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Das fängt ja gut an! Kaum ein Jahresauftakt war heißer. Akzeptieren wir Apothekers das Spahn-Paket so, wie es auf dem Tisch liegt? Greifen wir zu den paar Euro, die das Paket verspricht, und verzichten aufs Rx-Versandverbot? Und wer sagt uns überhaupt, ob wir die Euro auch tatsächlich bekommen oder ob wir für dumm verkauft werden?
Berufspolitisch waren die Tage „zwischen den Jahren“, rein äußerlich betrachtet, extrem ruhig, aber mit Sicherheit nicht hinter den Kulissen. Bundesgesundheitsminister Spahn hatte uns Apothekers Mitte Dezember sein Komplettpaket präsentiert, wie er sich die Lösung des Konflikts ums Rx-Versandhandelsverbot vorstellt. Alternativen? Keine. Spahns Vorstellung: Entweder, die Apotheker stimmen zu und akzeptieren oder sie schauen in die Röhre. Von einer Aufdröselung des Pakets hält der Minister nichts – die Apotheker könnten sich da womöglich das Passende heraussuchen und den Rest in die Tonne treten oder mit anderen Vorstellungen kombinieren oder sonst wie dran rumschrauben. Nein, davon hält er rein gar nichts. Das Motto ist: Friss oder lass es. Tja, mein liebes Tagebuch, klingt nicht nach Lasst-uns-miteinander-reden-und-debattieren-und-um-gute-Lösungen-ringen, wie er die heiße Luft in seinen Sonntagsreden auf dem Apothekertag und in seinen Facebook-Posts allzu gerne umschrieb.
Zur Erinnerung: Das Spahn Paket
Spahn möchte den ausländischen Versendern eine Boni-Obergrenze von 2,50 Euro vorschreiben. Wie er diese verankern und juristisch begründen will, ließ er offen. Er geht davon aus, dass der Boni-Deckel in Höhe von 2,50 Euro europarechtlich machbar sei. Das soll also möglich sein, ein Rx-Versandverbot dagegen nicht?
Außerdem will er das Wachstum der ausländischen Versender im Rx-Bereich eingrenzen. So soll es eine Marktanteil-Obergrenze von 5 Prozent geben. Und wenn Versender diese überschreiten, sollen die Boni-Möglichkeiten eingegrenzt werden. Wie Spahn sein Gedankenspiel, juristisch sattelfest, in die Tat umsetzen will, ist offen – vermutlich weiß Spahn selbst nicht, wie das gehen soll.
Ja, und dann der Geldköder für die Apotheker: die kleine Honorarerhöhung. Spahns Angebot: Die Nachtdienstpauschale soll verdoppelt werden. So sollen rund 120 Mio. Euro mehr den Apotheken zufließen. Mein liebes Tagebuch, ist zwar besser als nichts, aber wirklich nicht die Welt, oder? Ja, und dann noch Spahns Super-Angebot: Dienstleistungshonorare für Apotheker. Läuft auf die einfache Formel hinaus: Mehr Geld für mehr Arbeit. Wobei Spahn eigentlich noch gar nichts herausgelassen hat, wofür genau Apotheker honoriert werden sollen. Für Präventionsleistungen? für Projekte der Arzneimitteltherapiesicherheit? Fürs Medikationsmanagement und ähnliches? Wir wissen es nicht. Und wer soll diese Honorare auslösen und wie sollen sie abgerechnet werden? Alles offen. Immerhin, die Honorarmenge nannte der Minister bereits: rund 240 Mio. Euro sollen so den Weg in die Apotheken finden. Außerdem soll noch die Vergütung für BtM-Rezepte um 15. Mio. Euro erhöht werden.
Zu Spahns Eckpunkten gehört dann noch die Einbindung der Arzneimittelpreisverordnung ins SGB V (§ 129), d. h., das Wirtschaftsministerium wäre dann nicht mehr dafür zuständig. Außerdem machte er noch ein paar Zusagen wie beispielsweise den Erhalt der freien Apothekenwahl auch beim E-Rezept und ein Verbot von Einzelverträgen mit Krankenkassen mit abweichenden Preisen.
Mein liebes Tagebuch, was fehlt ist das Rx-Versandhandelsverbot. Spahn will es nichts, er hält es nicht für geboten, nicht für zeitgemäß, europarechtlich nicht für machbar. Dabei war das für die ABDA noch bis vor wenigen Wochen die zentrale Forderung. Und jetzt? Spahns Einstellung dazu lässt sich in etwa so formulieren: Ihr Apotheker könnt gern dran festhalten und versuchen, ob ihr dafür in politischen Kreisen eine Mehrheit findet, ich werde dafür allerdings keine Kräfte haben. Was für uns Apotheker also bedeutet: Wenn wir nur irgendwie weiterkommen wollen in diesem Konflikt, werden wir wohl gut daran tun, das Rx-Versandhandelsverbot aus unserem Apothekervokabular zu streichen.
