Dieselskandal

Apotheker Völkner klagt gegen VW – mit Erfolg

München - 04.03.2019, 07:00 Uhr

Der Hamburger Apotheker Uwe Völkner hat im Dieselskandal gegen den VW-Konzern geklagt und einen ersten gerichtlichen Erfolg errungen. (Foto: privat)

Der Hamburger Apotheker Uwe Völkner hat im Dieselskandal gegen den VW-Konzern geklagt und einen ersten gerichtlichen Erfolg errungen. (Foto: privat)


Von dem Skandal um manipulierte Dieselmotoren bei VW ist auch der Hamburger Apotheker Uwe Völkner betroffen. Er hat sich vor einigen Jahren einen Skoda Superb TDI gekauft, eine Marke des Volkswagenkonzerns. Auch sein Auto ist mit einer sogenannten Schummelsoftware ausgestattet. DAZ.online hat mit ihm gesprochen: Völkner fühlt sich nicht beschummelt, sondern betrogen – und hat vor Gericht einen ersten Sieg errungen.

Uwe Völkners Apotheke befindet sich dort, wo immer etwas los ist: Hamburg, Nobistor 27, tiefes St. Pauli, direkt an der Reeperbahn. Eine vielbefahrene Kreuzung, der Molotow Musikclub auf der anderen Seite, die Laufhäuser und die Große Freiheit 36 nur ein paar Minuten entfernt. Er nennt das eine „turbulente Gegend“, in der das Leben tobt. Immer ist irgendwo ein Alarm zu hören: Polizei, Feuerwehr, Krankenwagen. Auch die Klientel seiner Lincoln-Apotheke, die er seit etwa 30 Jahren führt, ist manchmal besonders: Mehr als zehn Substituenten treten bei ihm täglich durch die Tür des blaugrauen Rundbaus. Es sind Leute aus einem speziellen sozialen Milieu, manchmal etwas anstrengend.

Völkner, groß, schlank, 61, ist also einiges gewohnt. Doch wie er von Volkswagen über den Tisch gezogen worden ist, das geht ihm zu weit. 2013 hat er sich einen neuen Skoda Superb Kombi 1.6 L TDI, Version Elegance gekauft. 21.690 Euro hat er dafür bezahlt. Eigentlich wähnte sich der ökologisch angehauchte Pharmazeut, der bis dato ein erdgasbetriebenes Auto gefahren hatte, mit dem Skoda auf der sicheren Seite. Niedrige Verbrauchswerte, vergleichsweise geringer Kohlendioxidausstoß. Dass plötzlich auch Stickstoffdioxid eine Rolle dabei spielen sollte, ob er mit seinem Fahrzeug künftig noch unbesorgt und frei umherfahren kann, hatte ihm niemand gesagt. Bis er aus den Medien erfuhr, dass auch in seinem Fahrzeug ein Computerprogramm eingebaut ist, welches bewirkt, dass bei Tests niedrigere Abgaswerte angezeigt werden als das Auto im Alltagsverkehr tatsächlich ausstößt.

Laut Skoda sind weltweit rund 1,2 Millionen Fahrzeuge von der „Abgaswerte-Thematik“ betroffen, wie das Unternehmen die Manipulationen nennt. „Es geht um Skoda Modelle mit Dieselmotoren des Typs EA 189 (Drei- und Vierzylinder-Dieselmotoren mit den Hubräumen 1,2 l, 1,6 l und 2,0 l)“. Völkners Modell fällt darunter.

„Keine Schummelei, sondern Betrug“

Der Hamburger Apotheker hat einen Sinn für Gerechtigkeit. In seinem Beruf darf er sich nichts erlauben. Alles muss sauber dokumentiert sein, alles muss entsprechend den Vorgaben und Regularien ablaufen. Durch seinen Skoda hat er erfahren, dass es im Volkswagenkonzern offenbar anders abläuft. „Ich habe etwas für viel Geld gekauft, aber nicht bekommen, was es sein sollte.“ Für ihn ist das keine Schummelei, für ihn ist das Betrug. Als Apotheker dürfte er sich das nicht erlauben. „Mich ärgert, dass mit zweierlei Maß gemessen wird“, sagte Völkner gegenüber der Tageszeitung taz, die in der vergangenen Woche über seinen Fall berichtete. Zu seinem speziellen Fall wie auch zu allen anderen wollte sich der Konzern gegenüber der Zeitung nicht äußern.

Völkner denkt weiter. Der Dieselskandal ist für ihn nicht nur eine Sache, die die Motoren betrifft. Er sagt, das sei auch Steuerbetrug. Die Kraftfahrzeugsteuer berechne sich doch am Ausstoß der Fahrzeuge. Wenn der falsch angegeben sei, sei wahrscheinlich auch die Höhe der Steuer nicht korrekt.

2017: Völkner leitet erste juristische Schritte ein

Eine Weile lang hat er sich aufgeregt. Er hat geschimpft, sich bei Freunden ausgelassen. Für weiter gehende Gedanken hatte er als vielbeschäftigter Pharmazeut keine Zeit. Es war sein in den USA lebender Sohn, der ihm gesagt hat, er solle sich nicht nur aufregen, sondern etwas tun. Also hat er im September 2017 einen Anwalt aufgesucht und rechtliche Schritte gegen den Autokonzern eingeleitet.

Seit wenigen Tagen liegt ein Urteil des Landgerichtes Hamburg vor. Es hat VW zur Rückzahlung des Kaufpreises von 21.690 Euro verurteilt, davon aber 8.695 Euro für die bisherige Nutzung abgezogen. Außerdem soll der Apotheker 28 Prozent der Rechtskosten tragen. Völkner sagt, das Urteil sei noch nicht rechtskräftig. Sowohl VW als auch er könnten in Berufung gehen. Er weiß noch nicht, was er machen wird. Völkner ist ohne klares Ziel in diese Auseinandersetzung gegangen. Nun muss er sich erstmal orientieren.

Den Bogen entspannen

Anders sieht es bei ihm auf der beruflichen Ebene aus. Er sagt, dass er in ein Alter gekommen sei, in dem er bestimmten Dingen nicht mehr gewachsen sei. Das Apothekerdasein ist anspruchsvoll, St. Pauli kann anstrengend sein. Die mehr als drei Jahrzehnte haben ihm Spaß gemacht“, manchmal sogar „tierischen Spaß“, doch nun ist Schluss. „Man muss den Bogen auch mal entspannen“ meint Völkner.

In absehbarer Zeit wird er seine Apotheke mitsamt ihren sechs Mitarbeitern an einen Nachfolger übergeben. Und dann zitiert er den Schriftsteller und Philosophen Jean-Jacques Rousseau: „Das Leben ist kurz, weniger wegen der kurzen Zeit, die es dauert, sondern weil uns von dieser kurzen Zeit fast keine bleibt, es zu genießen.“ Sein Skoda-Diesel scheint angesichts solcher Gedanken nicht mehr so wichtig zu sein.



Thorsten Schüller, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Nicht verjährt

von Christian am 04.03.2019 um 11:42 Uhr

Wer jetzt denkt: "Verdammt, hätte ich auch mal geklagt bevor das verjährt ist!", der liegt vielleicht falsch. Einige Anwälte gehen davon aus, dass der Schadensersatz bei VW erst Ende 2019 verjährt: https://rechtecheck.de/optionen-im-abgasskandal/

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