Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

29.12.2024, 07:30 Uhr

Viel Mut, Kraft und Zuversicht fürs neue Jahr! (Foto: Alex Schelbert)

Viel Mut, Kraft und Zuversicht fürs neue Jahr! (Foto: Alex Schelbert)


Der Countdown läuft. 2024 geht zu Ende, ein neues Jahr steht vor der Tür. Die Rückblicke zeigen: Es gehört nicht unbedingt zu den besten. Wir können manches in der Rückschau verklären, aber so richtig gut wird’s nicht. Also nehmen wir das Neue mit Zuversicht, lasst uns was draus machen! Es gibt Chancen. Zwar sind da einige Wenns und Abers zu klären, aber wo ein Wille, da ein Weg. Drücken wir die Reset-Knöpfe in der Apotheken- und Bundespolitik und hoffen, dass alle bereit sind, es besser zu machen. Ein Weiter-so oder Aufgeben sind keine Alternativen. Auf ein gutes, ein besseres neues Jahr! 

Was wird uns vom Apotheken-Jahr 2024 im Gedächtnis bleiben? Lieferengpässe noch und noch, der endgültige, aber dennoch äußerst holprige Start des E-Rezepts, die ständigen Ausfälle der IT-Strukturen – um nur die Probleme zu nennen, die den Apothekenalltag immer wieder erschwerten.  Das, was in der Apothekenwelt am meisten bewegte, war das anhaltende und rasch fortschreitende Apothekensterben: Ähnlich wie im Vorjahr haben auch 2024 wieder rund 500 Apotheken für immer geschlossen, wodurch sich für viele Versicherte die Arzneimittelversorgung verschlechterte: Sie müssen weitere Wege zur nächsten Apotheke in Kauf nehmen.

Berufspolitisch werden wir uns an den Versuch des Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach erinnern, der uns eine Apothekenreform aufzwingen wollte, die letzten Endes wohl einen Systemwechsel mit sich gebracht hätte: Apotheken ohne Apothekerinnen und Apotheker. Mein liebes Tagebuch, es wäre der Einstieg in neue Apothekenstrukturen gewesen bis hin zu ferngesteuerten Arzneimittelabgabestellen durch Automaten und Chatbots, es wäre ein ministeriales Geschenk für alle EU-Versender.

Aber die Apothekerschaft wehrte sich: Die von der ABDA organisierten Mini-Kampagnen mit Kundenumfragen, Postkartenaktionen, Plakaten und ähnlichen Gimmicks, nun ja, sorgten nicht wirklich für großes Aufsehen und politisches Gehör. Demos und kurzfristige Protestschließung von Apotheken brachten dagegen deutlich mehr öffentliches Interesse für die Lage der Apotheken. Und erst recht die Aktionen, bei denen Apothekerinnen und Apotheker die Gesundheitspolitikerinnen und -politiker ihres Bundeslandes zu einem Informationsbesuch der Apotheken einluden: Diese Aktionen hinterließen nachhaltige Eindrücke, endlich kam Verständnis für die finanziell enge Lage der Apotheken auf. Sogar SPD-Politiker wollten den Weg ihres Ministers nicht mehr mitgehen, FDP-Politiker entwickelten eigene Vorschläge für eine Apothekenreform. Und ja, es war eine FDP-Politikerin, die sich gegen Lauterbachs Reformpläne stellte und blockierte: Die Apothekenreform schaffte es nicht ins Kabinett. Wir wissen, wie alles ein gutes Ende nahm: Das Ampel-Aus (übrigens das Wort des Jahres!) brachte auch das Aus für die Apothekenreform. Wie es 2025 weitergeht, wird sich zeigen.

