei das Bild eines „angstbesetzten“ Apothekers, der Tag für Tag frühmorgens in der Sorge, nicht fertig zu werden, versehentlich Krebsmittel unterdosierte – und dabei praktischerweise ein Millionenvermögen verschaffte – von seiner Lebenswirklichkeit „meilenweit entfernt“, schreiben die Richter. Der Angeklagte sei vielmehr ein dynamischer „Macher“, der viele Projekte stemmte.

Peter S. tat viel für seine Region

In Bottrop sei S. für sein soziales Engagement bekannt gewesen: Er organisierte etwa für das Hospiz einen jährlichen Spendenlauf. Allein im Jahr 2013 spendete er laut Urteil einen Betrag von 170.000 Euro, in anderen Jahren soll es ähnlich viel gewesen sein. Nach außen hin sei der Apotheker „eher zurückhaltend und bescheiden“ aufgetreten, stellen die Richter fest – obwohl er in den letzten Jahren vor Inhaftnahme einen „kostspieligen Lebensstil“ gepflegt habe: Er ließ sich auf einem rund 18.000 Quadratmeter großen Grundstück für eine zweistellige Millionensumme eine luxuriös und extravagant ausgestattete Villa einrichten – samt Wasserrutsche, großer Modelleisenbahnanlage und rund 70 teils sehr wertvollen Kunstwerken. Der große Garten – mit einem Stück Berliner Mauer, das vom Künstler James Rizzi gestaltet wurde – wurde von einem Gärtner gepflegt, den S. in Vollzeit angestellt hatte. „Zu keinem Zeitpunkt hatte er Liquiditätsschwierigkeiten“, heißt es im Urteil.

Frühere Strafverfahren wurde eingestellt, S. sei ein „guter Mensch“

In den Jahren 2013 und 2014 führte die Staatsanwaltschaft Essen bereits ein Strafverfahren gegen S. wegen des Verdachts von Unterdosierungen – basierend auf der Anzeige eines früheren Ehemannes einer Apothekenmitarbeiterin. Doch die geschiedene Frau erklärte damals, nichts von Unterdosierungen zu wissen – ihr geschiedener Mann wolle ihr vermutlich schaden. Der Verteidiger von S. erklärte laut dem Urteil, der Apotheker sei unschuldig und käme „nicht im Traum“ auf die Idee, Krebspatienten Schaden zuzufügen: Er sei ein „guter Mensch“, Habgier sei ihm wesensfremd. Unterdosierungen lägen auch nicht im wirtschaftlichen Interesse des Angeklagten, denn „je früher ein Krebspatient stirbt, desto weniger verdient mein Mandant an diesem Patienten. ( ... ) Man beißt ja schließlich nicht die Hand, die einen füttert.“ Das Ermittlungsverfahren wurde schließlich eingestellt. „Der Angeklagte führte auch im Anschluss seine Taten fort“, erklären die Richter nun.

Detailliert beschreibt das Urteil die Abläufe bei der Zyto-Herstellung in der früheren „Alten Apotheke“ – so auch die Herstellung der Etiketten und die Dokumentation mittels des Programms Zenzy. „Die Mitarbeiter des Reinraumlabors (mit Ausnahme des Angeklagten) hielten sich beim Herstellen der Zubereitungen in der Regel an das sogenannte ‚Vier-Augen-Prinzip‘“, schreiben die Richter. Der Apotheker habe laut Urteil weder einen anderen Mitarbeiter hinzugezogen, noch waren andere Mitarbeiter anwesend. „Der Angeklagte arbeitete stets völlig allein und unbeobachtet.“ In Zenzy sei es oftmals automatisiert zu Minusbeständen einzelner Wirkstoffe gekommen, „weil mehr Wirkstoff zur Verwendung ausgebucht wurde, als an Lieferungen eingebucht worden war“.

Labormitarbeiter „besaßen keine eigenen Entscheidungsspielräume“

S. habe das Reinraumlabor seit den Anfängen im Jahr 2001 persönlich geleitet, heißt es im Urteil – das Labor zog er im Jahr 2016 in neue, deutlich größere Räume um. „Alle wesentlichen Entscheidungen, die das Labor betrafen, lagen in seinem Verantwortungsbereich und wurden auch tatsächlich von ihm getroffen“, schreiben die Richter – obwohl zunächst seine Mutter die Apotheke führte. So habe er auch selbstständig über die Einstellung neuer Mitarbeiter entschieden. „Der Angeklagte leitete und kontrollierte auch den täglichen Betrieb des Reinraumlabors“, schreiben die Richter. Hierdurch wie auch durch seine „überragende Sachkenntnis“ habe er stets den Überblick über alle Einzelheiten des Laborbetriebs gehabt. Er sei allein für den Wirkstoffeinkauf zuständig gewesen. Die Labormitarbeiter „besaßen keine eigenen Entscheidungsspielräume“, heißt es im Urteil. Alle Zeugen hätten übereinstimmend berichtet, dass S. alle wesentlichen Entscheidungen traf.