Eine Zumutung
Unterm Strich ist das alles eine Zumutung, zumal dies alles nur Absichtserklärungen sind, aber de facto in keiner Weise geklärt ist, wie was umzusetzen ist. Allein schon die Zusage an die ausländischen Versendern, ihr Boni-Marketinginstrument von 2,50 Euro garantiert zu bekommen – würde so ein Paket überhaupt die Hürden der Gesetzgebung passieren? Oder wird im Lauf des Gesetzgebungsprozesses an vielen Ecken und Enden etwas weggestrichen, so dass für uns Apotheker am Ende nur ein Bruchteil von dem herauskommt, was ursprünglich angedacht war?
Aus gesundheitspolitischen Kreisen hört man offiziell bisher nichts, wie man sich zum Spahn-Paket verhalten will. Es gibt aber Gerüchte, dass sich einige Gesundheitspolitiker überrumpelt fühlen – keine gute Ausgangslage für eine wohlwollende Betrachtung dieses Vorhabens.
Der 17. Januar 2019 – Tag der Offenbarung
So, und damit nun endlich bald klar Schiff gemacht werden kann, macht Spahn ordentlich Dampf. Die Gesetzgebung dazu soll im Sommer abgeschlossen sein. Für die ABDA bedeutet das, sie muss sich schon bald dazu äußern, wie sie mit diesem Paket umgehen will. Doch zunächst müssen sich die ABDA-Mitgliedsorganisationen, sprich die Kammern und Verbänden, einig werden, wie sie damit umgehen wollen. So erhielten sie von oben den Auftrag, sich ein Meinungsbild zum Spahn-Paket zu machen, das sie spätestens bis zum 9. Januar nach Berlin übermitteln sollen.
Welche Gedankenspiele und Szenarien mögen da in den Vorstandsköpfen von Kammern und Verbänden und natürlich auch ganz oben im Berliner Lindencorso in den Tagen „zwischen den Jahren“ hin- und herbewegt worden sein? Klar, die Spahn-Praline hat ihre Schoko-Seiten, aber eine arg bittere Füllung: Die gesetzliche Festschreibung, dass ausländische Versender Boni geben dürfen, muss als „Abkehr des Gesetzgebers vom Prinzip einheitlicher Abgabepreise verstanden werden“, wie es der ABDA-Präsident selbst in seiner Weihnachtspost formulierte. Das stehe im eklatanten Widerspruch zum zentralen Ziel der Apotheker.
Am 17. Januar findet die ABDA-Mitgliederversammlung statt, dann wird sich zeigen, wie sich die ABDA positionieren wird. Mein liebes Tagebuch, kaum ein Jahresauftakt war heißer.
Mein liebes Tagebuch und ich wünschen allen Leserinnen und Lesern ein gutes neues Jahr. Möge es trotz aller Widrigkeiten erfolgreich sein! Liebe Apothekerinnen und Apotheker, lasst uns zuversichtlich in die Zukunft schauen und selbstbewusst. Wer wenn nicht wir können die Patienten mit qualitativ hochwertigen und sicheren Arzneimitteln versorgen (Securpharm!), die Arzneimitteltherapie mit Informationen und Beratung begleiten und sicher machen (Medikationsanalyse und mehr!). Und wer wenn nicht wir stehen Tag und Nacht bereit, mit Arzneimitteln und Beratung zu helfen! Das sollte uns selbstbewusst machen – egal was Spahn und Co. uns anbieten.
16 Kommentare
Spahnnungen
von Dr.Diefenbach am 06.01.2019 um 22:03 Uhr
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AW: Spahnnungen
von Michael Zeimke am 07.01.2019 um 9:04 Uhr
Privatrezepte
von Erik Modrack am 06.01.2019 um 21:10 Uhr
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Gesunder Menschenverstand
von Thomas Luft am 06.01.2019 um 17:02 Uhr
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Wervechselungen mit Personen und Institutionen sind rein.......e Phantasie oder In welchem Film leben wir eigentlich
von Bernd Jas am 06.01.2019 um 14:57 Uhr
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Die Patienten sind unsere Freunde
von Dr. Radman am 06.01.2019 um 12:33 Uhr
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AW: Die Patienten sind unsere Freunde
von Annette Dunin v. Przychowski am 06.01.2019 um 14:47 Uhr
AW: Die Patienten sind unsere Freunde
von Christian Giese am 06.01.2019 um 15:11 Uhr
RX-Versandverbot
von Dr. Radman am 06.01.2019 um 12:13 Uhr
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AW: RX-Versandverbot
von Erik Modrack am 06.01.2019 um 20:58 Uhr
AW: Wieder einmal verraten und verkauft?
von Wolfgang Müller am 06.01.2019 um 21:41 Uhr
Jens Spahn und die Wertschätzung von Apotheken im Allgemeinen
von K. Stülcken am 06.01.2019 um 12:08 Uhr
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Chapeau, Herr Ditzel!
von Gunnar Müller, Detmold am 06.01.2019 um 9:53 Uhr
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Hackerangriff und SS
von Conny am 06.01.2019 um 9:35 Uhr
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Guter Deal?
von Ulrich Ströh am 06.01.2019 um 9:17 Uhr
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Danke!
von Thesing-Bleck am 06.01.2019 um 9:04 Uhr
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