2024 – es war auch das Jahr der verpatzten Wiederwahl der ABDA-Präsidentin. Als sich einige Kammer- und Verbändsoberen (es soll unter den Mitgliedsorganisationen der ABDA wohl zwei „Lager“ gegeben haben, die mit Overwiening und ihrer ABDA-Führung, aber auch mit dem politisch Erreichten unzufrieden waren) dazu entschlossen, ihr bei der Wahl nicht die Stimme zu geben, ging das Unterfangen in die Hose. Denn wie aus Insiderkreisen zu hören war, wollte man  sie nicht mit überragender Mehrheit wählen, es sollte knapp ausgehen, man wollte ihr einen Denkzettel mit auf den Weg geben. Dumm nur, dass sich da wohl einige Mitglieder mehr als gedacht gegen sie entschieden haben: Die Mehrheit stimmte gegen sie, die geschmeidige Wiederwahl war geplatzt. Die Reaktion in Kreisen der Mitgliedsorganisationen: Sorry, war nicht so gemeint. Mein liebes Tagebuch, diese Gesamtinszenierung sagt viel über Strukturen, Machenschaften und das Klima in der ABDA aus.

Mit so einem enttäuschenden Ergebnis hatte Overwiening nicht gerechnet. Ihre erste Reaktion auf das Ergebnis: Sie ließ wissen, dass sie nicht wieder zur Wahl antreten werde, die Enttäuschung war groß. Aber wer soll‘s denn dann machen? Eine Alternativ-Person war nicht aufgestellt worden. Es musste eine neue Kandidatin, ein neuer Kandidat gesucht werden. Sogar Alt-Präsident Friedemann Schmidt tat seine Überlegungen kund und meinte, es könnte vielleicht auch ein Kandidat, eine Kandidatin sein mit etwas weniger berufspolitischer Erfahrung, zumal ja erfahrene alte Hasen zur Seite stünden.

Wie auch immer, die Lage ist brisant: eine führungslose ABDA in dieser Zeit, kurz vor der Neuwahl der Bundesregierung – das geht gar nicht. Bundesapothekerkammer und Deutscher Apothekerverband trafen sich kurz vor Weihnachten im Berliner Apothekerhaus und steckten die Köpfe zusammen: Überlegungen und Namen, wer geeignet sein könnte, wurden ausgetauscht, alles streng geheim. Aber wie es nun mal so bei geheimen Sitzung ist, sickerte dann doch ein bisschen was durch. So sollen sich die Verbände auf Thomas Preis, Chef des Apothekerverbands Nordrhein, geeinigt haben, er habe doch einen großen berufspolitischen Erfahrungsschatz, hieß es. Mein liebes Tagebuch, vermutlich dürfte sich Preis von diesem Vorschlag geschmeichelt gefühlt haben: ABDA-Präsident Preis, klingt doch. Auf Kammerseite dagegen fand die Geheimsitzung keinen neuen Namen, dem man den Schritt auf den ABDA-Präsidentensessel zugetraut hätte. Also, wie wär‘s, wenn man Overwiening um Verzeihung und eine neue Kandidatur bittet? Mein liebes Tagebuch, was könnte dies für eine spannende Wahl werden, endlich könnte die Mitgliederversammlung mal wirklich wählen, auswählen! Aber, wird Overwiening ihr Ja-Wort zur Kandidatur geben? Könnte ein „Ja, ich kandidiere“ ihre zweite Reaktion sein, nachdem die erste Enttäuschung ein wenig verflogen ist? Schließlich hätte dies auch ein bisschen von „Sie- finden-keine-bessere-als-mich“, was auch beflügelt.