Welche Zubereitungen er herstellte, habe er selbst entschieden, indem er sich die jeweiligen Etiketten heraussuchte. „Einen Schwerpunkt legte er dabei auf die hochpreisigen monoklonalen Antikörper“, die er vorwiegend selbst produzierte – oftmals morgens zwischen 6 Uhr bis 6:45 Uhr sowie nach 16 Uhr und am Wochenende. Der Angeklagte sei der einzige, der von den Unterdosierungen unmittelbar wirtschaftlich profitierte habe – und zwar im Millionenbereich, erklären die Richter. „Es lag in seinem kriminellen Interesse, eine möglichst geringe Menge an Wirkstoff einzusetzen“, schreiben sie im Urteil. 

Wegen „völlig fehlenden Kontrollen“ ein fast perfektes Verbrechen

Angesichts der „völlig fehlenden Kontrollen“ handelte es sich aus Sicht des Apothekers um das „perfekte Verbrechen“, schreiben die Richter: S. musste sich laut dem Urteil keine größeren Sorgen machen, durch Kontrollen aufzufliegen. Die zuständige Amtsapothekerin Hanneline L. habe zwar regelmäßig angemeldete Inspektionen durchgeführt und die Eröffnung der Filialapotheke und des neuen Reinraumlabors intensiv begleitet. Doch obwohl Paragraph 64 AMG die Untersuchung von Arzneimittelproben vorschreibe, habe L. während des gesamten Tatzeitraums keine Proben gezogen – insbesondere auch keine Zytostatika. „Da derartige Untersuchungen der Produkte von zytostatikaherstellenden Apotheken in Nordrhein-Westfalen allgemein unüblich waren, brauchte der Angeklagte entsprechende Kontrollen nicht zu fürchten“, heißt es im Urteil.  

Der Apotheker schwieg während des Verfahrens, und machte nur gegenüber den psychiatrischen Sachverständigen Angaben – wenn auch nicht zu den eigentlichen Tatvorwürfen. Kurz nach seiner Inhaftierung habe er gar nicht verstanden, was man ihm vorwerfe – erst später sei „etwas Fleisch drangekommen“, er habe sich „das“ aber nicht vorstellen können. Die Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufsmenge sei für ihn „nicht zu erklären“. Er hinterfrage sein Handeln – die beste Kontrolle erfolge aber durch die behandelnden Ärzte. Diesen müsse schließlich auffallen, „dass Therapien nicht richtig wirken würden“, zitiert ihn das Urteil – oder dass eine typische Färbung fehle. Er habe nur ganz selten eine kritische Rückmeldung erhalten, zu fehlender Wirkung jedoch nie.

Außerdem gab S. an, er habe immer viel parallel gemacht. Um die gesamte finanzielle Thematik habe er sich jedoch nicht gekümmert. Grund des Umsatzzuwachses seien sicherlich das von ihm veränderte Marketing, das allgemeine Wachstum des Absatzes der Apotheke und des onkologischen Bereiches sowie der Umstand, dass nahe Apotheken geschlossen worden seien.

Bundesgerichtshof wird die Haftstrafe prüfen

Einige mögliche Schwachpunkte hat das Urteil. Bezüglich der sichergestellten Zytostatika ist beispielsweise nicht klar, ob S. die mit einem Kürzel versehenen Beutel selber hergestellt hat – da die Dokumentation in der „Alten Apotheke“ in vielerlei Hinsicht mangelhaft war. „Eine absichtliche Falschangabe unter dem Punkt des jeweiligen ‚Herstellers‘ schließt die Kammer aus“, heißt es im Urteil: Anhaltspunkte für eine bewusst falsche Zuordnung bei Herstellungsprotokollen habe die Beweisaufnahme nicht ergeben, auch seien Motive nicht erkennbar.

Wenn das Verfahren nun zur Revision zum Bundesgerichtshof geht, muss dieser sich auch mit der Frage beschäftigen, ob ausreichend klar erwiesen ist, dass die Differenzen zwischen eingekaufter und verkaufter Wirkstoffmenge nicht etwa zu Schwarzmarkteinkäufe zu erklären seien, wie die Verteidigung argumentierte. „Die Beweisaufnahme hat für derartige Geschäfte keinerlei Anhaltspunkte ergeben“, heißt es im Urteil. Insbesondere der Whistleblower Martin Porwoll habe als früherer kaufmännischer Leiter der Apotheke erklärt, ihm sei hiervon nichts bekannt. Auch ein Hexal-Referent habe bekundet, S. keinerlei Zytostatika auf eigene Rechnung geliefert zu haben.

Dem Umfang von mehr als 1500 Seiten – mit vielen Tabellen und rund 300 Seiten Fließtext – sind wohl ein paar Flüchtigkeitsfehler geschuldet: So heißt es an einer Stelle, der Apotheker sei im Jahr 2017 geboren. An anderer Stelle heißt es, dass die Techniker Kasse monatlich rund 4 Millionen Euro für Arzneimittel ausgebe, obwohl der Betrag zwei Größenordnungen höher liegt.

Die Mini-Serie zum Zyto-Urteil

Das war der erste Teil der DAZ.online-Mini-Serie zu den Urteilsgründen im sogenannten Zyto-Prozess gegen den Apotheker Peter S. Im zweiten Teil wird es um die Frage gehen: Warum wurde Peter S. nicht wegen Mordes verurteilt?



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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