Mein liebes Tagebuch, ob es bei dieser Personenauswahl bleiben wird, wie die Wahl am Ende ausgehen wird, bleibt spannend. Wenn man die Lage mal ganz nüchtern nach den Feiertagen betrachtet und versucht, Bilanz zu ziehen: Wäre die ABDA ein börsennotiertes Unternehmen (irre, diese Vorstellung!), wäre ein Austausch der Unternehmensführung angezeigt. Die Bilanz liest sich, nett gesagt, suboptimal: anhaltende Talfahrt der Unternehmensniederlassungen, sprich Apothekenschließungen, sinkende Betriebsregbnisse, keine Skonti mehr, aber Mehrarbeit auf allen Ebenen, und neue Geschäftsfelder wie die pharmazeutischen Dienstleistungen werden unzureichend umgesetzt, da sehr personal- und zeitintensiv und dazu mit geringen Erträgen. Außerdem: Das Standing auf politischer Ebene ist unterm Strich schwach, wenig durchsetzungsstark. Und intern sollen sich Führungsdefizite gezeigt haben. Mein liebes Tagebuch, die ABDA ist ein Verein, kein Unternehmen, sie wird von Pharmazeutinnen und Pharmazeuten geführt, die irgendwann mal beschlossen haben, Berufspolitik zu machen. An ihrer Spitze stehen Apothekerinnen und Apotheker, die im normalen Leben einen mittelständischen Betrieb führen, mal gut bis sehr gut, mal weniger gut. Ganz konkret, unter diesen Vorzeichen stellt sich die Frage: Hätte es eine andere ABDA-Präsidentin, ein anderer ABDA-Präsident besser gekonnt als Overwiening? Es gibt nun mal äußere Umstände, gegen die man nur schwer oder gar nicht angehen kann – die Politik sitzt am längeren Hebel, und wenn ein Politiker, eine Politikerin starrköpfig bleibt und sich nicht überzeugen lässt, nützen alle Bemühungen nichts.

Overwiening hat sicher nicht alles richtig gemacht (wer macht das schon), aber sie konnte verkrustete ABDA-Strukturen ein wenig aufbrechen, offener, zugänglicher, ein bisschen transparenter machen. Sie geht auf Menschen zu, auf die Gesundheitspolitik, sucht das Gespräch, stellt sich in neuen Formaten (Live-Talks) den Fragen der Basis. Und sie vertritt ein Berufsbild der Apothekerin, des Apothekers nach außen, das zeigt: Die Apotheke ist für die Bevölkerung da, sie kümmert sich um die Arzeimittelsicherheit, um die Arzneimitteltherapie und alles, was dazu gehört. Sie stellt die Unverzichtbarkeit der Apotheke in den Mittelpunkt. Natürlich, auch da geht noch mehr, aber zwischen eigenen Ansichten und eigenen Überzeugungen einer Präsidentin und der Umsetzung neuer Ideen und Wege stehen auch ABDA-Gremien, die nicht immer von modernen Gedanken zu überzeugen sind.

Also, es bleiben die Fragen: Wer traut sich zu, es besser zu machen? Wer sind potenzielle Bewerberinnen und Bewerber? Und: Tritt Overwiening wieder an? Sollte sie sich dazu durchringen, mein liebes Tagebuch, sie hätte große Chancen…
Anfang nächsten Jahres wissen wir mehr. Und nach der kleinen ABDA-Wahl folgt gleich die große Bundestagswahl. Wer wird das Rennen machen?

Mein liebes Tagebuch und ich wünschen Ihnen und Euch allen schwierigen Fragen der Welt zum Trotz ein friedvolles und entspanntes Jahresende – eine kleine Verschnaufpause, denn das neue Jahr verspricht turbulent zu werden.

Herzlichst,
Peter Ditzel


Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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2 Kommentare

Drücken wir die Reset-Knöpfe in der Apotheken- und Bundespolitik und hoffen, dass alle bereit sind, es besser zu machen.

von Bernd Haase am 29.12.2024 um 8:49 Uhr

Es gibt tatsächlich andere Demokratie-Modelle als das unsere.

Ein Blick über den Tellerand zu unseren Nachbarn hift da vieleicht weiter.

Man lernt ja nie aus.

https://www.telepolis.de/features/Schweizer-Demokratie-Modell-Weniger-Macht-mehr-Harmonie-10217697.html


» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Drücken wir die Reset-Knöpfe in der

von Jörg Wilhelm Nolten am 30.12.2024 um 9:12 Uhr

Herr Haase ,
wir haben im Moment keine Zeit , Demokratiemodelle oder Personaldebatten zu führen. Das politische Berlin kennt eine eloquente und meinungsstarke Gabriele R. Overwiening als Ansprechpartnerin der deutschen Apothekerschaft . Wir werden bis zu den Koalitionsverhandlungen keinen anderen, und, ich glaube, auch keinen besseren aufbauen können.

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